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Beitrag vom 25.01.2021
Megan Rapinoe – One Life. Das Leben der Fußballikone und ihr Kampf gegen Diskriminierung und Rassismus
Silvy Pommerenke
Megan Rapinoe, Weltfußballerin des Jahres 2019, Kapitänin des US-amerikanischen Fußballteams und politisch engagierte Frau, hat mit CO-Autorin Emma Brockes ihre Geschichte aufgeschrieben. Dabei geht es um weit mehr als ihre sportliche Karriere, sondern auch um ihr Engagement gegen die Ungleichbehandlung von LGBTQ im Sport, ihr Engagement gegen soziale Ungerechtigkeit und Rassismus und nicht zuletzt gegen den Gender-Pay-Gap.
"Themen, die nichts mit Sport zu tun haben"
Bereits auf der zweiten Seite ihres autobiographischen Debuts spricht Megan Rapinoe das Thema Rassismus an, und dass sie sich des Privilegs, weiß zu sein, sehr bewusst ist. Sie sagt von sich selbst, dass sie laut und lesbisch sei und sich die Haare pink färbe, wodurch sie eine größere Aufmerksamkeit erhält als beispielsweise ein afro-musikalischer Football-Spieler (gemeint ist hier Colin Kaepernick). Genau diese Öffentlichkeit nutzt sie, um gegen soziale Ungerechtigkeit anzugehen. Dazu heißt es im Vorwort: "Während ich Ihre Aufmerksamkeit genieße, möchte ich einige mir wichtige Themen ansprechen, die nichts mit Sport oder meiner Familie zu tun haben".
Die Fußball-Karriere
Megan Rapinoe war schon als Kind und Teenager rebellisch und setzte sich gegen Ungerechtigkeiten ein, neigte aber laut eigenen Erinnerungen auch zu Tobsuchtsanfällen. Die Eltern nahmen es gelassen. Aufgewachsen ist sie in einer Großfamilie mit vier Geschwistern – wozu auch ihre Zwillingsschwester Rachael Rapinoe gehört, die ebenfalls ein Fußball-Ass ist, – und sie genoss die ländliche Idylle im kleinstädtischen kalifornischen Redding mit "fantastischem Blick auf die Berge". Bereits im Grundschulalter wird die überdurchschnittliche Athletik der Zwillingsschwestern deutlich, und sie sammeln ihre ersten Erfahrungen in einem Fußballverein: "Wir spielten mit Leib und Seele, und mit einer für unser Alter absurden fanatischen Motivation". Die ehrgeizigen Zwillingsschwestern fallen diversen Talent-Scouts auf, und schon bald spielen sie in immer höheren Fußball-Ligen.
Die Karriere von Megan Rapinoe geht steil bergauf und führt sie schließlich in das Nationalteam, auch wenn es kurzfristig wegen zwei Knieverletzungen so aussieht, als wäre das sportliche Ende gekommen. Aber Megan Rapinoe kämpft sich wieder nach oben, was 2012 zu einem Sieg bei Olympia und zwei gewonnenen Fußball-Weltmeisterschaften 2015 und 2019 führt. Außerdem wird sie 2019 zur Weltfußballerin des Jahres ausgezeichnet.
Politische Wut
Parallel zu ihrer professionellen Fußball-Karriere schließt sie ein Studium der Soziologie und Politikwissenschaften ab, und sie entdeckt ihre lesbische Identität. Die führt sie letztendlich wegen der Ungleichbehandlung von LGBTQ auch zur "politischen Wut" und zu ihrem Outing im Jahr 2012. Sie nutzt ihre Popularität, um gesellschaftspolitische Zeichen zu setzen und fordert die Leser*innen auf, es ihr gleich zu tun. "Nichts machte mich so wütend wie der Umstand, dass es immer noch so schwer war, sich zu outen, und solange sich das nicht änderte, würde ich nicht aufhören darüber zu reden… LGBTQ-Rechte waren ein Hauptthema in all meinen Interviews, und darüber zu reden, war allemal besser, als gar nichts zu tun".
Ein weiteres Feld, wofür sich Megan Rapinoe einsetzt, ist der Kampf gegen Gender-Pay-Gap. Gerade im Profisport wird die geringere Bezahlung von Frauen deutlich. Sie und ihre Teamkolleginnen gehen in die Offensive, denn, so Rapinoe: "Angst vor Ablehnung wird uns schon als kleinen Mädchen eingeimpft. Wir sollen immer die Ausgleichenden sein. Wir sollen keinen Ärger machen, und das hält uns davon ab zu kriegen, was wir wollen - oder auch nur darum zu bitten". Damit soll nun Schluss sein, und sie legen eine offizielle Beschwerde gegen Gehaltsdiskriminierung bei der Gleichstellungskommission ein.
Im Laufe der Zeit politisiert sich Megan Rapinoe immer mehr und sie setzt sich mit Rassismus und Black Lives Matter auseinander, was dazu führt, dass sie es Colin Kaepernick gleichtut. Der afro-amerikanische Football-Spieler weigerte sich 2016, beim Abspielen der Nationalhymne zu stehen und kniete stattdessen. Als Begründung für sein Verhalten erklärte er gegenüber den Medien: "Ich weigere mich aufzustehen und Stolz auf die Flagge eines Landes zu zeigen, das Schwarze und People of Colour unterdrückt."
Für Megan Rapinoe hat diese öffentliche Stellungnahme massive Konsequenzen, die von sozialer Ächtung, über Morddrohungen bis hin zum inoffiziellen Ausschluss aus dem Nationalteam führt. Sie steht vor der Entscheidung, weiterhin für ihren Aktivismus einzustehen, damit aber auch gezwungenermaßen ihren Job zu verlieren, oder sich der Vorschrift des Verbandes zu beugen, und bei der Nationalhymne zu stehen. Sie entschließt sich schweren Herzens für Letzteres. Was aber nicht gleichbedeutend damit wäre, dass sie sich politisch nicht mehr einmischen würde. Megan Rapinoe ist konsequent in ihrem Handeln, einschließlich der Weigerung, Donald Trumps Ruf ins Weiße Haus zu folgen.
Es bräuchte mehr Menschen wie sie, um eine Gleichberechtigung von Menschen aller Herkunft und Hautfarben und den Abbau von sozialen und systematischen Missständen zu bewirken.
AVIVA-Tipp: "One Life" von Megan Rapinoe ist erfrischend, sympathisch und bisweilen schnoddrig geschrieben. Dabei hat sie Unterstützung von der britischen Journalistin und Schriftstellerin Emma Brockes erhalten, die die Gespräche mit Rapinoe in eine mitreißende Biografie verwandelt hat. Es zeigt den phänomenalen Aufstieg der US-Amerikanerin in den Profi-Sport, die Schwierigkeiten, die es mit sich bringt, sich als Lesbe zu outen, und vor allem zeigt es ihren unerschrockenen Kampf gegen Rassismus und soziale Ungerechtigkeit.
Zur Autorin: Megan Rapinoe, geboren 1985 in Kalifornien, ist seit ihrem 17. Lebensjahr Profi-Fußballerin. Sie hat es als herausragende Mittelfeldspielerin in das Nationalteam der US-amerikanischen Fußballerinnen geschafft und bekleidet dort seit 2019 das Amt der Kapitänin und Spielmacherin. Sie und ihr Team gewannen etliche Fußballturniere, unter anderem 2012 bei Olympia, sowie 2015 und 2019 die Fußball-Weltmeisterschaften. 2019 wurde sie zur Weltfußballerin des Jahres ausgezeichnet, und gewann sowohl den Goldenen Ball als beste Spielerin, als auch den Goldenen Schuh als beste Torschützin der WM.
Nach ihrem Coming-Out 2012 als Lesbe wurde sie mit dem Board of Director´s Award der Los Angeles Gay and Lesbian Center ausgezeichnet und engagiert sich seitdem politisch. Unter anderem war sie 2013 Botschafterin von Athlete Ally, einer gemeinnützigen Organisation, die sich auf die Beendigung von Homophobie und Transphobie im Sport konzentriert. Im Dezember 2019 unterstützte sie Elizabeth Warren bei den US-Präsidentschaftsvorwahlen der Demokratischen Partei. Während der Eröffnungsnacht des Demokratischen Nationalkonvents im Jahr 2020 war Megan Rapinoe auf einem Panel zum Thema COVID-19-Pandemie.
Seit 2016 ist sie mit der Profi-Basketballspielerin Sue Bird zusammen und seit 2020 verlobt. Gemeinsam mit ihr stand sie als erstes offen homosexuelles Paar für die Body Issue des ESPN-Magazins Modell.
Megan Rapinoe auf Instagram: www.instagram.com/mrapinoe
Zur Co-Autorin: Emma Brockes, geboren 1975, studierte Englisch an der Oxford University. Seitdem arbeitet sie als Journalistin für The Guardian und die New York Times. Sie erhielt mehrere Journalist*innenpreise, darunter den Philip Geddes Prize und 2001 den Young Journalist of the Year – British Press Award. Im Jahr 2002 war sie Feature Writer of the year. Bislang hat sie drei Bücher veröffentlicht. In deutscher Übersetzung erschien 2013 das autobiografische Werk "Sie ging nie zurück: die Geschichte eines Familiendramas". Emma Brockes lebt in New York City.
Emma Brockes im Netz: www.emmabrockes.com und auf Twitter twitter.com/emmabrockes
Megan Rapinoe – One Life – Das Leben der Fußballikone und ihr Kampf gegen Diskriminierung und Rassismus
Co-Autorin: Emma Brockes
Goldmann Verlag, Erscheinungstermin 11/2020
Gebunden, 256 Seiten mit 16 S. farbiger Bildteil
Originaltitel: One Life
Übersetzer*innen: Elke Link, Andrea O´Brien, Jan Schönherr
ISBN 978-3-442-31621-2
Euro 20,00
Mehr zum Buch unter: www.randomhouse.de
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