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Beitrag vom 20.08.2020
50 Jahre Frauenfußball im DFB
Sylvia Rochow
Im Oktober 1970 hob der Deutsche Fußball-Bund nach 15 Jahren sein Frauenfußball-Verbot in Westdeutschland auf wachsenden Druck hin auf. Heute schmückt sich der Verband gerne mit den Erfolgen seiner Spielerinnen, wenngleich eine vollständige Gleichberechtigung noch immer nicht erreicht ist. 50 Jahre Frauenfußball im DFB – (k)ein Grund zum Jubel?! Eine Bestandsaufnahme von AVIVA-Berlin.
Das Jahr 2020 hat der Deutsche Fußball-Bund (DFB) zum großen Jubiläumsjahr auserkoren: "Früher nicht erlaubt. Heute verboten gut. Unsere Frauen. Echte Vorbilder." prangt es bundesweit auf Plakatwänden. Sie sollen auf den 50. Jahrestag von offiziell organisiertem, von Frauen gespieltem Fußball hinweisen.
Was dabei kaum oder sogar gänzlich unerwähnt bleibt: Der DFB hat dieses jetzige Hochglanz-Jubiläum selbst geschaffen, indem er am 30. Juli 1955 bei seinem 45. ordentlichen Bundestag in Berlin auf Antrag des Verbandes Niederrhein (FVN) ohne Gegenstimme Frauenfußball in der Bundesrepublik Deutschland ausdrücklich verbot. Vermeintliche physische und seelische Gefahren für den weiblichen Körper wurden vorgeschoben, um den männlichen Alleinvertretungsanspruch im Fußball auf Jahrzehnte zu manifestieren. Im Beschluss hieß es seinerzeit, der DFB lehnt "Damenfußball" aus "ästhetischen Gründen und grundsätzlichen Erwägungen" ab und verbietet seinen Vereinen, "Damenfußballabteilungen zu gründen" sowie "ihre Spielplätze für Damenfußballspiele zur Verfügung zu stellen." Seinen Schieds- und Linienrichtern untersagte der Verband, Damenfußballspiele zu leiten.
Dabei gehen die Anfänge der in Deutschland seit Jahren beliebtesten Ballsportart bis in die Weimarer Republik zurück, wenngleich sich Fußball spielende Frauen schon immer Kritik und vermeintlich gutgemeinter Ratschläge erwehren mussten. "Das Fußballspiel ist ein männliches Kampfspiel", stellte "Die Freie Turnerin – Organ für die Interessen des Frauenturnens", herausgegeben vom Arbeiterturn- und Sportbund e.V. Leipzig, 1925 fest. Die Schlussfolgerung war eindeutig: "Was für den Mann Ausdruck der Kampftüchtigkeit ist, das wird hier bei der Frau zur lächerlichen ´Megärenhaftigkeit´, zur ´Fratze´, zur ´Karikatur´. Darum fort damit." Nachdem dennoch insbesondere im sozialistischen Arbeiter-, Turn- und Sportbund zahlreiche Frauen sich den Fußball nicht verbieten ließen und beim fränkischen Arbeitersportverein BSK Fürth schon 25 weibliche Kickerinnen in den 1920er Jahren dem runden Leder hinterhergejagt haben sollen, gründete Lotte Specht 1930 mit dem 1. Deutschen Damen Fußballclub (1. DDFC) in Frankfurt am Main den ersten reinen Frauenfußballverein Deutschlands.
In der NS-Zeit, als die Mutterschaft zur nationalen Aufgabe (v)erklärt wurde, war Fußball ebenfalls eine für Frauen unerwünschte Sportart.
Der überraschende Titelgewinn des westdeutschen Männer-Nationalteams bei der Weltmeisterschaft 1954 in der Schweiz führt im Nachkriegs-Deutschland auch immer mehr Frauen an und auf die Fußballplätze. Gerade in Nordrhein-Westfalen entstanden 1955 mehrere Frauenfußballvereine, die ihre Spiele auch vor Publikum austrugen. Der damalige DFB-Präsident Dr. Peco Bauwens urteilte jedoch weiterhin strikt: "Fußball ist kein Frauensport, wir werden uns mit dieser Angelegenheit nie ernsthaft beschäftigen." So dürfte der Verbotsantrag des FVN im gleichen Jahr bei den Delegierten offene Türen eingerannt haben.
Trotz der offiziellen Restriktionen des DFB gründeten sich in den folgenden Jahren weitere Frauenfußballvereine, eigene Verbände in West- und Süddeutschland organisierten bis zu ihrer Auflösung 1965 wohl mehr als 150 Auswahlspiele gegen Teams aus England, Italien, den Niederlanden sowie Österreich.
Auf wachsenden Druck Fußball spielender Frauen hin, die mit der Gründung eines eigenständigen Verbandes drohten, beschloss der DFB am 31. Oktober 1970 bei seinem 62. Bundestag in Travemünde mit zwei Gegenstimmen: "Der im Jahre 1955 gefasste Beschluss, Spiele von Damenfußball nicht zu gestatten, wird aufgehoben. Der DFB-Vorstand wird beauftragt, die erforderlichen Richtlinien zur Durchführung von Damenfußballspielen aufzustellen und deren Annahme zu empfehlen."
Von wirklicher Gleichberechtigung konnte jedoch noch lange nicht die Rede sein. So musste beispielsweise mit einem Jugendball gespielt werden, das Tragen von Stollenschuhe war untersagt und die Partien durften zunächst nur 2 x 30 anstatt der üblichen 2 x 45 Minuten dauern – vermutlich mit einer der Gründe, warum Fußballerinnen von einigen Unbelehrbaren auch heute noch hin und wieder gefragt werden, ob sie denn wirklich so lange wie die Männer spielen würden. Eine Deutsche Meisterinnenschaft wurde von der Saison 1973/1974 an ausgetragen.
In Ostdeutschland finden sich erste Belege offizieller Frauenfußball-Begegnungen vom Ende der 1950er Jahre und Anfang der 1960er Jahre. Ein Verbot gab es hier für weibliche Spielerinnen nicht. Der Deutsche Fußball-Verband (DFV) begann im Jahr 1968, Frauenteams zu integrieren. Wettkämpfe wurden zunächst jedoch lediglich auf regionaler Bezirksebene ausgetragen, eine DDR-weite Bestenermittlung fand zum ersten Mal 1979 statt. 1981 nahmen schon 360 Teams an den Titelkämpfen teil. Ab 1987 traten die Siegerinnen einer Nord- und einer Südstaffel im Finale um die DDR-Meisterinnenschaft an. Die erste eingleisige DDR-Liga sollte gleichzeitig die letzte sein: In der Saison 1990/1991 entschied der USV Jena den Titelkampf in der Oberliga Nordost 1990/91 für sich.
Erfreulicherweise sind Mädchen und Frauen aus dem Fußball heute nicht mehr ernsthaft wegzudenken und vielerorts ein selbstverständlicher Teil der großen, immer diverser werdenden Fußballwelt – wenngleich sie sowohl auf dem Platz wie auch im Verein oder beim Stadionbesuch immer noch häufig für Sichtbarkeit und Akzeptanz kämpfen müssen. Einen umfassenden Einblick zu Fußballgeschichte(n) aus Frauenperspektive gibt beispielsweise die multimediale Online-Ausstellung "Fan.Tastic Females – Football Her.Story", die im November 2019 an der Beuth Hochschule für Technik in Berlin Station machte. Die ehemalige Nationaltorhüterin Kathrin Längert, die während ihrer Karriere für den FCR 2001 Duisburg, FC Bayern München FC Rosengård sowie FF USV Jena spielte, thematisierte in ihrer Keynote fortbestehende Diskriminierungen in ihrem Sport und gewährte offen Einblicke in den Alltag von Spitzenspielerinnen, die sie im AVIVA-Interview um weitere kritische Perspektiven zu Themen wie gesellschaftlicher Relevanz und Gender Pay Gap ergänzte.
Weitere Infos unter:
"Der größte Gegner ist das Klischee – 50 Jahre Frauenfußball", ca. 50-minütige ARD-Reportage, bis zum 11. August 2021 abrufbar in der Mediathek unter: Der größte Gegner ist das Klischee – 50 Jahre Frauenfußball
50 Jahre, 50 Gesichter – DFB-Webseite zu 50 Jahren Frauenfußball www.dfb.de
Fan.Tastic Females – Football Her.Story der Football Supporters Europe eV: www.fan-tastic-females.org
Die graue Spielzeit – Dossier der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb): www.bpb.de
Weiterlesen auf AVIVA-Berlin:
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In einer eindrucksvollen Keynote im Rahmen der Eröffnung der Wanderausstellung des Projekts "Fan.Tastic Females – Football Her.Story" in Berlin hatte die 32-Jährige Ende November 2019 bereits offen Einblicke in den Alltag von Spitzenfußballerinnen gewährt.
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Copyright Text: Sylvia Rochow