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Beitrag vom 21.03.2023
Turbulente Wochen im Frauenfußball rund um die März-2023-Testspiele
Sylvia Rochow
Kaum waren die Siegerinnen der internationalen Frühlingsturnieren in Europa und den USA gekürt, überschlugen sich nur wenige Monate vor der WM in einigen Nationalverbänden die Ereignisse. AVIVA gibt einen Überblick zum Geschehen.
Auch im Jahr der Fußball-Weltmeisterinnenschaften 2023 in Australien und Neuseeland (20. Juli bis 20. August 2023) nutzten zahlreiche Nationalteams traditionell internationale Fußball-Frühjahrsturniere zu einer Standortbestimmung. Die Ergebnisse von SheBelieves Cup, Arnold Clark Cup, Tournoi de France sowie weiteren Testspielen rückten bei manchen Teams jedoch schon bald in dem Hintergrund.
Vom 15. bis 21. Februar 2023 veranstaltete die WM-Gastgeberin 2019, Frankreich, zum dritten Mal das Tournoi de France. "Les Bleues" standen im Modus "jede gegen jede" in den nordfranzösischen Spielorten Angers und Laval Dänemark, Norwegen sowie Uruguay gegenüber. Im Laufe des Turniers wurden von den vier Teams insgesamt 15 Tore erzielt – bemerkenswerterweise von 15 verschiedenen Spielerinnen. Mit sieben Punkten sicherte sich die "Équipe Tricolore" zum dritten Mal den Titel.
Für Ruhe im schon lange schwelenden Konflikt um Coach Corinne Diacre sorgte dies jedoch nicht. Die Kapitänin und 141-fache Nationalspielerin Wendie Renard (Olympique Lyon) erklärte nur wenige Tage nach dem Turnier ihren sofortigen Rücktritt aus dem Nationalteam, was zugleich einen Verzicht auf die WM 2023 bedeutet. Renard begründete ihre Entscheidung damit, das derzeitige System nicht länger unterstützen zu können, weil es "von den Anforderungen auf höchstem Niveau weit entfernt" sei. Kurz darauf solidarisierten sich die Stürmerinnen Kadidiatou Diani und Marie-Antoinette Katoto (beide Paris Saint-Germain) mit der 32-Jährigen und erklärten, ebenfalls nicht für die fünf Monate später beginnende WM zur Verfügung zu stehen. Anfang März 2023 reagierte die Fédération Française de Football (FFF). Das Exekutivkomitee des französischen Fußballverbands beschloss auf Empfehlung einer Arbeitsgruppe um die ehemalige Nationalspielerin Laura Georges, sich mit sofortiger Wirkung von Diacre zu trennen. Ihre Nachfolge ist noch nicht geklärt.
Mit deutlich weniger Nebengeräuschen ging der zum achten Mal ausgetragene SheBelieves Cup über die Bühne. Weltmeisterin und Gastgeberin USA traf vom 16. bis 22. Februar 2023 ebenfalls im Modus "jede gegen jede" auf Kanada, Südamerikameisterin Brasilien sowie Japan. Gespielt wurde in Frisco (Texas), Nashville (Tennessee) und Orlando (Florida). Mit neun Punkten sicherten sich die USA zum sechsten Mal den Titel.
Die "#SheBelieves-Initiative" wurde im Vorfeld der WM 2015 vom US-amerikanischen Fußballverband U.S. Soccer gestartet, um junge Frauen und Mädchen mit Hilfe der US-Nationalspielerinnen darin zu bestärken, dass sie ihre Träume und Ziele erreichen können.
Die zweite Auflage des Arnold Clark Cup fand vom 16. bis 22. Februar 2023 in England statt. Spielorte waren Bristol, Coventry sowie Milton Keynes. Auch hier setzten sich die Gastgeberinnen und Europameisterinnen von Cheftrainerin Sarina Wiegmann ohne Punktverlust durch. Die "Three Lionesses" bezwangen Belgien, Italien sowie Südkorea.
Das DFB-Team absolvierte derweil ein Kurz-Trainingslager im spanischen Marbella und trat im Anschluss zu einem Länderspiel gegen Schweden an. Für Kapitänin Alexandra Popp (VfL Wolfsburg) stellte dies einen ganz besonderen Moment in ihrer langen, erfolgreichen Karriere dar: Sie bestritt vor 20.169 Fans in Duisburg (darunter auch Bundeskanzler Olaf Scholz, der sich am Rande der Partie zu einem Gespräch mit Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg traf) ihr 125. Spiel im DFB-Trikot. ""Es war ein Riesending, Familie und Freunde waren da, eine wahnsinnig schöne Kulisse - besser geht´s nicht... Außer mit einem Sieg", erklärte Popp nach dem umkämpften 0:0. Ihr Debüt im Nationalteam hatte die 31-Jährige vor fast genau 13 Jahren im gleichen Stadion bei einem 3:0 gegen Nordkorea gefeiert. Zudem lief die Olympia-Goldmedaillengewinnerin von 2016, dreimalige Champions-League-Siegerin, vielfache Deutsche Meisterin sowie Pokalsiegerin beim FCR 2001 Duisburg erstmals in der Frauen-Bundesliga auf.
In den ersten Wochen des Jahres 2023 wurde bekannt, dass drei andere national wie international prägende Top-Spielerinnen dem DFB-Team bei den Weltmeisterinnenschaften im Sommer nicht (mehr) zur Verfügung stehen werden. Torhüterin Almuth Schult (zurzeit vereinslos), bereits Mutter von Zwillingen, erwartet im August 2023 ihr drittes Kind. Europameisterin 2013 und Olympiasiegerin 2016 Leonie Maier (FC Everton) entschied sich Anfang des Jahres, künftig nicht mehr für das DFB-Team aufzulaufen. Die 30-jährige Abwehrspielerin bestritt 79 Länderspiele und erzielte dabei 11 Tore. Nach sogar 111 Länderspielen und 33 Toren wird Mittelfeld-Star Dzsenifer Marozsán (Olympique Lyon) am 11. April 2023 (18:00 Uhr, live in der ARD) in Nürnberg ihre Nationalmannschaftskarriere beenden und gegen Brasilien ein letztes Mal im DFB-Trikot auf dem Platz stehen. Deutschlands Fußballerin des Jahres von 2017 bis 2019 hatte die EURO 2022 wegen eines Kreuzbandrisses verpasst und sieht ihr Knie der Doppelbelastung aus Vereins- und Nationalteam nicht mehr gewachsen.
Bereits am 7. April 2023 (20:00 Uhr) trifft die DFB-Elf bei einem weiteren Testspiel in Sittard auf die Niederlande.
Weitere Infos unter:
www.dfb.de
www. arnoldclarkcup.com
Tournoi de France
www.ussoccer.com
#SheBelieves-Initiative auf Twitter
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Copyright Text: Sylvia Rochow