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AVIVA-BERLIN.de im Dezember 2024 - Beitrag vom 16.12.2018


Gunna Wendt - Erika und Therese
Doris Hermanns

Erika Mann und Therese Giehse verband nicht nur ihre gemeinsame Arbeit beim politischen Kabarett "Die Pfeffermühle", mit dem sie 1933 gemeinsam ins Exil gingen, sondern auch bekanntlich eine Liebesbeziehung.




Abwechselnd erzählt die Autorin Gunna Wendt vom Leben der beiden Frauen, vor der Zeit, als sie sich kennenlernten, womit sie bereits über ein Drittel des Buches füllt, bis zur gemeinsamen Geschichte braucht es bis etwa der Hälfte des Buches.

Therese Giehse, geboren 1898 als Therese Gift, wuchs in einer gutbürgerlichen jüdischen Familie in München auf. Diskriminierungen, die sie als Jüdin bereits in der Schule erlebte, führten dazu, dass sie eine gewisse Distanz zu anderen Menschen hielt, da sie diese für unberechenbar hielt. Aber dies hieß auch, dass sie beim Vorsprechen im Theater – sie wusste bereits früh, dass sie Schauspielerin werden wollte – souverän auftreten konnte, da es ihr vertraut war, kritisch beobachtet zu werden. Nachdem sie von 1918 bis 1920 Schauspielunterricht bei Toni Wittels-Stury genommen hatte, folgte 1920 ihr erster öffentlicher Auftritt in München und anschließend diverse Engagements in verschiedenen Städten, ab 1925 beim Schauspielhaus München, wo sie eine der meistbeschäftigten Schauspielerinnen war und sich im Laufe der Jahre zunehmender Beliebtheit erfreuen konnte.

Erika Mann, die ebenfalls in München aufwuchs, war das älteste der sechs Kinder des Schriftstellers Thomas Mann und seiner Frau Katia Mann. Ihre Urgroßmutter, die Großmutter ihrer Mutter, war die Frauenrechtlerin Hedwig Dohm, geborene Jülich/Schlesinger. Bereits als Kind gründete sie mit Geschwistern und FreundInnen einen Theaterbund, mit dem sie regelmäßig Stücke aufführten. Nach ihrem Abitur ging sie nach Berlin an die Theaterschule von Max Reinhardt. Schnell sollte sie in Stücken ihres Bruders Klaus Mann, wie z. B. "Anja und Esther" mitwirken. Aber sie war wenig sesshaft, immer wieder zog es sie (als Autofahrerin, noch ungewöhnlich zu dieser Zeit) in die Welt hinaus.

Im März 1927 lernten sich Erika Mann und Therese Giehse bei einer gemeinsamen Freundin, der Tierbildhauerin und Schriftstellerin Christa Winsloe kennen. Wie Golo Mann, der Bruder von Erika Mann, sich erinnerte, habe es an diesem Abend zwischen den beiden "gefunkt".

Im Buch geht es dann aber nicht mit deren gemeinsamen Geschichte weiter, vielmehr erzählt die Autorin erst einmal die Liebesgeschichte von Erika Mann und Pamela Wedekind, die ihrerseits 1924 bis 1928 mit Klaus Mann verlobt war.
Während Therese Giehse bereits eine bekannte Schauspielerin war, stand Erika Mann erst am Anfang ihrer Karriere. Ihre Auftritte in den von ihrem Bruder Klaus Mann geschriebenen Stücken waren alles andere als erfolgreich zu nennen. Giehse war für sie ein großes Vorbild, von der sie sich Rat erhoffte, während sie selber sich noch auf der Suche befand. Ohnehin waren die beiden Frauen sehr unterschiedlich: Erika Mann als die Jüngere überschwänglich und exaltiert, die sieben Jahre ältere Therese Giehse hingegen ein nüchterner Mensch, sie geizte eher mit Worten. Und trotzdem: "Therese braucht nicht mehr: Erika im Leben, das Theater in der Kunst. Das Theater im Leben, Erika in der Kunst." Aber umgekehrt war Erika Mann fasziniert von ihrer Partnerin und verstand ihr Bedürfnis, ein Theater zu machen, "das nicht nur die üblichen Theatergänger ansprach, sondern eins für das Volk, für Menschen, die echte Fragen an Schauspieler hatten und ihr eigenes Leben einbrachten. Theater als politisches Instrument. Theater als Teil des Lebens – nicht als Gegenpart: politisches Theater!".

Und ihre Vorstellung von politischem Theater sollten die beiden Frauen ab Januar 1933 umsetzen können, als sie mit Klaus Mann und Magnus Henning das Kabarett "Die Pfeffermühle" gründeten. Sie nannten es "literarisches Cabaret", aber ihr Ziel war ein außerordentlich politisches: "dem Protest gegen den Nationalsozialismus eine effiziente Form und einen adäquaten Raum zu geben".

Unmittelbar nach der Machtübernahme der Nazis ging das Kabarett ins Exil, Giehse floh mitten aus einer Probe. Nach zahlreichen Auftritten in der Schweiz führten erfolgreiche Tourneen sie u. a. in die Niederlande, Belgien, Prag und Luxemburg. Nur in den USA, wohin sie 1937 emigrierten, in einer fremden Sprache, war ihnen kein Erfolg vergönnt. Enttäuscht löste sich die "Pfeffermühle" auf – und anschließend auch die Beziehung von Giehse und Mann. Therese Giehse ging nach Europa zurück, ans Zürcher Schauspielhaus, während Erika Mann erst einmal in den USA blieb, wo sie ihre Zukunft sah, die sie erst 1952 wieder verlassen sollte, um ebenfalls in die Schweiz zurückzukehren. Die beiden Frauen blieben zeitlebens miteinander befreundet.

Zuweilen unterlaufen der Autorin in den Lebensbeschreibungen Fehler: So schreibt sie, dass Therese Giehse eine Hauptrolle und Erika Mann eine Nebenrolle in der ersten Verfilmung von "Mädchen in Uniform" von 1931 gespielt hätten. Es war allerdings nur Erika Mann, die in dieser Produktion eine Deutschlehrerin spielt. Erst in der dritten Verfilmung von 1958 sollte Therese Giehse die Rolle der Oberin übernehmen.
Zudem wird Erika Mann kurz aber dennoch zum Schluss auf ihre Rolle als Nachlassverwalterin ihres Vaters und ihres Bruders beschränkt, ohne zu erwähnen, dass sie durchaus selber noch zahlreiche Bücher geschrieben hat. Genausowenig wird ihre Beziehung mit Signe von Scanzoni erwähnt, mit der sie bis zu ihrem Tod zusammen war.

AVIVA-Tipp: Das Buch ist durchaus ein guter Einstieg für diejenigen, die sich noch nicht mit den beiden Frauen beschäftigt haben und bietet eine gute Übersicht über ihr beider Leben, wenn auch nur bis zu ihrer Trennung. Problematisch ist, dass es unklar ist, was das Buch eigentlich sein will: Roman oder Biografie. Was sind Zitate und was entspringt der Phantasie der Autorin? Einen wirklich neuen Blick, der über bisherige Veröffentlichungen (von beiden Frauen gibt es ausführliche Biografien) hinausgeht, wirft sie zudem nicht auf die Beziehung der beiden Frauen.

Zur Autorin: Gunna Wendt, geb. 1953, studierte Soziologie und Psychologie in Hannover und schrieb ihre Magisterarbeit über Paula Modersohn-Becker. Seit 1981 lebt sie als freie Autorin, Publizistin und Kuratorin in München. Neben Arbeiten für Theater und Rundfunk veröffentlichte sie mehrere Bücher, darunter Biographien über Liesl Karlstadt, Franziska zu Reventlow, Lou Andreas-Salomé, Lena Christ, Ruth Drexel, Maria Pawlowna, Zarin Alexandra und Maria Callas, sowie zur Klavier- und Flügelbauerdynastie Bechstein.
Die Autorin im Netz: www.gunna-wendt.de

Gunna Wendt
Erika und Therese
Erika Mann und Therese Giehse – Eine Liebe zwischen Kunst und Krieg

Piper, erschienen 2018
Broschur. 288 Seiten
ISBN 978-3-492-30941-7
Euro 12,00
Zum Buch: www.piper.de

Mehr Informationen

Die Biografie von Erika Mann auf FemBio: www.fembio.org
Die Biografie von Therese Giehse auf FemBio: www.fembio.org, auf dem Jewish Women´s Archive: jwa.org und auf Jewiki: www.jewiki.net

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Literatur

Beitrag vom 16.12.2018

Doris Hermanns