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Beitrag vom 04.03.2005
World Women Work 2005 - Birgit Gantz-Rathmann
AVIVA-Redaktion
Interview mit Birgit Gantz-Rathmann, Leiterin Soziales, Gesundheit, Chancengleichheit bei der Deutschen Bahn AG, Berlin.
AVIVA-Berlin: Wie bewerten Sie die Podiumsfrage 2 – Gleichstellung auch ohne Quote und Gesetz?
Birgit Gantz-Rathmann: Also ich war sehr, sehr erstaunt, dass aus dem Auditorium – es waren dort ja hauptsächlich junge Frauen - sehr eindeutig der Wunsch nach einem Gleichstellungsgesetz, nach einer Quotierung geäußert wurde.
Das habe ich bisher auf ähnlichen Veranstaltungen, und auch in meinen Gesprächen mit jungen Frauen im Unternehmen noch nicht erlebt. Ich bin sehr überrascht.
AVIVA-Berlin: Woran könnte das liegen?
Birgit Gantz-Rathmann: Das kann ich nicht sagen. Ich bin, wie gesagt, im Moment sehr überrascht. Es gibt zurzeit bei uns im Unternehmen drei Mentorinnenprogramme, bei denen ich junge Frauen auf ihrem Karriereweg begleite.
Da nehme ich eine andere Haltung wahr. Ich weiß nicht, wie das hier zusammengesetzt ist, wie die Lebenssituationen sind, wie die persönlichen Erfahrungen sind, usw., das müsste man natürlich wissen, um es beurteilen zu können.
AVIVA-Berlin: Das Motto der WWW 2005: "Wandel als Chance". Zwischen Work-Life-Balance und Netzwerk-Ökonomie: Herausforderungen und Perspektiven in einem zunehmend globalisierten Lebensumfeld. Wo sehen Sie persönlich diese Herausforderungen und Perspektiven?
Birgit Gantz-Rathmann: Ich sehe die Herausforderungen darin, in einem immer stärker werdenden Konkurrenzkampf, Frauen zu ermuntern, sich diesem Konkurrenzkampf zu stellen. Frauen haben eben eine Alternative, die gesellschaftlich akzeptiert ist: sich in die Familie zurückzuziehen.
Der Konkurrenzkampf wird immer härter und es wäre wirklich schade für die Frauen, aber auch für die Unternehmen, wenn diese Kompetenz von Frauen verloren ginge. Wir können uns ja wirtschaftlich nur behauten, wenn wir uns viel stärker dienstleistungsorientiert aufstellen. Wenn wir da nur die männliche Sichtweise im Unternehmen haben, fehlt uns etwas
AVIVA-Berlin: Welche Risiken sehen Sie?
Birgit Gantz-Rathmann: Das Risiko für die Frauen, habe ich ja eben bereits geschildert: sie laufen Gefahr zuviel aufzugeben.
Was die Unternehmen angeht, besteht die Gefahr dass solche Kulturveränderungsprozesse auf der Strecke bleiben angesichts des Rationalisierungsdrucks, des Zwangs, wirtschaftlich zu bestehen. Das ist vielleicht das Risiko für die Unternehmen, die dann sagen, es geht doch auch so und dabei verkennen, dass wir da uns selbst arbeiten müssen.
Deswegen fand ich die Idee aus dem Auditorium sehr gut, die nicht auf ein Gesetz abzielte, sondern auf bestimmte Kennziffern, die sich jedes Unternehmen selbst geben sollte und die individuell anzupassen wären.
AVIVA-Berlin: Würden Ihnen bei Ihrer Arbeit in Ihrem Unternehmen gesetzliche Richtlinien hinsichtlich der Gleichstellung helfen?
Birgit Gantz-Rathmann: Ich bin selbst Juristin und würde zusätzliche, gesetzliche Hürden, die die Unternehmen dann versuchen zu umgehen, eher für hinderlich halten. Ich bin tatsächlich dafür, dass man sich klare Selbstverpflichtungen auferlegt und im zweiten Schritt Zielvorgaben formuliert, die dokumentiert und überprüft werden. Das würde ich sehr viel besser finden.
AVIVA-Berlin: Wie beurteilen Sie den Trend bezügl. der Debatte um Work-Life-Balance, die in Deutschland zunehmend auf die Work-Family-Debatte reduziert wurde?
Birgit Gantz-Rathmann: Also Work-Life-Balance ist ja mehr, und ich glaube, wenn man an Leistungsträger heran will, muss man das auch so sehen. Das ist eben tatsächlich nicht nur Family, sondern das ist auch mal eine Auszeit nehmen, sich einen Sprachkurs leisten oder einfach wieder kreativ werden.
Ich glaube eine Veränderung in dieser Richtung wird nicht ganz so schnell gehen, aber wenn ich mit jungen Leuten spreche, dann merke ich schon, dass es diese vollkommen leistungsorientierte Haltung der Elterngeneration gar nicht mehr in dem Maße gibt.
Sie sind zwar leistungsorientiert, ganz sicher, sie sind auch fleißig, und interessiert, sonst könnten wir sie auch nicht gebrauchen, aber sie sagen schon, es gibt noch ein bisschen mehr im Leben und ich muss ihnen auch Recht geben.
AVIVA-Berlin: Mit welchen Erwartungen sind Sie nach Berlin gekommen?
Birgit Gantz-Rathmann: Ich war ja nun Referentin auf dem Podium und ich habe schon eine Vielzahl von solchen Veranstaltungen erlebt.
Ich hatte keine großen Erwartungen und ich nehme jetzt doch mit, dass es zunehmend offensichtlich einen Wunsch nach gesetzlicher Regelung gibt. Das hat mich sehr erstaunt und darüber muss ich erst einmal nachdenken. Ob sich das durch die Zusammensetzung des Auditoriums so ergeben hat oder ob es da Veränderungen gibt, das beschäftigt mich im Moment sehr.
AVIVA-Berlin: Vielen Dank Frau Gantz-Rathmann!