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Beitrag vom 11.07.2008
42plus. Claudia Michelsen im Interview
Andrea Petzenhammer
"Man muss Dinge auch einmal stehen lassen können." Die Schauspielerin Claudia Michelsen erzählte von Liebe, Beziehungen, ihrem Beruf und der Neigung der Deutschen, alles zu moralisieren.
Am 24. Juli 2008 startet die Liebeskomödie 42plus in den Kinos. Der Film zeigt eine erfolgreiche Frau in der Mitte ihres Lebens, die wieder intensiv und impulsiv fühlen will. Im Urlaub auf der italienischen Insel Ischia lässt sich "Christine" vom sommerlichen Flair befeuern und beginnt eine heimliche Affäre mit einem fast zwanzig Jahre jüngerem Mann.
Claudia Michelsen zeigt als "Christine" die Entwicklung einer Frau, die ausbricht und neu zu leben beginnt. Im Interview mit AVIVA-Berlin erzählt sie, wie sie den Dreh erlebt hat, warum Menschen immer wieder von vorne beginnen sollten und was an moralisierenden Filmen langweilig ist.
AVIVA-Berlin: 42plus erzählt die Geschichte einer Frau, die durch eine Affäre mit einem sehr viel jüngeren Mann ihre eigene Spontaneität und Lebenslust wieder entdeckt. Wie haben Sie sich auf diese Rolle vorbereitet?
Claudia Michelsen: Man versucht eine Figur zu begreifen, das Buch immer wieder zu lesen und der Person ein Leben und eine Haltung zu geben. Mit der Regisseurin hatte ich zuvor viele Gespräche geführt. Man wächst unbewusst und bewusst in die Figur, unabhängig von Lebensverfahrungen.
AVIVA-Berlin: Vielleicht auch durch Gespräche mit Bekannten, die Ähnliches schon erlebt haben?
Claudia Michelsen: Das eher nicht – aber dafür gibt´s Literatur. Das Alter des Jungen hat mich in der Vorbereitung aber auch nicht interessiert, das finde ich völlig unwichtig. "Christine" sehnt sich nach einem Freigeist, und danach, das Leben "anders" zu umarmen. Sie will hier und jetzt leben und es ist ihr egal, was morgen ist. Deshalb denke ich, dass das Alter nicht vordergründig eine Rolle spielt.
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© Zorro |
AVIVA-Berlin: Wie nah ist der Film mit seiner Beschreibung von Betrügereien und fehlender emotionaler Nähe zwischen BeziehungspartnerInnen an der Realität? Ist nach 15 Jahren Ehe eine Affäre der einzige Ausweg?
Claudia Michelsen: Ich glaube nicht, dass generell nach 15 Jahren die Luft raus ist. Es kommt darauf an, wie man über die Jahre miteinander umgeht, wie aufmerksam man bleibt oder welche Zeit man sich füreinander nimmt. Es ist ja nicht so, dass eine jahrelange Zuneigung und Verbindung aufgrund von Affären zerstört wird. Ich glaube, in einer Beziehung kommt man mit der Zeit auf eine andere Ebene. Das hat ganz viel mit Aufmerksamkeit zu tun, und natürlich mit Respekt, außerdem muss man dem anderen und sich selbst Raum lassen.
AVIVA-Berlin: Aber gerade die beiden Figuren Georg und Christine lassen sich viel Freiraum, einer achtet die persönliche Welt des anderen.
Claudia Michelsen: Ja aber trotzdem haben sie sich verloren. Man kann sich natürlich so viel Freiraum lassen bis man gar nichts mehr miteinander zu tun hat. Aber bei den Figuren ist die Liebe und eine Verbindung da, und trotzdem haben sie sich jeder in seiner eigenen Geschichte verheddert. Sie müssen darum kämpfen und das ist harte Arbeit.
AVIVA-Berlin: Traditionell haben eher Männer Affären mit jüngeren Frauen. Wieweit ist unsere Gesellschaft Ihrer Meinung nach von einem entspannten Umgang mit Frauen entfernt, die sich jüngere Partner suchen?
Claudia Michelsen: Es ändert sich ja schon, in anderen Kulturen ändert sich wesentlich weniger. Mir persönlich ist das aber völlig egal, welcher Partner jetzt wie viel jünger ist als der andere. Die Menschen sollen machen was sie wollen, solange es sie glücklich macht.
AVIVA-Berlin: Wie schwierig ist es für Sie, Erotik-Szenen zu drehen? Gewöhnt frau sich im Laufe ihres Schauspielerinnenlebens daran? Wie wichtig ist die Atmosphäre im Team für eine wirkungsvolle Szene?
Claudia Michelsen: Es ist furchtbar, völlig absurd, aber es gehört zur Arbeit dazu. Ich versuche es zu vermeiden, was bei diesem Film natürlich nicht möglich war. Obwohl meine Wünsche respektiert wurden und schöne Szenen entstanden sind, ist es nie angenehm. Trotzdem ist man nervös, es stehen zwanzig Leute um einen herum und irgendwann sagt einer "Bitte!". Und dann fängt man an und hört auf Kommando auch wieder auf.
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© Zorro |
AVIVA-Berlin: Was löst die Alterszahl 40 in uns aus? Wieso sind so viele der Meinung, ausgerechnet dann ihren Alltag revolutionieren zu müssen? Welche persönlichen Erfahrungen haben Sie gemacht?
Claudia Michelsen: Bekommen wirklich alle so eine Krise? Dann sollte ich mich schon mal drauf vorbereiten. (lacht) Ich glaube, viele Leute denken, dass unser Erdendasein begrenzt ist. Das nimmt man vorher in seinem jugendlichen Wahn nicht wahr. Auf einmal hängt man dann in Konventionen drin und weiß gar nicht, ob man sich da wirklich befinden möchte. Auf jeden Fall ist es aber eine wunderbare Chance, zu überdenken, was man will – oder eben gerade nicht will.
AVIVA-Berlin: "Christine" hat bei all ihren Arrangements kaum moralische Konflikte. Wie schwer oder leicht war es für Sie, sich in diesen Teil der Rolle hineinzufinden?
Claudia Michelsen: "Christine" blendet das einen Sommer lang aus und damit haben die Deutschen – spannender Weise – das größte Problem. Im Gegensatz zu den Franzosen, die in ihren Filmen kaum moralisieren, sind die deutschen Filme von Moral geprägt. Ganz im Sinne von "Das geht doch nicht" müsste Christine am Ende bereuen oder krank werden. Aber 42plus ist ein österreichischer Film, und die pflegen einen anderen Umgang, auch sprachlich, der viel direkter ist. Die Deutschen würden so einen Film weder finanzieren noch produzieren wollen. Das muss ich mal betonen.
AVIVA-Berlin: Nachdem "Christine" ihrem Mann die Affäre mit Tamaz gesteht, rastet der völlig aus. Er schlägt sie, zerreißt ihr Kleid und sperrt sie aus. "Christine" verzeiht ihm das – sie lässt ihm ausrichten "ich bin nicht böse". War das für Sie eine angemessene Reaktion?
Claudia Michelsen: Das ist auch so eine moralische Frage, er müsste sich für sein Verhalten entschuldigen und sie müsste sich für ihre Affäre entschuldigen. Warum denn? Man muss auch Dinge stehen lassen können. Wenn man in einem Film alles erzählt, ist er langweilig und provoziert keine Reaktionen. Ich finde es toll, dass die Charaktere in 42plus so wortlos und reif sind. Christine und Georg sind erwachsene Menschen und sie kennen sich schon sehr lange. Außerdem finde ich es spannender, wenn Dinge undiskutiert im Raum stehen bleiben können. Wenn alles gesagt ist, warum sollte man sich dann noch Gedanken machen?
AVIVA-Berlin: Welchen Denkprozess wollten Sie bei den ZuschauerInnen auslösen?
Claudia Michelsen: Wenn auch nur ein oder zwei Frauen nach dem Film für einen Moment reflektieren, "das ist doch mein Leben aber gehört es mir denn wirklich, will ich das alles so wie es ist?", dann hat der Film sein Ziel erreicht.
AVIVA-Berlin: Das Berufsbild der Schauspielerin hat sich durch neue Formen wie Soaps verändert. Welche Vorgehensweise würden Sie angehenden Schauspielerinnen für eine erfolgreiche Karriere empfehlen?
Claudia Michelsen: Wenn ich neu anfangen müsste, würde ich das wieder am Theater tun. Das ist ein anderes Handwerk, ein Grundhandwerk. Dort wird ein anderer Umgang mit Sprache und Körper verlangt. Ich versuche Wörter wie "ok" oder "Handy" zu vermeiden. Wir haben so einen wundervollen Wortschatz den wir nicht nutzen.
AVIVA-Berlin:Sie haben in einem Interview gesagt, dass Sie Opernregisseurin werden wollten. Könnten Sie sich denn jetzt vorstellen, selbst einmal bei einem Film oder einem Theaterstück Regie zu führen?
Claudia Michelsen:Ja, sehr, aber der Respekt vor dieser Art der Arbeit ist ein enormer und dafür fehlt mir im Moment die Zeit.
AVIVA-Berlin:Hätten Sie eine Idee für ein Thema? Was würden Sie gerne bearbeiten?
Claudia Michelsen:Das ändert sich laufend, aber was mich schon sehr fasziniert ist die Psyche eines Menschen ob groß oder, vor allem natürlich, klein. Da gibt es unendlich viel zu entdecken.
AVIVA-Berlin: Vielen Dank für das Gespräch und viel Erfolg bei Ihren zukünftigen Projekten!
Claudia Michelsen: Dankeschön.
Die Hauptdarstellerin in 42plus, Claudia Michelsen, wurde 1969 in Dresden geboren und studierte an der Berliner Ernst Busch-Hochschule für Schauspielkunst. Während ihres Studiums debütierte sie in Rainer Simons Kinofilm
"Die Besteigung des Chimborazo" und lebte der Liebe wegen sieben Jahre in Los Angeles. Sie drehte aber weiterhin für Film- und Fernsehproduktionen in Deutschland, unter anderem 2005 im TV-Mehrteiler
"Das Kanzleramt", 1989 in
"Pause für Wanzka" und 1990 in
"Wer hat Angst vor Rot-Gelb-Blau". Die zweifache Mutter kehrte 2001 zurück nach Europa und lebt seither in Berlin. 2008 ist sie im Fernsehfilm
"Zwölf heißt: Ich liebe dich" in der Hauptrolle der "Staatsfeindin" Bettina zu sehen.
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Filmrezension 42plus (2008).
Weitere Informationen zum Film:www.42plus-derfilm.at