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Beitrag vom 26.05.2008
Interview mit der indischen Botschafterin Meera Shankar
Stefanie Denkert
AVIVA-Berlin sprach mit Ihrer Exzellenz Meera Shankar auf der World Women Work 2008 über Gleichstellungspolitik, globale Karrieren, Unterschiede zwischen Indien und Deutschland und über Currywurst.
Seit 2005 ist Meera Shankar als indische Botschafterin in Berlin. Sie ist die erste weibliche Botschafterin für Indien in Deutschland. Bereits seit 1973 steht sie im Diplomatischen Dienst ihres Landes. Meera Shankar war zuvor u.a. als Direktorin im indischen Außenministerium in Neu Delhi und als Ministerin in der indischen Botschaft in Washington tätig. Sie ist verheiratet und hat eine Tochter.
AVIVA-Berlin: Sie haben auf der World Women Work 2008 vor dem Plenum "Think global – Karrieren im internationalen Umfeld" eine Rede gehalten. Was denken Sie, sind die Voraussetzungen für eine internationale Karriere?
Meera Shankar: Wie auch die Accenture-Studie zum Thema "Chances and Challenges in a Multi-Polar World", die heute präsentiert wurde, gezeigt hat, sind verschiedene Aspekte wichtig: Anpassungsfähigkeit, Flexibilität, das Beherrschen neuer Technologien, die Bereitschaft zum Netzwerken. Ich finde auch soziale Verantwortung wichtig. Das sind alles Eigenschaften, die Frauen haben. Ob in der Familie oder in der Geschäftswelt, Frauen müssen ständig verschiedene Aufgaben gleichzeitig handeln und sich neuen Situationen stellen.
AVIVA-Berlin: Sie haben einmal gesagt, dass sich Indien in den letzten 15 Jahren zu einer der bedeutendsten aufstrebenden Volkswirtschaften entwickelt hat. Die Wirtschaft wächst jährlich um 8%, das macht Indien zu der am schnellsten wachsenden demokratischen freien Marktwirtschaft. In welchen Bereichen arbeiten Frauen hauptsächlich? Welche neuen Möglichkeiten gibt es durch den Wirtschaftsaufschwung?
Meera Shankar: Frauen haben traditionellerweise in der Agrarwirtschaft gearbeitet. Sie haben Anbau betrieben und geerntet, z.B. in der Tee Industrie. Mittlerweile haben sich neue Bereiche ergeben, wie Softwareentwicklung, Informations- und Kommunikationstechnologien, Outsourcing oder im Bankwesen. Bei ICICI, der zweitgrößten Bank Indiens, gibt es eine weibliche Direktorin. Sie gehört zu den einflussreichsten Frauen der Welt. Und bei Pepsico (von Pepsi Cola) ist Indra K. Nooyi die internationale Geschäftsführerin. Sie lebt in den USA, aber ist indischer Herkunft. Das ist eine globale Karriere! In den neuen Service-Industriebereichen sind teilweise 60% aller Beschäftigten weiblich, die Mehrheit der Frauen ist jedoch weiterhin in der Agrarwirtschaft tätig und taucht erst gar nicht in der Erwerbstätigenstatistik auf.
AVIVA-Berlin: Die Accenture-Studie "Chances and Challenges in a Multi-Polar World" hat sich herausgefunden, dass 43 % der international befragten Frauen und 47 % der Männer sich gut vorbereitet fühlen, um in einer globalen Geschäftswelt erfolgreich zu sein. Jedoch fühlen sich sogar 70% der Inder und 68% der Inderinnen den Herausforderungen gewachsen. Wie kommt es, dass die InderInnen so überdurchschnittlich optimistisch sind?
Meera Shankar: Wir InderInnen haben das Gefühl, dass sich unsere Situation verbessert, da wir seit Jahren eine gute Wirtschaftsentwicklung haben. Dadurch ergeben sich neue Möglichkeiten für alle, sowohl für Männer als auch für Frauen. Wir haben die Fähigkeiten, um uns den neuen Herausforderungen zu stellen. Das zeigt sich besonders im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologien, denn damit konnten wir uns auf dem globalen Markt behaupten. Wir haben gesehen, dass wir uns international messen können. Warum sollten wir also nicht das Selbstbewusstsein haben, uns für gut vorbereitet zu halten? Wir tendieren jedoch sowieso dazu, optimistisch zu sein und das Glas eher halbvoll zu sehen.
AVIVA-Berlin: Was sollte getan werden, damit mehr Frauen in Führungspositionen kommen?
Meera Shankar: Ich denke der Schlüssel ist, dass Frauen Familie und Karriere vereinbaren können. Es ist schwierig für Frauen, wenn sie sich entscheiden müssen. Der Staat spielt dabei eine große Rolle, denn er muss dafür sorgen, dass es eine liberalere Elternzeit gibt und Kinderbetreuungsmöglichkeiten. Die Rahmenbedingungen müssen so sein, dass Frauen trotz Familie an die Spitze aufsteigen können.
AVIVA-Berlin: Sie sind die erste Botschafterin für Indien in Deutschland. Wurden Sie jemals diskriminiert oder hat es nie eine Rolle gespielt, dass Sie eine Frau sind?
Meera Shankar: Nein. Vor allem nicht in Deutschland. Da es so wenige Botschafterinnen gibt, ist es vielleicht manchmal sogar ein Vorteil.
AVIVA-Berlin: Sie haben eine außergewöhnliche Karriere gemacht und sie haben eine Familie. In Deutschland ist es immer noch schwierig Beruf und Familie zu vereinbaren, was können Sie jungen Frauen für Tipps geben?
Meera Shankar: Also, mein Ehemann und ich haben die gleiche Zeit an Elternurlaub genommen als unsere Tochter klein war. Wir hatten zudem das Glück, dass meine Mutter allein lebte und dann bei uns einzog. So war immer jemand da, der auf unsere Tochter aufpasste und ich musste mir keine Sorgen machen. Ich finde es aber wichtig, dass beide Partner sich am Haushalt und an der Kindererziehung beteiligen. Das Kind aufwachsen zu sehen ist eine wundervolle Erfahrung und den Vätern geht viel verloren, wenn sie ihren Elternurlaub nicht nehmen. Es ermöglicht schließlich eine ganz besondere Bindung zum Kind, die sie sonst nicht aufbauen könnten.
AVIVA-Berlin: Ist Gender Mainstreaming ein Thema für die indische Botschaft?
Meera Shankar: Ja, wir haben im Moment viele Frauen in der Botschaft beschäftigt. Neben mir sind noch zwei weitere in führenden Positionen, aber wir achten darauf, dass wir die Männer nicht diskriminieren. (lacht). Ich finde es außerdem wichtig, dass Frauen sich vernetzen und andere Frauen bei ihrer Karriere unterstützen.
AVIVA-Berlin: Pratibha Patil ist 2007 als erste Frau zu Indiens Präsidentin gewählt worden. Kann sie die Situation für Frauen in Indien verbessern?
Meera Shankar: Sie ist schon seit langem aktiv in Frauenangelegenheiten, ihre Stellung als Präsidentin ist jedoch eher zeremonieller Art. Ähnlich wie die des Bundespräsidenten Horst Köhler. Ich denke, sie kann dennoch einen moralischen Einfluss nehmen zu den Themen, auf die sie Wert legt. Und Pratibha Patil hat sich entschlossen, sich für Frauen und Kinder einzusetzen.
AVIVA-Berlin: Wenn Deutsche an das moderne Indien denken, fallen einem Begriffe wie ´Computerexperten´, ´Bollywood´ und ´Curry´ ein. Das ist natürlich sehr stereotypisch, wie ist Indien wirklich?
Meera Shankar: Das ist so, wie wenn InderInnen an Deutschland denken und vor dem geistigen Auge einen jodelnden Mann in Lederhosen, Hut mit Feder und Bier in der Hand sehen. Naja, das stimmt ja teilweise auch, zumindest in Bayern. Es trifft auch teilweise auf Indien zu, aber das Land ist ungeheuer heterogen. Große Teile der Bevölkerung sind leider immer noch sehr arm und da es einen Aufschwung gibt, müssen wir versuchen, die Infrastruktur so zu ändern, dass alle von dem wachsenden Wohlstand profitieren.
AVIVA-Berlin: Durch Ihre Arbeit haben Sie in Neu Delhi, Washington und jetzt in Berlin gelebt. Was schätzen Sie an Deutschland und besonders an Berlin? Meera Shankar: Ich liebe das Essen vom Imbiss! Auch die Currywurst, aber da müsste mehr Curry ran. (lacht) Scherz beiseite, ich mag die Tatsache, dass es in Deutschland starke Institutionen bereits auf regionaler Ebene gibt. Sogar Kleinstädte haben ein starkes Identitäts- und Geschichtsbewusstsein. Wir haben das in Indien auch auf regionaler Ebene, aber nicht auf Städteebene. Deutschland sollte das wertschätzen und sich bewahren!
AVIVA-Berlin: Was sind ihre Ziele als Botschafterin?
Meera Shankar: Ich möchte dazu beitragen, dass unsere Beziehungen auf wirtschaftlicher und politischer Ebene noch enger werden.
AVIVA-Berlin: Dabei wünschen wir Ihnen viel Erfolg und alles Gute für die Zunkunft!
Weitere Infos:
www.indischebotschaft.de
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