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AVIVA-BERLIN.de im November 2024 - Beitrag vom 31.12.2002


Maybrit Illner
Kerstin Rippel

Weiblich, jung und aus dem Osten - Maybrit Illner darauf zu reduzieren, gelingt niemandem mehr, der die Frontfrau der ZDF-Talk-Show "Berlin-Mitte" persönlich kennen gelernt hat...




[Foto Maybrit Illner - Copyright: ZDF]

Maybrit Illner

im Interview mit AVIVA-BERLIN

Weiblich, jung und aus dem Osten - Maybrit Illner darauf zu reduzieren, gelingt niemandem mehr, der die Frontfrau der ZDF-Talk-Show "Berlin-Mitte" persönlich kennen gelernt hat. Schön, klug und aus Berlin fänden wir passender. Einmal mehr stellt sie in unserem Interview ihre sympathisch schlagfertige Art unter Beweis.


  • AVIVA-BERLIN: Wollten Sie schon immer Journalistin werden? War das eine Art Kindheitstraum?
  • Maybrit Illner: Ja. Ich hatte postpubertär aus mir heute unerklärlichen Gründen den Wunsch, Sportreporterin zu werden. Deshalb bewarb ich mich 1983 noch als Abiturientin beim Fernsehen der DDR in Berlin-Adlershof für ein Volontariat in der Sportredaktion. Ulkigerweise klappte das. Meine Eltern hatten ganz andere Vorstellungen von meiner beruflichen Zukunft. Die wollten gerne, dass ich Anwältin werde oder ärztin. So habe ich es immerhin bis zur Patientin gebracht.

  • AVIVA-BERLIN: War es einfach, in der DDR Journalismus zu studieren und später zu praktizieren? Dingen auf den Grund zu gehen, Tatsachen zu erforschen und publik zu machen, war doch nur begrenzt möglich.
  • Maybrit Illner: Mein Traum war halt, Sportreporterin zu werden. Deshalb machte ich dieses Volontariat und studierte dann von 1984-88 in Leipzig an der Karl-Marx-Universität Journalistik, um anschließend wieder in die Sportredaktion zurückzukehren. Das war eine Nische, in der ich mich nicht groß verbiegen musste und handwerklich sehr schnell sehr viel lernen konnte.
    Investigativen politischen Journalismus hat es ja in der DDR nicht gegeben. Diese Funktion hat die Literatur übernehmen müssen.

  • AVIVA-BERLIN: Sie sagten gerade, dass Sie schon immer Sportreporterin werden wollten. Dennoch: War die Spezialisierung auf das Genre der Sportberichterstattung, für Sie als politisch denkenden Menschen, ein Ausweichen ins ungefährlichere Terrain? Geschah das bewusst oder unbewusst?
  • Maybrit Illner: Ich hab das nicht bewusst gemacht. Ich hab ja nicht von einer Nische geträumt, sondern von einem Beruf. Jetzt im Nachhinein hat sich die Wahl dann trotzdem als ganz gut herausgestellt.

  • AVIVA-BERLIN: Wie war das nach der "Wende"? Gab es da Zeiten der Unsicherheit für Sie? Was fühlten Sie - bezogen auf Ihr berufliches Weiterkommen -, als Sie vom Fall der Mauer erfuhren? Wie haben Sie überhaupt davon erfahren?
  • Maybrit Illner: Mit der Wende kam auch meine berufliche Wende. Plötzlich interessierten mich keine Bestenlisten mehr, sondern dieser jungfräuliche politische Journalismus der Nachwende-DDR. Im DFF (Deutscher Fernsehfunk = das Nachwende-DDR-Fernsehen) konnte man dann so ziemlich alles machen. Es gab ein Machtvakuum, keinen zensierten Parteijournalismus mehr, keine Angst, dass sich irgend jemand düpiert fühlen könnte und gleich zum Intendanten rennen würde. Das war eine sehr dichte, wundervolle Zeit in dem "Land der runden Tische". Und dank der Erfahrungen aus der Sportredaktion war ich in Sachen Bericht und Moderation kein Frischling mehr. Ich hatte "bahnbrechende" kleine Filme gedreht, zum Beispiel über die Turnolympiade von Cottbus oder die DDR-Meisterschaften im Orientierungslaufen. Daneben hatte ich viel "Stubendienst" gemacht - sprich Moderationen und Gespräche im Studio, durfte sozusagen das Rahmenprogramm für die packenden Live-Reportagen meiner männlichen Kollegen gestalten. Das war keine schlechte Schule.
    Vom Fall der Mauer habe ich aus dem Fernsehen durch die sattsam bekannte Pressekonferenz mit Günther Schabowski erfahren.

  • AVIVA-BERLIN: Wissen Sie, dass Sie eine Vorbild-Funktion für einige junge Frauen und Mädchen im Land haben? Wie finden Sie das und wie gehen Sie damit um?
  • Maybrit Illner: Darüber denkt man nicht viel nach. Wenn ich junge Kolleginnen ermutigen kann, sich etwas zuzutrauen, dann freut mich das logischerweise.

  • AVIVA-BERLIN: Können Sie uns Ihr Erfolgsrezept verraten? Ich meine, außer der harten Arbeit?
  • Maybrit Illner: Ich versuche nach drei Prinzipien zu arbeiten:
    Rücksichtnahme gegenüber niemandem,
    b) mehr Fragen haben als Vorurteile,
    c) stetes Misstrauen gegenüber der ersten Idee.
    Das ist pures Handwerk. Und dann muss man noch wissen, ob man in erster Linie Karriere machen möchte, oder ob man Erfolg als Abfallprodukt von Arbeit begreift, für die man wirklich brennt.

  • AVIVA-BERLIN: Was antworten Sie jemandem, der Sie als "Quotenfrau" bezeichnet?
  • Maybrit Illner: Nichts.

  • AVIVA-BERLIN: Welche wesentlichen Faktoren tragen Ihrer Meinung nach grundlegend zum Erfolg von "Berlin-Mitte" bei?
  • Maybrit Illner: Das kann ich ganz schwer sagen. Es gibt ein politisch interessiertes Publikum und es gibt eine 45-minütige Sendung, die kontrovers und unterhaltsam d a s politische Thema der Woche diskutiert. Vielleicht reicht das schon.

  • AVIVA-BERLIN: Sie gehören mit Ihrer Sendung "Berlin-Mitte" schon zum Establishment unter den Talk-Shows. Im Vorfeld gaben Sie in einem Interview an, auch weniger populäre Themen in den Mittelpunkt der Sendung stellen zu wollen, die nicht unbedingt auf den Geschmack der Massen abzielen. Mittlerweile hat sich gezeigt, dass diese visionäre Vorstellung dem Pragmatismus der Zuschauerquote weichen musste.
    Fühlen Sie sich Zwängen ausgesetzt, denen Sie nach der Wende entflohen zu sein glaubten? Können Sie sich noch ausreichend mit der Themenwahl Ihrer Sendung identifizieren?
  • Maybrit Illner: Um Himmels Willen. Mein Leidensdruck liegt bei plus minus null. Natürlich identifiziere ich mich mit den Themen der Sendung, sonst könnte ich sie nicht mit den Gästen bereden. Die schreibt uns auch keiner vor, die suchen wir uns selbst aus. Und da wir eine halbwegs aktuelle Sendung sein wollen, können wir unseren Diskussionsstoff nicht frei erfinden, sondern wollen ja gerade ganz bewusst die Dinge gründlicher unter die Lupe nehmen, die in den Nachrichtensendungen der Woche nur angerissen wurden. Also, ich muss Sie enttäuschen, mich interessiert das wirklich.

  • AVIVA-BERLIN: Was gefällt Ihnen an A-Berlin?
  • Maybrit Illner: AVIVA-BERLIN ist eine schöne Idee, die schnellste Frauenzeitschrift der Welt.

  • AVIVA-BERLIN: Und schließlich - ja wir sind ein Frauen-Magazin: Haben Sie eine(n) Lieblingsdesigner(in) in der Stadt?
  • Maybrit Illner: Leider nein.

  • AVIVA-BERLIN: Wo haben Sie Ihre besten Ideen?
  • Maybrit Illner: Nicht lachen...beim Essen.

  • AVIVA-BERLIN: Haben Sie zur Zeit ein Lieblingsbuch, das Sie unseren LeserInnen weiter empfehlen können?
  • Maybrit Illner: "Kunst"...von Sir E. H. Gombrich. Hätte nie gedacht, dass ich je von einer Monografie so begeistert sein würde.


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Beitrag vom 31.12.2002

AVIVA-Redaktion