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Beitrag vom 10.06.2004
Interview mit Françoise Cactus
Tatjana Zilg
Die multitalentierte Französin, die Berlin zu ihrer Wahlheimat machte, veröffentlichte im Frühjahr den Kurzgeschichten-Band "Neurosen zum Valentinstag".
AVIVA-Berlin: Warum ziehen Sie ein Leben in Berlin dem in Frankreich vor?
Was war der Auslöser dafür, in einer fremden Sprache zu schreiben und was fanden Sie dort?
Francoise Cactus: Ich liebe das Gefühl, eine Ausländerin zu sein. Ehrlich gesagt fühlte ich mich schon immer fremd im eigenen Dorf. Ich schreibe auf deutsch, denn ich möchte, dass meine Freunde meine Bücher lesen und mir sagen, was sie von ihnen halten. Da ich in Deutschland lebe, habe ich gerade mehr mit Deutschen zu tun als mit Franzosen.
AVIVA-Berlin: Eigentlich heißen Sie Van Hove nach einem alten Adelsgeschlecht am französischen Hof. Passt Cactus besser zu Ihnen?
Francoise Cactus: Es passt viel besser. An mir ist nur die Nase adelig gerade. Ansonsten lache ich vulgär, rauche wie ein Schlot, huste, bin schlecht erzogen.
AVIVA-Berlin: Sie haben sich literarisch mit der französischen Provinz auseinandergesetzt. Kennen Sie die Brandenburger Provinz und wie würden Sie sie beschreiben?
Francoise Cactus: Leider kenne ich die Brandenburger Provinz überhaupt nicht. Aber ich denke: Provinz bleibt Provinz und Provinz ist nur ein Symbol für das alles, was man verlassen möchte. Weg aus der Provinz heißt doch nur eine Art persönlicher Befreiung.
AVIVA-Berlin: Sie sind in vielen Feldern künstlerisch tätig. Fällt dadurch das Schreiben leichter oder ist es anstrengender, den Fokus zu bewahren?
Francoise Cactus: Tatsächlich spiele ich Schlagzeug, singe ich, male ich, koche ich und schreibe ich. Aber am liebsten tue ich gar nichts. Für mich sind all die Bereiche, in denen ich mich ausdrücke, nur verschiedene Felder einer selben Idee. Wahrscheinlich fällt es mir leichter, Bücher zu schreiben seitdem ich Lieder gedichtet habe. Ein Lied schreiben ist das Schwierigste, was es gibt.
AVIVA-Berlin: Ist Gustav Flaubert, Autor von "Madame Bovary", ein besonderes Vorbild von Ihnen?
Francoise Cactus: Ja, er ist mein Allerlieblingsschriftsteller. Niemals ist ein Satz bei ihm zufällig. Er analysiert nicht, er verurteilt nicht, er suggeriert nur in einer sehr schönen, komprimierten Sprache.
AVIVA-Berlin: Sie haben kürzlich in einer Ausstellung zum Leben von Victorine Meurent, "When Love Turns to Poison" partizipiert und Fragen nach den Fantasmen und dem Rollenbild der Frau thematisiert. Bitte erzählen Sie uns mehr dazu...
Francoise Cactus: Diese Ausstellung war ein Absurdum. "B.Z." machte daraus einen Skandal. Ich hatte eine lebensgroße Puppe gehäkelt, "Wollita", die immer wieder in dem Boulevardblatt abgebildet wurde und zu einem Sexobjekt degradiert wurde, obgleich meine Idee bei der Herstellung dieser Puppe ein Protest gegen das Bild der Frau als Sexobjekt gedacht war. Ich war überrascht, dass eine Zeitung, die jeden Tag nackte Frauen abbildet und Sexanzeigen veröffentlicht sich über eine "nackte" Strickpuppe aufregt. Aber "don´t ask me, ask my agent."
AVIVA-Berlin: Welche der Kurzgeschichten Ihres neuen Buches "Neurosen am Francoise Cactus: Ich habe zwei Lieblinge: Mademoiselle Bovary und Jalouse - Chronik einer Eifersuchtskrise. Aber auf meiner Lesetour habe ich bevorzugt: Madame Rose weint nicht mehr, Sexberatung, Burgundische Hochzeit und DJs, Rockstars, Mörder vorgelesen.
AVIVA-Berlin: Was lesen Sie selbst zur Zeit und warum?
Francoise Cactus: Ich lese nur noch Bücher aus dem März-Verlag. Mich interessieren schöne Undergroundbücher.
AVIVA-Berlin: Auf welche Neuerscheinung (welcher AutorIn) sind Sie besonders gespannt?
Francoise Cactus: Auf das nächste Buch von Banana Yashimoto und auf das nächste von Alexa Hennig von Lange
AVIVA-Berlin: Welches Buch würden Sie niemals verborgen?
Francoise Cactus: Jedes Buch würde ich verborgen, Hauptsache, ich kriege es irgendwann zurück. Ich stehe sehr auf meine Simenon-Sammlung.
AVIVA-Berlin: Wer ist für Sie der absolute Shooting-Star in der Literatur-Branche und wen halten Sie für unterschätzt?
Francoise Cactus: Shooting Star: King Rocko Schamoni??? Unterschätzt: Kerstin Mlynkec
AVIVA-Berlin: Stellen Sie sich vor, Sie hätten 1 Million Euro zur Verfügung. Welches Projekt in Berlin würden Sie sofort retten oder ins Leben rufen?
Francoise Cactus: Ich würde eine K-K-Kommune gründen, Obdachlosen ein Dach schenken und Bands mit Prostituierten gründen.
AVIVA-Berlin: Wenn Sie hemmungslos shoppen könnten - was kaufen Sie sich?
Francoise Cactus: Ein Haus für meine Freunde und mich, unzählige Klamotten, tollen Badeschaum
AVIVA-Berlin: Ihre Pläne in der nahen und fernen Zukunft?
Francoise Cactus: Eine neue Platte herausbringen, musizieren, schreiben... und kochen.
Die Rezension zu "Neurosen am Valentinstag" lesen Sie hier