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AVIVA-BERLIN.de im November 2024 - Beitrag vom 20.10.2002


Sabine Marx
Rukshana Adrus-Wenner

AVIVA-BERLIN im Gespräch mit der geschäftsführenden Autorin autorenwerk berlin über den Spagat zwischen Medienmachen und Muttersein




Wir trafen sie in ihrem Redaktionsbüro bei einem Latte Macchiato


AVIVA-BERLIN: Sie haben vor der Gründung des autorenwerks bei verschiedenen Sendern gearbeitet. Mit welchen Ziel wurde autorenwerk gegründet?
Sabine Marx: Marcus Lindemann und ich haben bei den Öffentlich-Rechtlichen Sendern unser Handwerk gelernt. Marcus war vier Jahre Redakteur beim ZDF. Ich habe für den NDR, für Info Radio und Deutsche Welle TV gearbeitet. autorenwerk berlin gibt es seit September 2000. Die Vorbereitungsphase hat circa sechs Monate gedauert.
Unser Ziel war es, frei zu arbeiten und für mehrere Redaktionen tätig zu sein. Für uns war es wichtig, eigene Themen vorschlagen zu können und nicht eingeschränkt zu sein.
Wir wollten die Produktionsbedingungen selbst bestimmen. Nicht nur die journalistische Arbeit zu machen, jede/r AutorIn in einem eigenen Projekt, sondern auch die Produktionstechnik und Arbeitsmaterialien komplett selbst zu steuern und die Kameraleute auszusuchen. Wenn man fest arbeitet, teilt die Disposition der Sender die Produktionsteams zu. Fernseharbeit ist Teamarbeit. Die Zeit in den Sendern ist eine Grundlage für unsere jetzige Tätigkeit und war sehr wertvoll für uns. Manche unserer AutorInnen, die immer nur als Freie gearbeitet haben, können oft nicht nachvollziehen, nach welchen Kriterien gearbeitet, Entscheidungen gefällt werden. Marcus und ich wissen aus unseren Erfahrungen, welche Wege wir gehen müssen, um unsere Beiträge und Konzepte zu verkaufen.

AVIVA-BERLIN: Welche Vorteile bietet autorenwerk für freie JournalistInnen?
Sabine Marx: Durch das autorenwerk sind JournalistInnen nicht mehr nur EinzelkämpferIn auf dem Markt. autorenwerk ist jetzt schon ein "Markenname". Wir sind ein Team, in dem alle voneinander profitieren.
Es kommt vor, dass eine Redaktion gezielt nach AutorInnen fragt. Sie vertrauen uns, weil sie wissen, dass wir als autorenwerk für Qualität und Kompetenz bürgen. Es gibt bei uns exzellente Autoren, die tolle Themen produzieren und verkaufen. Wir können Projekte und Aufträge realisieren, die ein Einzelner nicht bekommen hätte. Das Wichtigste und Wertvollste ist jeder einzelne Autor, weil er schlagkräftig, schnell und kreativ ist. autorenwerk ist nicht nur eine Worthülse. Würde nicht diese Manpower/Womanpower dahinter stehen, würde die Idee nicht funktionieren.

AVIVA-BERLIN: Produzieren Sie auch eigene Beiträge oder sind Sie ausschließlich für die Leitung und Organisation des autorenwerks zuständig?
Sabine Marx: Ja, das ist eine sehr interessante Frage. Wir, Marcus und ich nennen uns ja geschäftsführende Autoren. Diesen Begriff haben wir sozusagen kreiert, um unsere Tätigkeit in Worte zu fassen. Unser Anspruch war, ideale Bedingungen zu schaffen und Beiträge auch selbst zu produzieren.
Das war etwas idealistisch, weil sich in der Realität sich gezeigt hat, dass wir in erster Linie Geschäftsführer sind, Kontakte knüpfen und pflegen - also wirklich Akquisition auf lange Sicht betreiben. Wir versuchen sozusagen, den großen Wurf zu machen.

Klar ist nicht so, dass Marcus und ich dies dann nicht alleine umsetzen: Wir haben die Sache dann nur angeschoben, die Autoren machen dann die Beiträge.
Wenn es uns gelingt Freiraum zu schaffen, machen wir auch eigene Beiträge. Aktuellere Produktionen begleiten wir vom Schreibtisch aus.

AVIVA-BERLIN: Welche finanzielle Unterstützung haben Sie als Jungunternehmen erhalten?
Sabine Marx: Während unserer Existenzgründung haben wir mit unserer Bank einen Businessplan erstellt. Dann sind wir von Bank zu Bank gegangen und haben unsere Idee vorgestellt. Die Commerzbank hat schließlich gesagt "Okay. das ist eine gute Idee - wir unterstützen Euch." und zusammen mit unserem Kundenbetreuer haben wir einen Finanzierungsplan auf die Beine gestellt.
Dieser Finanzierungsplan setzte sich fast ausschließlich aus geförderten Mitteln zusammen: DtA-Mittel - ein Existenzgründer-Darlehen - und GA-Mittel der Investitionsbank Berlin.
Ende letztes Jahr erhielten wir Bescheid, dass wir die Mittel erhalten. Mit der großen Finanzkrise in Berlin sind die Mittel jetzt erst einmal auf Eis gelegt, aber wir hoffen, dass sie demnächst ausgezahlt werden.

AVIVA-BERLIN: Wie lässt sich Selbstständigkeit und Familie unter einen Hut bringen?
Sabine Marx: Ich habe mich schon immer sehr darüber geärgert, dass Frauen im Beruf benachteiligt werden. Wenn sie vor dem Dilemma stehen - Beruf oder Familie - und sich dazwischen aufreiben.
Manche Dinge sind nicht allgemein zu entscheiden. Ein Modell, das bei mir funktioniert, muss nicht unbedingt gut für eine andere Frau sein. Auch ich stecke manchmal in einem Konflikt. Ich habe eine 4-jährige Tochter, muss oft abwägen, was mir wichtiger ist. Natürlich ist mir meine Tochter wichtiger und ich möchte meine Zeit mit ihr verbringen.
Es ist möglich, dies zu verbinden, aber es kostet sehr viel Kraft. Als selbstständige Unternehmerin habe ich den Vorteil, mich nur mit meinen Geschäftspartnern abstimmen zu müssen. Ich muss vor mir selbst verantworten, wenn ich was mache oder sein lasse: Das empfinde ich als Vorteil. Wenn ich festangestellt wäre, hätte ich vielmehr Zwänge und wäre stärker eingebunden und eingeengt in meiner Entscheidungsfreiheit. Selbstständig zu sein bedeutet aber auch, keinen Feierabend zu haben. Eigentlich könnte man immer arbeiten, es gibt immer etwas zu tun oder zu entscheiden. Wenn man mit etwas fertig ist, dann kommt schon das nächste Problem, das man lösen muss. Das kann einen sehr schnell unter Druck setzen. In der Anfangsphase habe ich noch nachts gearbeitet, wenn meine Tochter im Bett war. Heute nehme ich mir die Zeit, auch ein paar Stunden für mich zu haben, auch wenn Arbeit auf mich wartet. Als Selbstständige muss ich den Rahmen selbst stecken, mir selbst Grenzen setzen. Wenn man eine funktionierende Familienstruktur hat und einen Partner, der mitzieht, ist Einiges machbar.

AVIVA-BERLIN: Der Schwerpunkt der vom autorenwerk produzierten Sendungen liegt bei Politischen-, Wirtschafts- und Wissenschaftsmagazinen. Gibt es Überlegungen, Ihre Beiträge um andere Themen zu erweitern?
Sabine Marx: Ja auf jeden Fall. Wir würden sehr gerne Kultur mit dazu nehmen. Wir sind fleißig dabei, in diesem Jahr längere Formate zu entwickeln. Das haben wir im vergangen Jahr noch nicht gemacht, aber das braucht seine Vorbereitung. In diesem Jahr haben wir schon eine Reportage für das Süddeutsche TV gedreht, dann kamen die Berichte über das Massaker in Erfurt für das MDR und eine Reportage für den Südwestfunk, eine Sendung zum Hochwasser, die arte-Dokumentation.
Auf alle Fälle wollen wir diesen Bereich stärker ausbauen. Es gibt nur leider nicht so viele Sendeplätze. Allerdings wollen wir nur dort akquirieren, was von den Sendern gefordert wird und was auch die Autoren interessiert. Wir wollen auch verstärkt neue Formate konzipieren, produzieren und den Sendern anbieten.

AVIVA-BERLIN: Sie haben neben dem Hauptsitz Berlin auch Büros in anderen deutschen Städten. Sind Gründungen im Ausland vorgesehen?
Sabine Marx: autorenwerk berlin ist unser "Hauptstadtstudio". Wir haben dann noch ein Büro in Mainz, weil wir sehr viel für das ZDF arbeiten und auch einige gute Autoren in Mainz kannten, die gerne mit uns arbeiten wollten. Zusätzlich haben wir einen Mitarbeiter in München. In einigen Städten haben wir die sogenannten Autorennetzwerke. Wir wissen, dass wir dort jederzeit Unterstützung erhalten, wenn regionale Beiträge gedreht werden müssen. Geplant ist auch ein Büro in Leipzig, weil wir sehr viel mit dem MDR arbeiten. In ein paar Jahren würden wir auch gerne im Ausland - in den USA und evtl. in Russland - Büros gründen.
Es muss sich aber organisch entwickeln. Ich kann mir vorstellen, mit Autoren zusammenzuarbeiten, die nach New York ziehen und uns von dort regelmäßig Beiträge liefern.
Wir planen, in Deutschland neue Büros zu eröffnen. Wenn Mainz und München auf die Beine kommt, wagen wir den Schritt nach Köln und Hamburg. Die Pläne sind schon konkret und wir suchen gezielt nach Autoren.

AVIVA-BERLIN: autorenwerk feiert in September 2002 seinen 2. Geburtstag. Welches Resümee ziehen Sie und was sind Ihre berufliche Pläne für die Zukunft?
Sabine Marx: Wir sind stolz, was wir in dieser kurzen Zeit erreicht und wie viel wir auf die Beine gestellt haben. Ich bin erstaunt und sehr glücklich darüber, dass das autorenwerk sich als Markenname etabliert hat: Wir sind ein Begriff in der Branche. Auch, dass wir es geschafft haben von dem Kerngeschäft "Wirtschaftsthemen" zu Lifestyle, Kultur, Verbraucherschutz, Politikmagazinen und Wissenschaft. Dadurch können wir uns auf mehrere Füße stellen.
Unser größtes Ziel ist es, in nächsten ein, zwei Jahren unsere eigene Sendung zu produzieren konzipieren und verkaufen zu können. Ach ja, und auf jeden Fall die Büros deutschlandweit verstärkt aufbauen. Dadurch ist unsere Nähe zu den Öffentlich-Rechtlichen Sendern entstanden. Wir sagen nicht, dass bei Öffentlich-Rechtlichen Sendern alles nur super ist, aber diese arbeiten grundsätzlich solide und die seriöse Herangehensweise entspricht uns sehr. Wir können uns auch sehr gut vorstellen, für Stern TV Beiträge zu machen. Der "Boulevard-Journalismus" ist für uns aus zweierlei Gründen nicht interessant: Unsere Autoren interessieren sich nicht wirklich für diese Themen und wir produzieren zu teuer für die Privaten. Es ist ein anderes Marktsegment. Grundsätzlich haben wir keine Berührungsängste mit den Privatsendern. Aber von der Denkweise und von unseren Erfahrungen her sind wir eher eine Öffentlich-Rechtliche Produktionsgesellschaft.


Women + Work

Beitrag vom 20.10.2002

AVIVA-Redaktion