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Beitrag vom 06.05.2010
Die unterschiedlichen Erscheinungen der Königin Luise - ein Steckbrief zum 200. Todestag
Undine Zimmer
Wer mit 17 als junges unbekümmertes, auf Papa fixiertes Mädel preußische Königin werden soll, braucht eine gute Reputation. Diese hat sich die zu anfangs als "ungebildet" und "partysüchtig"...
...gescholtene Kronprinzessin Luise aus Liebe zu ihrem Mann hart erarbeitet.
Aber ihre Mühe hat sich gelohnt, denn noch bis heute singt die Nachwelt ihr Lobeslied. Luise wird in viele Gestalten verpackt: Provinzprinzessin, "Jungfer Husch", Partyprinzessin, das Idealbild der Mutter, "Fashion Victim" (so der Titel einer Ausstellung) Ehefrau und Geliebte ihres Gatten und Politikerin. Mit Hilfe der neuesten Erkenntnisse aus den aktuellen Werken zur Figur der Königin Luise ist AVIVA-Berlin diesen Mythen auf den Grund gegangen. Wir haben für Sie, liebe Leserinnen, die wichtigsten Daten, Vorlieben und Eigenschaften dieser faszinierenden "Miss Preußen" zusammengefasst, um sie Ihnen persönlich vorzustellen.
Luise die Provinzprinzessin, genannt "Jungfer Husch"
Das freie Leben und die geschützte Umgebung am Darmstädter Hof, hat, wie Hanne Bahra in ihrem Buch Königin Luise. Von der Provinzprinzessin zum preußischen Mythos betont, den Grundstein zu Luises lebhaften und unbekümmerten Wesen gelegt. Ihre Großmutter, Prinzessin George, hat Luise "zuverlässige Liebe" und "kräftigen Familiensinn" vorgelebt, fernab von steifer Etikette. Mit den aufkommenden Idealen der freien Entwicklung in der Kindererziehung nach Rousseau wird Luise auch nicht gezwungen zu lernen, was sie nicht möchte. Ihr wird auch keine Pädagogik geboten, die sie einfängt und zum gründlichen Lernen motiviert. Ihre orthographischen Kenntnisse des Französischen sowie des Deutschen bleiben fehlerhaft, was man später als Königin an ihr kritisieren wird. Luise ist zu flüchtig und zu unkonzentriert, um sich zum Lernen aufzuraffen. "Selbst bei der Androhung höchster Strafe, dem Entzug der Nachspeise, kann sie sich nicht zu ernsthaften Studien aufraffen." verrät uns Autorin Hannah Bahra. Luise wird oft als die Lebhafteste der drei Schwestern beschrieben. Dennoch muss man sich die junge Prinzessin als lesehungrig und intelligent vorstellen. Sie beobachtet ihre Umgebung intelligent und schreibt Briefe und Tagebücher, in denen sie mit Witz ihre Erfahrungen festhält. Auch zeichnerisches Talent hatte Luise durchaus.
Die Partyprinzessin
Nach dem Tod ihrer zweiten Mutter zieht die zehnjährige Luise mit ihren Schwestern zu ihrer Großmutter nach Darmstadt. Dort, so heben Bahra und Gertrud Mander hervor, wird ihr Leben geprägt von Festen, Schlittenfahrten und Maskenbällen. Der Hang zu Geselligkeit und Natürlichkeit bedeutet für Luise auch später ein Stück ihrer glücklichen Kindheit und dem familiären Zugehörigkeitsgefühl. Gertrud Mander verteidigt deswegen Luise gegen die späteren Vorwürfe ihrer Tanzsucht am Hofe. Denn als Luise ganz alleine und auf sich gestellt als Gemahlin des Kronprinzen in Berlin ist, kann sie in diesen geselligen Veranstaltungen ein Stück weit ihr Heimweh bekämpfen. Da sie allerdings dadurch das Missfallen des Königs erregt, wird eine Zurechtweisung ihres Gatten der Anfang ihrer oft gepriesenen Selbsterziehung und Beherrschung.
Die Liebesehe am Hofe - eine Seltenheit
Die symbiotische Ehe zwischen dem verschlossenen König Friedrich Wilhelm III. und der offenen, geselligen Luise versucht vor allem Gertrud Mander in ihrer Biographie von den pathetischen Ausdrucksweisen ihrer Zeit zu befreien, um ein nüchternes Bild zu zeichnen. Es ist eine Liebesbeziehung, die von den gegenseitigen Stärken lebt und gleichzeitig von Luise viel Demut und Selbstaufgabe fordert. Luise hielt sich zwar, wie es sich gehörte, aus der Politik heraus, wurde aber besonders während der Kriegsjahre doch noch zu einer Stütze und Beraterin Friedrich Wilhelms III. Ihre persönliche Sympathie für den Zaren Alexander, ihre Entdeckung des Patriotismus ließ sie, über die Etikette hinaus, politisches Bewusstsein entwickeln. Von Formalitäten gegenüber Eltern und Eheleuten hielt Luise dagegen von Anfang an nichts. Ihre Kinder redeten sie mit "Mama" und den König mit "Papa" an. Ebenso unkonventionell duzten sich die beiden seit der Verlobung auch in der Öffentlichkeit. Zu dieser Zeit war all dieses sehr ungewöhnlich. Über Friedrich Wilhelm III. liest man, dass er im Kinderzimmer alle Zurückhaltung vergaß und wenn es nur ging mit den Kindern tollte. Nach außen hin war er bekannt für knappe grummelige Zweiwortsätze wie "Müssen sparen" und "Mir fatal", mit denen er zu antworten pflegte.
Wie ungewöhnlich am preußischen Hofe eine Liebesehe war, zeigte sich auch am Widerwillen von Luises Vater, auf eine Verbindung mit dem Königshause einzugehen. Bekannt war, dass Friedrich Wilhelm der II. seiner Frau keinen Tag lang treu war, verschiedene Geliebte hielt, deren Kinder er seinen leiblichen vorzog. Die Hohenzollern-Dynastie war für ihre unglücklichen Eheverbindungen bekannt. So ließ sich Luises Vater erst von einem Kundschafter über die ernsthafte Natur des Prinzen berichten, bevor er seine Zustimmung zur Hochzeit gab.
Luise als "Fashion Victim"
Es stellt sich die Frage, ob nicht eigentlich Luises Ehemann König Friedrich III. das "Fashion Victim" gewesen ist. Er war es auch, der 1797 als Erster mit langen Hosen in der Öffentlichkeit erschien und damit die Klatschspalten der Gazetten füllte. Später verzichtete er sogar auf den preußischen langen Zopf. Dass Friedrich Wilhelm seine Luise gerne in der neuesten Garderobe sehen wollte ist mehrfach belegt. Während Friedrich mit sich selbst und seinem Hofe eher sparsam umging, finanzierte er seiner Königin großzügig kostspielige Maskenbälle und freute sich daran, sie schön zu präsentieren.
Abgesehen davon, dass Luise allgemein durch ihr Auftreten, ihre Schönheit und ihren natürlichen Charme begeisterte, wurde vor allem seit dem Standbild von Gottfried Schadow eine neue Modeära eingeläutet. Der Künstler verewigte die beiden Schwestern in langen, durchscheinenden griechischen Gewändern. Luise wird zum Symbol für die Befreiung von Reifrock und Korsett, die den fließenden Kleidern weichen. Diese Veränderung wird lange nicht von allen mit Begeisterung angenommen und Luise wird dafür "niedliche Schauspielerin" geschimpft. Allgemein notiert man jedoch, dass die neue Mode für die Frauen viel gesünder ist, als das Schnürleib. Mit einer weißen Kinnbinde macht Luise aus einer Verlegenheit eine Mode, die auch in oben genannten Standbild von Gottfried Schadow verewigt wurde. Eine weitere Mode die Luise am Hofe einführte ist, wie bereits erwähnt der Walzer.
Luise als Mutter
"Ich weiß, daß der Gedanke, andern Gutes zu tun ein wahrer Genuß für Dein gutes kleines Herz ist, und ich bin erfreut, ihm indirekt diesen Genuß verschaffen zu können. Deine zärtliche Mutter und Freundin Luise"
So schrieb Luise in einem Brief an ihre Tochter Charlotte, dem sie einen Taler beigelegte als Spende für die Armen. Begonnen hat der Mutter-Mythos Luises mit einer überall genannten Begebenheit am Tage ihres Einzugs nach Berlin auf dem Weg zur Hochzeit, als Luise zum ersten Mal gegen die Hofetikette verstieß. Impulsiv umarmte und küsste sie während des langen Huldigungszugs von Potsdam nach Berlin ein kleines Mädchen, das ihr einen Blumenstrauß reichte. Damit wurde schon bevor Luise das erste Mal Mutter wurde, die Legende von ihrer Impulsivität und Volksnähe besiegelt.
Das Wohl ihres Gatten wie das ihrer Kinder setzte sie vor ihr Eigenes, wenn sie diese dadurch trösten konnte. Sie erwies sich auch als moderne Mutter, als sie ihren Erstgeborenen gegen Pocken impfte, was zu damaliger Zeit noch keine Routine und durchaus mit Gefahren verbunden war. Sie hatte jedoch Glück und ihr Sohn Friedrich Wilhelm der IV geht später als Förderer der Kunst und Architektur in die Geschichte ein. Wenn Luise ihre Kinder wahrscheinlich nicht selber gestillt hat, hat sie sie jedoch so oft wie möglich gesehen. Sie tobte mit ihnen und gab ihnen durch diese bürgerlichen Häuslichkeit auch ein Stück von ihrer eigenen Kindheit mit auf den Weg. Das idyllische Familienleben der Königin wurde zum nationalen Ideal.
Bei ihren öffentlichen Anlässen eroberte Königin Luise durch ihre Art die Sympathie der Untertanen und stand diese ungeliebten offiziellen Auftritte leichter durch als ihr Mann. In ihren Tagebüchern macht sie sich über steifen Formalitäten lustig. Ihre Beliebtheit und Popularität färbten auch auf ihren Gatten ab. Ihr liebevolles Verhalten ihm gegenüber in der Öffentlichkeit, boten auch die Folie, auf der sie später als Landesmutter verehrt wurde. Nach ihrem Tod verschmilzt der Luisenmythos mit dem Gründungsmythos des Deutschen Reiches.
Luise als Politikerin
Ob Luise wirklich politisches Potenzial hatte, ob sie als heimliche Beraterin für den König fungierte, das ist bis heute umstritten. Luise bezeichnete sich selbst als "gute Patriotin und Preußin". Es scheint, so sind sich die AutorInnen Bahra und Mander einig, vor allem ihr ausgeprägter Familiensinn gewesen zu sein, der sie auch als "Politikerin" geleitet hat und ihr den Antrieb gab, die Reformer Preußens Hardenberg und Freiherr von Stein zu fördern.
Friedrich Wilhelm III. wird dagegen von den Zeitgenossen Verlustangst bescheinigt, weil er Luise nicht ermutigte ihren erwachten Bildungsdrang zu befriedigen. In ihren Briefen scheint sich Luise dessen zum Teil bewusst gewesen zu sein. Friedrich sprach sich gegen bestimmte Lektüre aus und stellte sich auch gegen Luises enge Freundschaft mit Karoline von Berg, welche die literarische Elite Berlins um sich versammelte. Während Luises Schwester Friederike mit vielen Intellektuellen Briefe wechselte, ließ sich Luise von ihren Geschwistern und ihrer Freundin heimlich Lektüre besorgen und die besten Stellen anstreichen.
Endgültig zur Politikerin wird Luise, als Napoleon mit seinen Truppen ungefragt durch preußisch Ansbach zieht und die Österreicher besiegt. In dieser Gegend lebte damals auch Luises Schwester Friederike und Luise fühlte sich persönlich angegriffen. Es kommt zu dem berühmten Treffen zwischen Luise und Napoleon, über das an anderen Stellen ausführlich zu lesen ist. Nach der Niederlage Preußens gegenüber Napoleon und dem Verrat von Seiten Russlands ist der König verstockt und unentschlossen. Luise schreibt ihm unzählige Motivationsbriefe und Aufmunterungen. Sie schreibt gleichzeitig an Hardenberg, vermittelt zwischen dem niedergeschlagenen König und dem Reformer Freiherr von Stein und macht so auch die Erneuerung Preußens möglich. Intuitiv erkennt Luise, dass Preußen verloren ist und nur Erneuerung und Reformen die Situation des Landes verbessern können.
Lesen Sie auch unsere Rezension Neuerscheinungen im Luisen Jahr 2010 auf AVIVA-Berlin.
Weitere Veranstaltungen rund um Luise finden Sie auf den Seiten der Stiftung Preußischer Schlösser unter: www.spsg.de.