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AVIVA-BERLIN.de im November 2024 - Beitrag vom 17.01.2020


Alice Salomon Award 2020 geht an Heike Radvan
AVIVA-Redaktion

Die Erziehungswissenschaftlerin und Pädagogin setzt sich schon seit vielen Jahren auf vielfältige Weise gegen Rechtsextremismus, Antisemitismus und Antifeminismus ein. Auf dem Neujahrsempfang der Alice Salomon Hochschule am 11. Januar 2020 nahm die Professorin der Brandenburgisch-Technischen Universität (BTU) Cottbus in der Berlinischen Galerie den mit 6.000 Euro dotierten Preis entgegen.




Heike Radvan, 1974 auf Rügen in der DDR geboren und aufgewachsen, engagiert sich seit vielen Jahren für antirassistische Praxis, die Rechte von Frauen und die queere Community sowie gegen Antisemitismus und andere Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit.

Auf ihr Studium der Sozialen Arbeit an der ASH Berlin folgte eine 15-jährige Tätigkeit bei der Amadeu Antonio Stiftung. Dort verantwortete sie unter anderem Ausstellungen wie "Das hat´s bei uns nicht gegeben! – Antisemitismus in der DDR" und "Germany after 1945: A society confronts antisemitism, racism and neo-nazism". In der Stiftung baute sie außerdem die Fachstelle Gender und Rechtsextremismus auf und wies damit früh auf die Rolle von Frauen innerhalb der rechten Szene hin. Mit Gründung des Vereins "Lola für Demokratie in Mecklenburg-Vorpommern" etablierte sie diesen Ansatz später auch im ländlichen Raum. Ihr 2016 im Verlag Barbara Budrich erschienenes, gemeinsam mit Prof. Dr. Esther Lehnert verfasstes Buch "Rechtsextreme Frauen. Analysen und Handlungsempfehlungen für soziale Arbeit und Pädagogik" beleuchtet ein unterschätztes Phänomen: Rechtsextremismus durch Frauen.

Radvan promovierte zum Thema Pädagogisches Handeln und Antisemitismus und setzt ihre Arbeit seit 2017 als Professorin für Methoden und Theorien Sozialer Arbeit an der BTU Cottbus fort. Auch in der brandenburgischen Stadt engagiert sie sich für ein demokratisches Gemeinwesen.

Engagiert, mutig, innovativ

Für ihr mutiges und innovatives Wirken in Lehre und Forschung sowie für ihr persönliches Engagement erhielt die Erziehungswissenschaftlerin und Sozialpädagogin nun den Alice Salomon Award.

Aus der Begründung der Jury: "Heike Radvan ist unbequem: Sie fordert politische Akteure ebenso wie Verantwortliche an Hochschulen oder Tätige in sozialen Arbeitsfeldern heraus, den offenen wie verborgenen rechten Tendenzen entgegenzuwirken." Die Wissenschaftlerin bearbeite "hochaktuelle Themen, die in den Gesellschaften Europas – und auch darüber hinaus - leider wieder verstärkt bedeutsam sind. Sie setzt Zeichen für eine offene Gesellschaft, eine wehrhafte Demokratie und für eine streitbare Soziale Arbeit."

Laudator Micha Brumlik betonte, dass es Zeit sei zu kämpfen und bestärkte die Preisträgerin darin den Kampf weiterzuführen. Frau Radvan sei ein "Frühwarnsystem, auf das unsere Profession und Disziplin – die wissenschaftliche Sozialpädagogik – auch in Zukunft nicht verzichten kann."
Die Rektorin der ASH Bettina Völter bedankte sich ebenfalls und überreichte den mit 6000 Euro dotierten Preis.

BTU-Professorin Heike Radvan
BTU-Professorin Heike Radvan bei der Preisverleihung mit der Rektorin der Alice Salomon Hochschule Bettina Völter | © Alice Salomon Hochschule Berlin


Heike Radvan in ihrer Rede zur Verleihung des Alice Salomon Award am 11.1.2020 in der Berlinischen Galerie "Ich verstehe den Preis auch als Unterstützung für meine Arbeit am Fachbereich Soziale Arbeit der Brandenburgisch Technischen Universität und damit in der Stadtgesellschaft Cottbus. Ich möchte aus diesem Anlass kurze Überlegungen mit Ihnen und mit euch teilen, die sich aus unserer aktuellen Forschung bzw. der Arbeit vor Ort ergeben. Es geht mir dabei um Herausforderungen, die sich für die Profession und Disziplin Sozialer Arbeit ergeben angesichts einer gesamtgesellschaftlichen Entwicklung, die ich als völkisch-autoritäre und extrem rechte Mobilisierung benennen möchte. Vor diesem Hintergrund plädiere ich im Sinne Sozialer Arbeit als Menschenrechtsprofession und damit auch im Anschluß an Alice Salomon und einer weiteren Professionalisierung und Verwissenschaftlichung für eine professionsethisch begründete Haltung. Für eine Haltung, mit der wir uns sowohl in der Praxis Sozialer Arbeit als auch in der Lehre und Wissenschaft verlässlich und deutlich für ein demokratisches, von Gleichwertigkeit und Chancengleichheit aller Menschen geprägtes Miteinander positionieren und damit gegen jede Form von Ausgrenzung, Diskriminierung, gegen Gewalt, Macht und Herrschaft auf individueller und struktureller Ebene."

Heike Radvan gibt die Hälfte des Preisgeldes weiter an zwei Organisationen, die, wie sie in ihrer Rede betonte, "mich immer wieder beeindrucken mit ihrer wichtigen Arbeit und auch ihrer professionellen Sozialen Arbeit": An "Jugendliche ohne Grenzen" und an die Koordinierungsstelle für LesBiSchwule & Trans* Belange des Landes Brandenburg, angesiedelt beim Andersartig e.V. in Potsdam.

Mit dem Alice Salomon Award ehrt die Hochschule Persönlichkeiten, die zur Emanzipation der Frauen und der Entwicklung der Sozialen Arbeit Herausragendes beigetragen haben und das Werk Alice Salomons im übertragenen Sinn weiterführen.

Alice Salomon, geboren am 19. April 1872 in Berlin, gestorben am 30. August 1948 in New York City, war eine der Gründerinnen professioneller Sozialer Arbeit in Deutschland. Aus der sozialen Hilfstätigkeit bürgerlicher Töchter machte sie einen der ersten Ausbildungsgänge für Frauen mit universitärem Niveau. Sie engagierte sich im internationalen Frauenbund für Rechte und Teilhabe der Frauen in der Gesellschaft. Noch nicht einmal 30 Jahre alt, sprach sie bereits bei Kongressen zur Sozialreform.
Geboren in als Kind einer nichtreligiösen jüdischen Großfamilie, konvertierte Alice Salomon 1914 zum christlichen Glauben, wurde 1937 aus Nazideutschland ausgewiesen und lebte bis zu ihrem Tod in den USA.

Zu den bisherigen Preisträgerinnen des Alice Salomon Awards gehören unter anderem: Barbara Lochbihler, Fadéla Amara, Alice Shalvi, Marisela Ortiz, Norma Andrade und Urmila Chaudhary.
Der Alice Salomon Award wird im jährlichen Wechsel mit dem Alice Salomon Poetik Preis im Rahmen des festlichen Neujahrsempfangs der Hochschule verliehen.

In ihrer "Montagskolumne" bei der Berliner Zeitung vom 13.01.2020 gratuliert die Vorsitzende der Amadeu Antonio Stiftung Anetta Kahane der langjährigen Freundin unter dem Titel "Was Soap und soziale Arbeit gemeinsam haben": www.berliner-zeitung.de

Auch AVIVA-Berlin gratuliert Heike Radvan zu dieser sehr verdienten Auszeichnung!

Mehr Infos:

www.b-tu.de

www.ash-berlin.eu

Fachstelle Gender und Rechtsextremismus der Amadeu Antonio Stiftung: www.amadeu-antonio-stiftung.de

Bundeszentrale für Politische Bildung: www.bpb.de

Rechtsextreme Frauen übersehen und unterschätzt. Analysen und Handlungsempfehlungen der Amadeu Antonio Stiftung (2016): www.amadeu-antonio-stiftung.de

Ein Interview mit der promovierten Erziehungswissenschaftlerin und Rechtsextremismusexpertin Heike Radvan über die Folgen von Neonazi-Ideologien in der Erziehung für die Kinder (2012): www.belltower.news

Weiterlesen auf AVIVA-Berlin:

Esther Lehnert und Heike Radvan - Rechtsextreme Frauen. Analysen und Handlungsempfehlungen für soziale Arbeit und Pädagogik
Die Autorinnen Lehnert und Radvan, beide tätig in der Fachstelle für Gender und Rechtsextremismus der Amadeu-Antonio-Stiftung, beleuchten ein unterschätztes Phänomen und plädieren für eine genderreflektierte Haltung gegenüber Rechtsextremismus, nicht nur im Bereich der sozialen Arbeit und Pädagogik. (2016)

Privat ist die sehr nett
Mit freundlicher Unterstützung der Mehrheitsgesellschaft: Wie Nazifrauen Politik machen. Ein Beitrag von Stella Hindemith, Fachstelle Gender und Rechtsextremismus der Amadeu Antonio Stiftung (2014)

Neues Internetportal der Fachstelle Gender und Rechtsextremismus ist online
Menschenfeindlichkeit ist kein auf Männer beschränktes Problem. Doch wenn darüber nachgedacht wird, wie rechtsextremen Einstellungs- und Verhaltensmustern entgegengewirkt werden kann, gerät die Kategorie Gender bislang nur am Rande von Fachdiskursen in den Blick. (2012)

Kriegerin - ein Film von David Wnendt mit Alina Levshin und Jella Haase. Ab 9. Oktober 2012 auf DVD/BluRay
Ein kompromissloses, differenziertes und schmerzliches Sozialdrama, angesiedelt in der Neonazi-Szene, bei dem sich die Grenze von Fiktion und gegenwärtiger Realität bestürzend aufzulösen scheint. (2012)

Lola für Lulu – Frauen für Demokratie im Landkreis Ludwigslust
In Mecklenburg-Vorpommern erhält die NPD immer stärkeren Zulauf und dies auch von Frauen. Damit dem etwas entgegengesetzt wird, wurde "Lola für Lulu" von der Amadeu Antonio Stiftung ins Leben gerufen in Kooperation mit der RAA (Regionale Arbeitsstellen für Bildung, Integration und Demokratie) Mecklenburg-Vorpommern. Gefördert wird es von der Dreilinden Stiftung gGmbH. (2008)

Rechtsextremismus ist auch Frauensache
Wie der stern (45/2007) berichtet, hat die NPD Frauen als Sympathieträger für rechte Anliegen neu entdeckt. Auch Mut-Gegen-Rechte-Gewalt.de untersucht im November 07 weibliche Neo-Nazis. (2007)

Alice Salomon - Lebenserinnerungen
In ihren autobiographischen Aufzeichnungen beschrieb Alice Salomon ihre Jugendjahre, ihre Berufung zur Sozialen Arbeit, die Arbeit für die internationale Frauenbewegung und die Jahre im Exil. (2009)

Quelle: Brandenburgische Technische Universität Cottbus-Senftenberg (BTU Cottbus), Alice Salomon Hochschule Berlin (ASH)
Copyright Foto: Alice Salomon Hochschule Berlin


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