Pro Quote Film - Filmschaffende Frauen fordern FiftyFifty in der Gesamtheit aller Produktionen - Aviva - Berlin Online Magazin und Informationsportal für Frauen aviva-berlin.de Women + Work



AVIVA-BERLIN.de im November 2024 - Beitrag vom 01.02.2018


Pro Quote Film - Filmschaffende Frauen fordern FiftyFifty in der Gesamtheit aller Produktionen
Sharon Adler,Helga Egetenmeier

"9 Gewerke, 1 Stimme, 10 Forderungen: Pro Quote Film". Filmschaffende Frauen aller Gewerke schließen sich der Initiative der Regisseurinnen an. Mehr als 1200 Unterstützerinnen aus der Branche haben die Forderung nach einer 50% Quote für die Vergabe von Aufträgen, Fördergeldern und Rollen unterzeichnet. Mehr zu Pro Quote Film, der 10-Punkte-Forderung, weiteren Vorhaben und Mitmach-Möglichkeiten.




Nach ihrer erfolgreichen Arbeit in den letzten drei Jahren hat sich die Initiative Pro Quote Regie jetzt erweitert und mit weiteren Gewerken filmschaffender Frauen zu Pro Quote Film zusammengeschlossen. Aktuelle Studien belegen, dass die Schieflage bei der Beschäftigung von Frauen in kreativen Schlüsselpositionen alle Gewerke betrifft. So sind in der Initiative nun neben der Regie auch Kamera, Ton, Filmkomposition, Produktion, Drehbuch & Dramaturgie, Schnitt, Szenenbild, Kostüm sowie die Schauspielerinnen vertreten.



Kreative Schlüsselpositionen im Film

In der Studie "Gender und Film. Rahmenbedingungen und Ursachen der Geschlechterverteilung von Filmschaffenden in Schlüsselpositionen in Deutschland" wurden insgesamt 1.100 uraufgeführte programmfüllende Spielfilme und Dokumentarfilme aus den Jahren 2011 bis 2015 untersucht. In den meisten kreativen Schlüsselpositionen übernahmen mehrheitlich Männer die Leitungsfunktionen.

Die Ergebnisse der Studie nach Gewerken:

Drehbuch: Frauenanteil 23 %, gemischtgeschlechtliches Team 16 %, Männeranteil 61 %
Filmton: Frauenanteil 4 %, gemischtgeschlechtliches Team 5 %, Männeranteil 91 %
Kamera: Frauenanteil 10 %, gemischtgeschlechtliches Team 5 %, Männeranteil 85 %
Kostüm: Frauenanteil 81 %, gemischtgeschlechtliches Team 5 %, Männeranteil 14 %
Montage: Frauenanteil 33 %, gemischtgeschlechtliches Team 10 %, Männeranteil 57 %
Produktion: Frauenanteil 14 %, gemischtgeschlechtliches Team 28 %, Männeranteil 58 %
Regie: Frauenanteil 21 %, gemischtgeschlechtliches Team 5 %, Männeranteil 74 %
Szenografie: Frauenanteil 42 %, gemischtgeschlechtliches Team 9 %, Männeranteil 49 %.
Und zum Schluss: in Animationen sind neun von zehn Tierfiguren männlich.

Hallo Bildungsauftrag! Hallo Grundgesetz!

"Die Filmbranche schließt weibliche Talente kategorisch aus. Und dort, wo zahlenmäßig das Gleichgewicht stimmt, stimmt die Bezahlung nicht", betont Barbara Teufel, Vorstand von Pro Quote Film. So wird mit Steuergeldern ein System finanziert, das die Hälfte der Filmschaffenden benachteiligt. Aus politischer Sicht entspricht dies weder dem Bildungsauftrag noch dem Grundgesetz. Aus kultureller Sicht befördern unausgewogene Geschlechterverhältnisse Machtmissbrauch, wie es die aktuelle #metoo-Debatte deutlich zeigt.

Was für eine Frage: Frauen und Qualität

Nur die Hälfte aller Filmhochschulabsolventinnen arbeitet in ihrem erlernten Beruf und Schauspielerinnen ab Mitte 30 verschwinden langsam von der Leinwand und vom Bildschirm. Ab Mitte 30 kommen auf zwei männliche nur eine Schauspielerin und ab 60 Jahren sind es dann schon vier Männer im Verhältnis zu einer Frau. Hier den Schauspielerinnen die Qualität ihrer Arbeit deshalb abzusprechen, weil sie älter werden, ist allein schon ausgesprochen diskriminierend.

An den Arbeitsplätzen für Filmschaffende gibt es eine erstaunliche Ignoranz gegenüber Frauen, die eine Ausbildung haben. Von 82 % ausgebildeten Frauen in der Montage sind nur 33 % in diesem Bereich beschäftigt. Dagegen werden unausgebildete Männer in diesem Bereich bevorzugt, denn von diesen bekommen 57 % einen entsprechenden Arbeitsplatz, doch nur 18 % können dafür eine Ausbildung vorweisen. Ähnliche Unterschiede gibt es unter anderem auch bei der Regie: dort sind 44 % Frauen ausgebildet und davon haben nur 23 % einen Job als Regisseurin, Männer halten in der Regie einen Jobanteil von 72 %, obwohl nur 56 % davon dafür eine Ausbildung haben.

Daran zeigt sich deutlich, wie stark in der Film- und Fernsehbranche gesellschaftlich gewachsene stereotype Zuschreibungen wirken. Während Männer von positiven Zuschreibungen profitieren, die ihnen Durchsetzungsstärke, Selbstbewusstsein und Überzeugungskraft, Stressresistenz, Technikaffinität und kreatives Talent als entscheidende Erfolgskriterien attestieren, wird dies Frauen nicht zuerkannt. Entsprechend besetzen die öffentlich-rechtlichen Geldverteiler*innen ihre Stellen lieber mit dafür nicht ausgebildeten Männern als mit Frauen, die für diese Stellen eine Qualifikation vorweisen können.

"Especially when it comes to public money - it has to be equal" (Jane Campion)

Dieses Statement der neuseeländischen Filmregisseurin ist dem Aufruf von Pro Quote Film ganz im Sinne eines demokratischen Verständnisses für Geschlechtergerechtigkeit vorangestellt. Denn es ist, wie auch Prof. Dr. Jutta Brückner in diesem Zusammenhang sagt "die gerechte Verteilung der Ressourcen einer Gesellschaft die Grundforderung der Demokratie."

Die 10 Forderungen von Pro Quote Film:
1) 50 % Quote: Endlich ausgewogene Verhältnisse
2) Parität in den Gremien: Gleich viele Stimmen für Frauen und Männer
3) Gendermonitoring: Entwicklung oder Stagnation?
4) Gerechte & gleiche Bezahlung: Frauen und Männer verdienen das Gleiche
5) Vorschlagspflicht für alle Gewerke: Mehr Frauen auf die Empfehlungslisten!
6) Soziale Standards: Gute Dreh- und Arbeitsbedingungen
7) Genderkompetenz, Innovationen & Qualität. Mit Bewusstsein gegen Stereotype
8) Filmerbe: Filme von Frauen schreiben Geschichte
9) Stiftung zur Stärkung des weiblichen Filmschaffens
10) Gleichstellung als Querschnittsaufgabe: Diversität ist ein Erfolgsfaktor



Bis jetzt bestehen in Deutschland nur knapp 14 % der Filme den "Bechdel-Test", der als Messlatte für die Präsenz von Frauen im Film weltweit Anwendung findet. In überdurchschnittlich vielen Filmen haben Frauen weder Namen noch Beruf und bei der sexualisierten Darstellung von Mädchen und Frauen ist Deutschland Spitzenklasse - mensch denke nur an die den Mörder jagende Kommissarin in Stöckelschuhen.
Der "Arbeitskampf" von Pro Quote Film will dies ändern und damit allen Geschlechtern ermöglichen, in einer demokratischeren und gerechteren Welt zu leben.

"Ich find´s super, weiter so, Ladies, Frauen bildet Banden!" lautete eins der begeisterten Feedbacks bei der Pressekonferenz am 31. Januar 2018 im vollbesetzten Kino INTERNATIONAL. Dieses Motto setzt Pro Quote Film bereits um. Die Initiative ist Teil der Berliner Erklärung 2017/18. In der Berliner Erklärung haben sich 17 Frauenverbände zusammengeschlossen, die gemeinsam 12,5 Millionen Frauen vertreten. Das zentrale Ziel dieses Verbundes ist es, die Gleichstellung in allen Bereichen von Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, Kultur und Medien zu verankern.

Mehr Infos zu Pro Quote Film, der 10-Punkte-Forderung, weiteren Vorhaben wie der Pro Quote Film Akademie, die Gründung einer Stiftung, und Mitmach-Möglichkeiten unter:

proquote-film.de

Mehr zum Thema:

Die Studie "Audiovisuelle Diversität? Geschlechterdarstellungen in Film und Fernsehen in Deutschland" von Prof. Dr. Elizabeth Prommer und Dr. Christine Linke der Universität Rostock ist als Kurzbericht online unter: www.imf.uni-rostock.de

GENDER UND FILM - Rahmenbedingungen und Ursachen der Geschlechterverteilung von Filmschaffenden in Schlüsselpositionen in Deutschland der FFA Filmförderungsanstalt: www.ffa.de

Gender und Fernsehfilm www.ard.de

Weiterlesen auf AVIVA-Berlin:

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Copyright Fotos: Sharon Adler


Women + Work

Beitrag vom 01.02.2018

AVIVA-Redaktion