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AVIVA-BERLIN.de im November 2024 - Beitrag vom 14.12.2016


Nadia Murad und Lamiya Aji Bashar am 13. Dezember 2016 mit dem Sacharow-Preis 2016 vom Europäischen Parlament ausgezeichnet
AVIVA-Redaktion

Die jesidischen Menschenrechtsaktivistinnen wollen den Opfern der sexuellen Versklavung durch die Terrormiliz "Islamischer Staat" (Daesh) eine Stimme geben und fordern eine internationale Strafverfolgung der Täter. Beide Frauen...




... waren selbst in Gefangenschaft des "Islamischen Staates" und rufen zur Unterstützung für die Beendung der Greueltaten an Frauen und Kindern durch den IS auf.

Lamiya Aji Bashar: "Daesh-Kämpfer haben mich viermal weiterverkauft"

In ihrer emotionalen Ansprache vor den EU-Abgeordneten erzählte Lamiya Aji Bashar von dem schrecklichen Martyrium, das sie in den Fängen der Terrormiliz "Islamischer Staat" erleiden musste: "Daesh-Kämpfer haben mich viermal weiterverkauft". Sie berichtete, wie sie auf ihrer Flucht schwer verletzt worden ist und zwei Personen ums Leben kamen: Gemeinsam mit einer ihrer Freundinnen und einem neunjährigen Mädchen, das ebenfalls von ihren Peinigern vergewaltigt worden war, sei ihr die Flucht gelungen.
"Wir konnten entkommen, doch bevor wir in Sicherheit gelangten, ist meine Freundin Kathrin versehentlich auf eine Landmine getreten. Diese explodierte und das letzte Geräusch, das ich hörte, waren ihre Todesschreie. Es war das Schrecklichste, das ich jemals in meinem Leben gehört habe."
Und weiter:
"Ich glaube, dass ich nun den Opfern eine Stimme geben kann. Diese Auszeichnung gibt mir große Kraft und deshalb habe ich mich dafür entschieden, für diejenigen zu sprechen, die selbst keine Stimme haben", unterstrich Lamiya Aji Bashar. Sie hob hervor, dass immer noch über 3500 Kinder und Frauen von Daesh als Sklavinnen und Sklaven gefangen gehalten würden und ergänzte: "Jeden Tag erleiden sie tausend Qualen."

Nadia Murad schilderte den EU-Abgeordneten die Geschehnisse des Tages, an dem sie als Sexsklavin gefangen genommen und die meisten ihrer Familienangehörigen umgebracht wurden. "Die militanten Kämpfer von Daesh kamen am 3. August 2014, um die jesidische Präsenz auszulöschen und stellten uns vor die Wahl, zu sterben oder zum Islam zu konvertieren. Zweifellos hat Daesh Völkermord begangen." Dieser Genozid umfasse jedoch nicht nur das Morden, sondern auch die systematische Versklavung von Frauen und Kindern, so Murad. Nadia Murad forderte eine internationale Strafverfolgung der Täter. Sie fügte hinzu: "Meine Gemeinschaft hat sich unter der Last des Völkermordes aufgelöst.

Die 500 000 Jesiden im Irak sind die letzten Mitglieder der Gemeinschaft im Nahen Osten"
, berichtete Murad weiter. Nadia Murad und Lamiya Aji Bashar plädierten für die Einrichtung von Sicherheitszonen im Land, für die Jesiden und andere Minderheiten. Als Alternative könnte auch Europa Jesiden aufnehmen und innerhalb Europas umsiedeln, schlug Murad vor. "Wir betrachten Europa als ein Symbol für Menschlichkeit und heute wird Europa diesem Ruf gerecht. Europa muss der Welt weiterhin als Vorbild dienen, als gutes Beispiel für das friedliche Zusammenleben der Völker und Kulturen."

Ihr Einsatz gegen den IS

EU-Parlamentspräsident Martin Schulz lobte das Engagement der beiden Frauen: "Sie haben unbeschreibliche Greueltaten erlitten, die Gefangenschaft überlebt und flohen ins Exil. Sie haben Furcht und Leiden überwunden und endlich Zuflucht und Schutz in Europa gefunden. Nadia Murad und Lamiya Aji Bashar kämpfen heute engagiert für diejenigen, die zurückgeblieben sind, sie kämpfen gegen Straffreiheit und für die Gerechtigkeit."

Präsident Schulz betonte zudem, der Internationale Strafgerichtshof müsse die durch den sogenannten "Islamischen Staat" begangenen Verbrechen untersuchen und erinnerte an die Pflicht Europas, verfolgten Menschen Schutz zu bieten. "Wir, die demokratischen Gemeinschaften in den wohlhabenderen Gegenden der Welt, bieten ihnen oftmals keinen Schutz. Das sollte uns beschämen und ist unerträglich", sagte Schulz unter großem Applaus.

Martin Schulz begrüßte auch die Sacharow-Preis Finalisten Can Dündar und Mustafa Dschemilew, die der Preisverleihung beiwohnten. Außerdem forderte er die saudischen Behörden erneut dazu auf, den Preisträger des Vorjahres, Raif Badawi, unverzüglich freizulassen.

Auf die Ansprachen von Nadia Murad und Lamiya Aji Bashar folgten Standing Ovations. Parlamentspräsident Martin Schulz stellte zudem Lamiyas jüngeren Bruder vor, der der Preisverleihung beiwohnte. Lamiya hatte ihren Bruder, nachdem er 18 Monate in einem Flüchtlingslager verbracht hatte, endlich wieder in die Arme schließen können.

Die Geschichte der Preisträgerinnen

Nadia Murad Basee Taha und Lamiya Aji Bashar stammen aus dem Dorf Kotscho im irakischen Bezirk Sindschar. Am 3. August 2014 hatte die Terrormiliz IS alle männlichen Bewohner des Dorfes massakriert. Anschließend wurden die Frauen und Kinder des Ortes versklavt. Sämtliche jungen Frauen, darunter auch Aji Bashar, Murad und deren Schwestern, wurden verschleppt, wiederholt verkauft und als Sexsklavinnen ausgebeutet und missbraucht.

Nadia Murad gelang im November 2014 die Flucht. Lamiya Aji Bashar konnte im April 2016 entkommen.

Bitte um Unterstützung



Die 23-jährige Nadia Murad und die 18-jährige Lamiya Aji Bashar leben nun beide in Deutschland. Sie sind heute das Sprachrohr der Frauen, die Opfer des systematischen Einsatzes von sexueller Gewalt durch den IS geworden sind. Sie setzen sich für die Rechte der Gemeinschaft der Jesiden im Irak ein, einer religiösen Minderheit, die ins Visier der militanten Kämpfer des IS geraten sind, welche danach trachten, alle Jesiden zu töten und somit Völkermord an ihnen zu begehen.

Auf ihrer Webseite ruft Nadia Murad mit ihrer Initiative, mit der sie Frauen und Kinder unterstützt, die Opfer von Völkermord, sexueller Gewalt oder Menschenhandel geworden sind unter "Nadia´s Initiative" zur Unterstützung durch Spenden oder Mitarbeit auf.
Mehr Infos unter: www.nadiamurad.org und auf www.yazda.org.

Mehr zum Sacharow-Preis

Das Europäische Parlament vergibt seit 1988 den "Sacharow-Preis für geistige Freiheit". Mit dem Preis werden jedes Jahr Menschen oder Organisationen ausgezeichnet, die sich für Menschenrechte und Grundfreiheiten einsetzen. Der Menschenrechtspreis ist mit einem Preisgeld von 50 000 Euro dotiert.

Im Jahr 2015 ist der in Saudi-Arabien inhaftierte Blogger Raif Badawi mit dem Preis ausgezeichnet worden.
Er war 2012 wegen angeblicher "Beleidigung des Islam" auf seiner Webseite, die die gesellschaftliche, politische und religiöse Debatte förderte, zu zehn Jahren Haft verurteilt worden.

Weitere Informationen zum Sacharow-Preis finden Sie unter: www.europarl.europa.eu






Quelle: Pressedienst des Europäischen Parlaments
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Beitrag vom 14.12.2016

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