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Beitrag vom 20.06.2015
Ownership of the means of production is the heart of socialism, control of the means of reproduction is the heart of feminism - Laurie Penny in Berlin
Britta Meyer
Was hat Feminismus mit Kapitalismuskritik zu tun? Was ist der Unterschied zwischen Macht und Privileg? Können hasserfüllte Bezeichnungen effizient neu besetzt werden? Und natürlich: Wie viele...
... Menschen passen ins Berliner SO36? Laurie Penny hat Berlin besucht und die halbe Hauptstadt kam, um sie sprechen zu hören.
Nach Stationen in Hamburg, Köln, Frankfurt am Main und Leipzig kam die Bloggerin, Journalistin und Autorin am 17. Juni 2015 Berlin-Kreuzberg und die Resonanz sprach für sich – die Schlange vor der Abendkasse reichte bis hin zum Mariannenplatz. Das SO36 war mit über 500 Menschen prall gefüllt, viele BesucherInnen konnten nicht mehr eingelassen werden. Stefanie Lohaus, Mitgründerin und Chefredakteurin des Missy-Magazins, moderierte die Lesung und das anschließende Debatte mit dem – zum Teil auf dem Boden zwischen den Bänken sitzenden – Publikum.
In ihrem im Februar 2015 auf Deutsch in der Edition Nautilus erschienenen Werk "Unsagbare Dinge. Sex, Lügen und Revolution" beschreibt Penny die romantische, im Idealfall in einer (und nur einer!) Ehe mündende heterosexuelle Zweierbeziehung als eine in ihren Ursprüngen zutiefst kapitalistische Zweckgemeinschaft. Das Ideal der perfekten Bilderbuchromanze mit der einen besonderen Person gilt gesellschaftlich immer noch als höchste Lebensziel, ohne welches kein Mensch sich vollständig fühlen darf. Nicht die Liebe und die Romantik jedoch sind für Penny problematisch, sondern ihre Domestizierung in kleine produktive Kernfamilien nach normativem Muster.
Aber kann mensch sich kapitalismuskritisch positionieren, ohne dabei feministische Ziele hintenan zu stellen? Auf die Frage, was die Basis eines sozialistisch inspirierten Feminismus sein könnte, erklärte Penny, dass ein Angriff auf patriarchale Strukturen immer auch einen Angriff des herrschenden ökonomischen Systems beinhalte. Die Macht über produktive und reproduktive Arbeit sei darin eines der wichtigsten Kontrollwerkzeuge, insbesondere die Macht über weibliche Körper. Reproduktive Gerechtigkeit, so Penny, sei die wichtigste und grundlegendste Basis für feministische Arbeit, ohne die es keine progressive Bewegung für Frauenrechte geben könne. Die Entscheidung für das Recht auf gleichgeschlechtliche Eheschließungen in Irland sei wichtig und richtig, ohne das Recht auf verlässliche Verhütungsmittel und sichere Abtreibungen bleibe das Land jedoch ein Alptraum für jede ungewollt schwangere Frau. Männliches Privileg bedeute in diesem Zusammenhang, niemals in bestimmte Notlagen geraten zu können, auch wenn die persönliche Situation vielleicht eine machtlose sei.
"You can have a lot of privilege without having a lot of power. Patriarchy is not men against women, it is a few powerful men against every one"
Fragen nach der allgemeingültigen Definition einer Feministin gehen laut Penny in die falsche Richtung, denn "feminism is not what you are, it is what you do". Als ihr vor Kurzem eine Debatte darüber aufgedrückt werden sollte, ob nun sie oder die deutsche Aktivistin Anne Wizorek die "bessere" Feministin sei, hatten sowohl Penny als auch Wizorek dafür nur Befremden übrig. Für beide ist der Versuch, zwei präsente Frauen öffentlich gegeneinander auszuspielen, nichts weiter als die alte Taktik, sie in eine Konkurrenzhaltung um Aufmerksamkeit zu zwingen und damit Solidarität und Freudinnenschaft zu verhindern. Sie ziehen freundlichen Austausch und kollegialen Respekt vor.
"We have to fight for change from where we are"
Trotz Bombendrohungen gegen ihre Person und trotz des allgegenwärtigen neoliberalen Backlashs gegen Feminismen jeder Art sieht Penny mehr Gründe zur Hoffnung, als zum Verzweifeln. Ob im Internet oder an der nächsten Bar, einmal angestoßene Debatten können zu Bewegungen wachsen, und mit Glück zu wirklichem sozialen Wandel.
Zu Laurie Penny: Geboren 1986 in London, ist sie gemäß Selbstauskunft Journalistin, Autorin, Bloggerin, Feministin, Sozialistin, Utopistin, Querulantin und Unruhestifterin. Sie hat Englische Literaturwissenschaft in Oxford studiert und lebt derzeit in England und den USA. Ihr Blog "Penny Red" wurde 2010 für den George Orwell Award für politisches Schreiben nominiert. Sie schreibt regelmäßig für den New Statesman, den Guardian und den Independent.
Laurie Penny im Netz:
laurie-penny.com
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Copyright Text + Foto: Britta Meyer