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Beitrag vom 14.08.2008
Antonia Jimenez im Interview. Eine Frau an der Flamenco-Gitarre
Christiane Krämer
Eine der wenigen Gitarristinnen Spaniens zeigte in der "Noche de mujeres" auf dem Flamenco Festival in Berlin ihr virtuoses Können auf dem Instrument das traditionellerweise Männern vorbehalten ist
Interview auf spanisch und deutsch: para la versión en castellano pulse aquÃ.
Das Flamenco Festival Berlin hat sich in den letzten Jahren als wichtiges europäisches Festival etabliert und zieht mit internationalen spanischen und deutschen Flamencostars ein großes Publikum an. Ein besonderer Höhepunkt war dieses Jahr die Gesangsnacht, die ausschließlich von Frauen bestritten wurde. Es sang Alicia Gil aus Sevilla auf raue und melodiöse Art, La Divi, die mit ihrer klaren und kräftigen Stimme bereits den wichtigsten spanischen Wettbewerb für NachwuchssängerInnen gewann, und Mara Rey, die puren kraftvollen Flamenco in der "Gitano"-Tradition singt und tanzt. Elena Vicini interpretierte den Gesang durch ihren klassischen Flamencotanz.
Die größte Besonderheit des Abends war jedoch Antonia Jiménez. Die in einem andalusischen Dorf aufgewachsene Künstlerin begann im Kindesalter Flamenco- Gitarre zu spielen. AVIVA-Berlin sprach mit ihr über ihre Musik und den schwierigen Weg zur professionellen Gitarristin in einer machistisch geprägten Kultur.
AVIVA-Berlin: Bei meiner Recherche zeigte mir die Suchmaschine bei Ihrem Namen und Flamenco zunächst unzählige Gitarristen mit Antonio Jimenez an: sind Sie als Frau eine absolute Ausnahme?
Antonia Jiménez: Ja, leider, es gibt sehr wenige Gitarristinnen im Flamenco. Und die, die es gibt sind oftmals nicht anerkannt.
AVIVA-Berlin: Wie und wann sind Sie zum Flamenco gekommen, was hat Sie fasziniert?
Antonia Jiménez: Flamenco ist wie Verliebtsein und ich habe mich verliebt – es war etwas, dass ich gar nicht verhindern konnte. Flamenco fühlt man in sich drin, ein Gefühl, nach dem man süchtig wird, was Emotionen ausschüttet. Und Flamenco ist draußen in den Straßen, im Viertel, wo ich aufgewachsen bin, in Puerto de Santa Maria. Als ich noch ein ganz kleines Mädchen war, sah ich eine Spielzeug-Gitarre, und da hat es gefunkt. Seitdem wollte ich Gitarre lernen und von da an bin ich in die Kreise der Menschen gelangt, die Flamenco spielen, in die Welt des Flamencos.
AVIVA-Berlin: Die Flamenco Gitarre ist ein Instrument, was überwiegend von Männern gespielt wird. War es schwierig, sich in einer so männlichen besetzten Szene durchzusetzen?
Antonia Jiménez: Es spielen auch viele Frauen Flamenco Gitarre, aber eben nicht professionell. In dem Moment, wo man einen Platz in der professionellen Szene erkämpfen muss, wird es sehr schwierig. Ich habe mit 15 Jahren diesen Karriereweg beschritten und hart dafür gekämpft. Aber mein Fall ist nun auch wieder nicht so speziell, denn Frauen müssen fast in allen Berufen härter arbeiten und kämpfen als Männer. Sie sind weniger sichtbar, manchmal scheint es, als ob sie in einigen Berufen gar nicht existieren. Als Gitarristin wurde ich von der männlichen Konkurrenz mit der Lupe begutachtet und musste immer erst beweisen, dass ich gut spiele, obwohl ich schon Erfahrung hatte. Es existiert in der spanischen Kultur noch kein Bild von der "Gitarristin" und so kreiere ich bei jedem Auftritt Schritt für Schritt dieses Bild neu.
AVIVA-Berlin: Fühlen Sie sich ähnlich wie die Torrera Cristina Sanchez als Vorbild und Vorreiterin?
Antonia Jiménez: Ja. Fast überall wo ich toure, haben die Zuschauer noch nie zuvor eine Frau als Gitarristin auftreten sehen und sind sehr überrascht. Obwohl es auch vor mir schon Frauen gegeben hat, die damit ihr Geld verdient haben. Im Fall von Cristina Sanchez ist es noch schlimmer gewesen, denn die Welt des Stierkampfs ist nach wie vor sehr machistisch geprägt. Der Flamenco hingegen verändert seine Sichtweise. So haben die Frauen früher Kleider getragen, sollten ab und zu mal die Beine zeigen, tanzen und singen und hübsch aussehen und waren somit in ihrer Darstellung sehr limitiert. Die Männer haben den Ton angegeben und dementsprechend war die Sicht auf die Tänzerinnen männlich geprägt. Das ist der männliche Blick, den wir zu spüren kriegen, aber die Perspektive verschiebt sich: So ist die Flamencostartänzerin Belén Lopez beispielsweise in einem Anzug mit Bolero - Jacke aufgetreten und es finden sich ironische Elemente in ihrem Tanz, die mit Geschlechterstereotypen brechen. Das gibt viel Kraft um weiter zu machen. Wir müssen über uns hinauswachsen, damit Frauen überall mehr erreichen können.
AVIVA-Berlin: Flamenco ist eine sehr traditionelle Musik, wie wird Flamenco in Ihrer Familie und Umgebung gelebt?
Antonia Jiménez: In meiner Familie gibt es keine große Flamenco -Tradition. Meine Großmutter war "aficonada" und hat von Zeit zu Zeit Gitarristen nach Haus gebracht, deren Spiel ich dann begeistert belauscht habe. Meine Onkel singen. Aber mein Vater war nicht gerade begeistert, als ich mit dem Wunsch, Gitarristin zu werden ankam, für ihn war das ein Schock. Er wollte nicht, dass ich die Ausnahme, eine Kuriosität im Dorf bin. Aber Kuriosität hat es bei anderen auch geweckt, was das Positive daran ist, viele Menschen sind neugierig mich zu hören.
Generell ist die Mentalität in diesen Dörfern machistisch. Die Menschen verwechseln dabei oft Tradition und Konservatismus, was nicht dasselbe ist. Ich würde mich als traditionell bezeichnen, weil ich die traditionelle Musik mag, denn sie wird zu einer bewegenden Quelle für unsere Zeit. Das heißt aber eben nicht, dass Frauen ausgeschlossen bleiben müssen, wir müssen ihre Rolle aktualisieren.
Alicia Gil und Mara Rey fügen hinzu: Die Rolle der Frau in Spanien in der Kultur ist nicht mehr so, wie früher im chauvinistischen Spanien, sondern hat sich sehr stark und schnell verändert. Das gilt für den Flamenco ebenso, wie für die gesamte spanische Gesellschaft. Heute sind Frauen überall vertreten, in der Politik, in der Kunst, in der Malerei. Aber was uns wirklich noch fehlt ist, die Rollen und Arbeitsteilung zu Hause zu verändern. Wenn beide Partner arbeiten, erledigen meistens die Frauen die gesamte Hausarbeit und Kindererziehung neben ihrem Beruf, eine doppelte Belastung. Die Frauen kommen von der Arbeit nach Hause, der Mann liegt auf dem Sofa und macht Siesta, während sie sich um die Kinder kümmert, die Wäsche bügelt und für den nächsten Tag Essen vorkocht. Das kommt leider häufig vor. Und wenn der Mann bügelt und die Kinder füttert und badet, denkt er, er "hilft" der Frau.
Das ist aber ebenso seine Aufgabe und gehört auch zu seiner Rolle. Die Männerrolle muss sich also noch sehr ändern um mit der Emanzipation mit zu halten. Auf der Bühne zeigen wir heute, dass Frauen genauso erfolgreich in ihrem Beruf sind und nicht unbedingt von Männern angeleitet werden müssen. Die "Moderatorin" des Abends ist dieses Mal ein Mann.
AVIVA-Berlin: Antonia, was tun Sie nach dem Konzert, an welchen Projekten arbeiten Sie?
Antonia Jiménez: Ich fahre nach Madrid, wo ich lebe und arbeite. Zur Zeit bin ich auf der Suche nach mir, forsche und konzentriere mich auf die Komposition. Das ist notwendig und wird mich vorwärts bringen. Und nächstes Jahr vielleicht wieder nach Berlin...
AVIVA-Berlin: Vielen Dank für das Interview!
Weitere Informationen zum 13. Flamenco Festival Berlin finden Sie auf AVIVA-Berlin.