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Beitrag vom 12.03.2006
Die Betancorband mit Hispanoid
Silvy Pommerenke
Betrunkener Westernheld trifft auf Bossanova Rhythmen. So könnte man in Kurzform das neue Album von Susanne Betancor, vielen eher als Die Popette Betancor bekannt, beschreiben.
Die Popette heißt nur noch Betancor. Um genau zu sein: Betancorband. Das zeigt uns schon, dass etwas anders ist. Und wir erfahren es recht schnell. Weil die früher vorherrschenden Instrumente Klavier und Trompete nun durch manchmal perfektionistisch jazzige E-Gitarren, manchmal aber auch durch schrammelnde Steel-Guitars ersetzt werden. Aber das funktioniert. Und es klingt wie ein betrunkener Westernheld am Lagerfeuer, der einem schnell ans Herz wächst.
Die Popette, Verzeihung, die Betancor hat sich verändert. Und irgendwie ist das schön. Weil zu viele auf der Stelle treten und sich gegenüber Veränderungen sperren. Sie nicht. Schuld sind sicher zum einen ihre spanischen Wurzeln, die sie zweisprachig immer mehr in ihre Songs einbringt. Aber auch die Zusammenarbeit mit Lychee Lassi, denn daher kommen die E-Gitarren, prägt den neuen Sound. Manchmal denkt man dann an Carlos Santana, Calexico oder durchaus auch an Helge Schneider (der zwar weder Halbspanier ist, trotz Damenbart eher wie Reinhold Messner aussieht, und aber ja, doch ähnlich jazzig komödiantische Attitüden hat wie Betancor). Aber nichts trifft wirklich zu. Man muss zwangsläufig scheitern, wenn man nach Vergleichen sucht. Weil, irgendwie bleibt die Betancor die Betancor. Einmalig schrullig, schräg und schön! Zugegebenermaßen eignet sie sich nicht zum Nebenbeihören, dazu sind die Töne zu schräg und die Texte zu wichtig. Oder soll man sagen zu komisch?! Aber für das Nebenbeihören ist sie eh viel zu schade!
Gewagt, aber großartig inszeniert sind auch ihre Cover-Versionen. Zum Beispiel "Der Universal Tellerwäscher" von den Sternen, der irgendwie an die Neue Deutsche Welle der Achtziger erinnert. Auch vom unvergleichlichen Elvis Costello lässt sie ihre Finger nicht ("Verschwinden"). Und dann ist da noch "Libertango" von Astor Piazzolla. So er noch unter uns weilte, wäre er sicher begeistert von dieser Interpretation. Und auch ohne Bandoneon und mit betancorschem skurrilem Text funktioniert das.
Die Betancor verwurstet textlich scheinbar alles. Die Autostadt in Wolfsburg ("Sitzclub") findet Eingang in ihre Texte, ein Hausverbot bei H&M wird uns um die Ohren gesummt ("Hau"), und sie schafft es sogar, ein Lied über Kartoffelsuppe zu schreiben ("K-Suppe"). Wer hätte das gedacht? Die absolut schönsten Stücke des Albums sind allerdings "Streich mich" und "Mundo Material" (Madonna!), die auch schon auf der Bühne überzeugend wirkten. Vielleicht auch, weil sie am melodischsten und eingängigsten sind. Und wenn man die Website von Susanne Betancor anklickt, weiß man, dass Klappräder definitiv wieder in Mode kommen werden!
Weiterhören: Cora Frost und Georgette Dee.
AVIVA-Tipp: Wenn Sie dieses Album kaufen, werden Sie für 60 Minuten die graue, trübe Welt dort draußen vergessen. Ganz bestimmt! Das einzige, was noch besser als dieses Album ist, ist es, die Frau live auf der Bühne zu erleben. Denn ihre Mimik und Komik (und vor allem ihre Frisur!) muss man einfach in echt sehen. Record-Release-Party im Quasimodo Berlin am 23.03.2006.
Popettes Zuhause im Netz: www.betancor.de
Betancorband
"Hispanoid"
Label: Traumton
Records. VÖ: 17.03.2006
EAN: 0705304658925
Preis: 17,49 Euro90008115&artiId=5240970" .