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Beitrag vom 14.10.2005
Grenzenlos – Scala & Kolacny Brothers
Anja Kesting
Ein gewagtes Unternehmen: Die Songs der Größen des deutschen Musikbusiness (Grönemeyer, Reiser, Toten Hosen, etc.) zu covern. Der belgische Mädchenchor hat es riskiert und es ist wunderbar gelungen.
"Du bist eis-eiskalt" gehaucht aus 40 Frauenkehlen, lassen den ZuhörerInnen die Schauder über den Rücken laufen. Ein eindrucksvoller Auftakt: "Hungriges Herz" von "Mia". Während im Original ein hungriges Herz den bittersüßen Schmerz durchlebt, werden jetzt über drei Dutzend Mädchenherzen von Liebeskummer geschüttelt. Herzeleid pur!
Weiter geht´s mit "Du trägst keine Liebe in dir" von "Echt". Ach ja, da gab es ja mal eine Schülerband, die 1999 einigen Erfolg hatte und dann wieder in der Versenkung verschwand. Der Sänger hieß Kim Frank, damals kurzzeitig mit Enie van de Meiklokjes liiert. Der eine versucht sich heute als Schauspieler im Kinofilm "NVA" von Leander Haussmann – sehr blass sein acting – und die andere als Stilikone in der Vox-Sendung "Wohnen nach Wunsch - ein Duo für vier Wände!".
Aber "Du trägst keine Liebe in dir" ist immer wieder schön zu hören, nicht nur von Echt.
Die beiden dirigierenden Brüder Steven und Stijn Kolacny haben auch diesmal wieder eine Coverversion von "Rammstein" (an dieser Band können sich die Gemüter scheiden) mit auf die CD genommen. Mit "Engel" schaffte Scala 2004 den Durchbruch auf dem deutschen Markt. Genauso wie bei "Engel" ist auch bei "Mutter" die Stärke des belgischen Mädchenchors der unschuldige Gesang. Was bei Rammstein martialisch gewaltig klingt, schleicht sich bei Scala ganz harmlos in den Gehörgang, bis das Hirn die perfide gewalttätige Botschaft des Songs umso eindringlicher registriert.
Am Rande: Wenn Rammstein heute im eigenen Lande Konzerte gibt, dann ist "Engel" ihre letzte Zugabe, danach kommt nicht selten da Cover von Scala vom Band als Grande Finale. Für Steven Kolacny, Pianist und Chorleiter der Truppe, war die Berliner Band noch vor zwei Jahren "die einzige, die ich aus Deutschland kannte. Für uns war das jetzt eine tolle Sache, ein Land anhand seiner Musik zu erkunden. Wir saßen da mit unzähligen Platten von Künstlern, deren Namen wir nicht einmal richtig aussprechen konnten, und tauchten ab in die deutsche Popszene. So was gibt es ja in Belgien nicht, hier singen sie alle englisch und spielen entweder wie die Engländer oder wie die Amerikaner."
Ebenfalls geschieht es auch bei der Anti-Rechts-Hymne der "Toten Hosen" "Hier kommt Alex" . Die Worte huschen so arglos zart aus dem Ghettobluster: "Zwanzig gegen Einen. Bis das Blut zum Vorschein kommt. Ob mit Stöcken oder Steinen. Irgendwann platzt jeder Kopf."Die Zerbrechlichkeit und Zartheit des Gesanges verstärken die Intention der Worte um ein Vielfaches.
Songs der "Newcomern"-Bands "Juli" und "Wir sind Helden" runden die Hommage an ein Land ab, das nicht wirklich weltberühmte für seine Pop-Kultur ist.
Mit "Junimond" von Rio Reiser klingt dieses wunderbare Album aus. Man kann sich gut vorstellen: "Die Welt schaut rauf zu meinem Fenster.
Mit müden Augen, ganz staubig und scheu.
ich bin hier oben auf meiner Wolke.." das der "Ton, Steine, Scherben" Sänger im Jenseits sich den Gesang der 40 Engel erfreut. Eben "Grenzenlos".
AVIVA-Tipp: "Scala & Kolacny Brothers" covern und interpretieren querbeet deutsche Songs aus 30 Jahren Musikbusiness. Unerhört hörenswert!
Scala & Kolacny Brothers
"Grenzenlos"
VÖ 07.10.05
PIAS Recordings
ASIN: B000B4T7AY
Single "Hungriges Herz"
VÖ 23.09.05
PIAS Recordings
www.piasrecordings.de
www.scalachoir.com
Tracklisting "Grenzenlos"
1. Hungriges Herz (Mia)
2. Du trägst keine Liebe in dir (Echt)
3. Mensch (Grönemeyer)
4. Ein Kompliment (Sportfreunde Stiller)
5. Mutter (Rammstein)
6. Perfekte Welle (Juli)
7. Ohne Dich (Selig)
8. Hier kommt Alex (Die toten Hosen)
9. Denkmal (Wir sind Helden)
10. Tausend Tränen Tief (Blumfeld)
11. Das Model (Kraftwerk)
12. Junimond (Rio Reiser)
Scala & Kolacny Brothers kommen im Herbst auf Tour nach Deutschland:
30.10. Köln – E-Werk
31.10. Bielefeld – Ringlokschuppen
01.11. Oberhausen – Luise-Albertz-Halle
02.11. München – Muffathalle
03.11. Stuttgart – Theaterhaus
04.11. Berlin – Tempodrom
05.11. Hamburg – Docks