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AVIVA-BERLIN.de im April 2024 - Beitrag vom 08.09.2005


Grlz - Women Ahead of Their Time
Tatjana Zilg

Wer erinnert sich an Bow Wow Wow? Auf dem Sampler findet sich ihr legendäres Debüt sowie weitere Perlen von charismatischen Punkladys der ersten Stunde wie Delta 5, Slits und Maximum Joy




Das Album bietet einen gelungenen Rückblick in die Zeit des Postpunk Anfang der 80er, als zum ersten Mal verstärkt Frauen auf die Konzertbühnen drängten und der männerdominierten Musikszene zeigten, was bisher verpasst wurde. Mit frechen, zynischen Texte, originellen Stilkombinationen und sicherer Beherrschung der Instrumente eroberten sich die Powerfrauen lang vor dem Hype der Girlie-Bewegung einen festen, unverrückbaren Platz im Auf und Ab des Musikbusiness.

Die quirlige Annabella Lwin setzte 1982 neue Impulse in die nach den ersten fünf Jahren etwas eingefahrene Szene. Malcolm McLaren, der Manager der Punkikonen Sex Pistols, holte die burmesische Immigrantin mit der markanten Irokesenfrisur an die Front dreier Ex-Adam-Ant-Musiker. Die 14 jährige überzeugte ihre jugendliche HörerInnen durch draufgängerischen Esprit und wilden Tanz, mit dem sie ihre Stakkatotexte präsentierte. Nie um eine publicity-wirksame Idee verlegen, liess McLaren das Debüt "C30, C60, C90 Go!" als weltweit erste Kassetten-Single herausbringen, auch die EP "Your Casette Pet" folgte in diesem Format. Nach der Bandtrennung 1983 wandelte Annabella Lwin auf Solopfaden, bis sie 1998 Bow Wow Wow neu gründete. Auch gegenwärtig ist sie unter dem Namen sehr aktiv.

Auf einer mehr politischen Ebene agierten die Schlüsselfiguren der feministischen New Wave – Bewegung Delta 5. Inspiriert von The Mekons und Gang Of Four entwickelten sie einen prägnanten, aggressiven Funksound, der ihre Debutsingle "Mind Your Own Business" schnell zu einem Insiderhit der Postpunkszene werden liess. Sie beteiligten sich in der Folgezeit an der „Rock Against Racism – Bewegung“, später auch an "Rock Against Communism". Die ruhmreiche Zeit fand jedoch ein rasches Ende, als sich das Debütalbum "See The Whirl" bei den KritikerInnen nicht durchsetzen konnte. Die Band löste sich daraufhin auf.

Maximum Joy, zuerst bestehend aus dem Duo Janine Rainfort (Gesang/Geige/Klarinette) und Tony Wrafter (Saxofon, Trompete), wurde anfangs als Anhängsel an den Stil der legendären The Pop Group verortet, doch in Kürze behaupteten sie sich in der Bristoler Szene und konnten sich um einige namhafte MusikerInnen erweitern. Dick O’ Dell (Y Records) gehörte zu den Ersten, die das immense Potenzial dieser Band erkannten, und beförderte ihre Debütsingle "Stretch" in die Top Ten der NME Indie Charts.

Eine besonders extravagante Konstellation entstand aus dem Zusammentreffen zweier Ex-Mitglieder von The Pop Group, Gareth Sager und Bruce Smith, mit der Soulsängerin Neneh Cherry. Den Popklischees des Mainstreams setzten sie ein Percussion-basiertes und leicht Afropop-angehauchtes Rhythmusfundament entgegen. Lange vor dem Weltmusik-Boom gestalteten sie einen globalen Sound aus Postpunk, experimentellen Klängen, Freejazz und Soulgesang. Die eingängige Stimme des heutigen Superstars Neneh Cherry ist in „Sunken Love“ auf ungewohnte, sehr attraktive Weise zu erleben.

Die Slits gründeten sich 1977, dem Geburtsjahr des Punk, als fast reine Frauenband. Das Punkrocktrio Ari Upp, Viv Albertine und Tessa Pollit holten sich als männliche Verstärkung Budgie aka Pete Clarke ans Schlagzeug, der schon bei den Spitfire Boys und später bei Siouxsie & the Banshees und The Creatures den Rhythmus vorgab. The Slits bändigten ihren rotzig-frechen Livesound noch vor dem 1979 von Dennis Bovell produzierten und Reggae-beeinflussten Debütalbum "Cut" (Island Records). Aber auf "Cut" sorgten nicht nur die herausragenden Songs für erhebliches Aufsehen, auch das Cover, auf dem die Band nackt posierte (bis auf Lendenschurze und etwas Schlamm) erregte die Gemüter. Die Single Typical Girls (B-Seite: "I Heard It Through The Grapevine") wurde 1979 für Island Records aufgenommen. Die Verbindung von erotischen Posen und sexy-humorvollen Rhythmen war ein effektvoller Kontrast zur düsteren Komponente des Punks und wurde z. B. von Rockgrößen wie The Cramps fortgesetzt.

AVIVA-Tipp: Ein sehr abwechslungsreicher Rückblick in die aufregende Zeit der frühen 80er Jahre, wo es einfacher war, durch Provokation aufzufallen, aber viel schwieriger, in der Major-Musikindustrie Erfolg zu haben, ohne Eigenständigkeit aufgeben zu müssen. Deshalb existierten viele der Bands nur kurze Zeit, aber ihre Songs haben ein unnachahmbares Flair der Individualität und Rebellion, von dem einige der heutigen Girlie-Bands nur träumen können.

Titel:
01. Maximum Joy: Stretch
02. Dorothy: Softness
03. Rip, Rig & Panic: Storm the Reality Asylum
04. Anna Domino: Zanna
05. Slits: I Heard It Through the Grapevine
06. New Age Steppers: Fade Away
07. Delta 5: Mind Your Own Business
08. JaJaJa: Katz Rap
09. Bow Wow Wow: C-30 C-60 C-90 Go!
10. Ludus: Breaking the Rules
11. Rip, Rig & Panic: Sunken Love
12. Nicole Meyer: Nowhere bei Mir

Various Artists
GRLZ
Women Ahead of Their Time

Begleittext von Vivien Goldman
ISBN/EAN: 881390129928
Label: Crippled D, erschienen August 2005
16,99 Euro
Website des Labels:
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Beitrag vom 08.09.2005

AVIVA-Redaktion