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Beitrag vom 23.01.2006
Love And Youth. Jenny Wilson
Tatjana Zilg
In Schweden fasziniert sie schon seit vier Jahren mit bizarr-eingängigen Songideen und ausdrucksstarker Stimme. Ihr erstes eigenständiges Album könnte der internationale Durchbruch werden
Schillernd, facettenreich und flatterhaft: Der Schmetterlings-Ohrring, den die Künstlerin auf dem Coverfoto trägt, könnte Symbol sein für die Ausdruckskraft dieses extravaganten Soloalbums, das fast etwas unfreiwillig zu einem Konzeptalbum geworden ist.
"Love And Youth" ist ein Konzeptalbum", erzählt Jenny Wilson. "Ich wollte es selbst nicht wahrhaben. Aber es ist so. Es geht um Schule, Liebe, Nasenbluten, den Konflikt zwischen Einsamkeit und Unabhängigkeit und die anderen Dinge, die zur Kindheit und Jugend gehören. Jetzt ist Jugend ein Thema, das wirklich zur Genüge von Anderen ausgeschlachtet wurde. Das weiß ich auch, aber ganz so uninteressant scheint sie nicht zu sein, sonst würde sie ja nicht wieder und wieder überall auftauchen."
In einigen Punkten ist ihr Arbeitsansatz mehr experimentell als konzeptionell:
"Ich war wie ein Roboter mit einer programmierten Mission: Kreiere etwas, dass du noch nie erschaffen hast, mach dir keine Sorgen, wie das gehen soll. Tu´s einfach! Ich habe vornehmlich die Instrumente verwendet, die gerade in meiner Nähe waren. Weil ein Vibraphon und ein Rhodes Piano im Studio standen, sind die auch auf vielen Songs vertreten. Ich war weder dogmatisch noch pragmatisch - eher respektlos und rastlos."
Das Ergebnis ist ein überaus hörenswertes Album mit Titeln, die immer einen kleinen Touch ungewöhnlich klingen und dennoch chartverdächtig sind.
Ihre variantenreiche, ausdrucksstarke Stimme harmonisiert in surrealer Intensität mit dem ästhetisch-melodiösen Soundmix aus Jazz-, Pop-, Experimental- und Country-Klängen
Gleich das Intro "Crazy Summer" ist extrem spannungsgeladen mit einem Wechselspiel aus leidenschaftlich-tiefer Stimme und zurückhaltender Melodie mit feinen, sehr gelungenen Akzentuierungen und der Verstärkung durch einen Männerchor, der den Refrain zum jeweils genau richtigen Moment repetiert.
Eine ekstatisch-rhythmische Steigerung des Intro-Motivs folgt mit "Summertime". Dynamisch, energiegeladen und vorwärtsgerichtet ist "Let My Shoes Lead Me Forward" - wie der Text erwarten lässt. Einen Kontrastpunkt setzt das balladenhafte Wintermärchen "Those Winters", das die dramatische Seite des Albums einleitet, denn nun folgt das zynisch-selbstbewusste "Bitter? No I Just Want To Complain". Die bei diesem Song in alle Höhen variierende Stimme wirkt, passend zur Message, zunächst leicht nervig, bis sie sich in optimistische Fröhlichkeit steigert, die absolut ansteckend ist. Auch die zarten Gitarrenklänge von "Would I Play With My Band?" versetzen in eine wohlig-warme Stimmung, die kalte Wintertage vergessen lässt.
In "A Hesitating Cloud Of Despair", in dem die Jugend-Thematik am deutlichsten zum Vorschein kommt, wandeln sich die Gitarren zu sanften Country-Klängen.
Auf "Love Ain´t Just A Four Letter Word" - neben "Summertime" das eingängigste Stück des Albums und sehr hitverdächtig - ist die Vokalkunst von Jenny Wilson pur zu bewundern bis ihre ausdruckskräftige Stimme mit rhythmisch-spielerischen Bassklängen unterlegt wird. Einen stilvollen Ausklang für das Meisterwerk der elegant-progressiven Newcomerin bildet die tragisch-melancholische Ballade "Balcony Smoker".
Ursprünglich wollte Jenny Wilson Autorin werden. Geboren wurde sie 1975 in Blekinge, einem kleinen Städtchen an der südschwedischen Küste.
Mit 17 entfloh sie der Enge dort in die nächste größere Stadt mit kultureller Infrastruktur - Malmö. Sie meldete sich für einen AutorInnen-Kurs an und wunderte sich, warum ein kurzer Text nach dem anderen aus ihr heraussprudelte, etwas Größeres, Längeres aber nicht gelingen wollte. Über ihre Bewunderung zu Rockladies wie PJ Harvey, Laurie Anderson, Kate Bush, Grace Jones, Missy Elliot entstand die Idee, aus ihren Texten musikalische Kunstwerke zu machen. 1997 gründete sie die Band "First Flower Power", mit der sie die Alben "There is Hope" (2001) und "Nerves" (2003) veröffentlichte.
Mehr zu Jenny Wilson auf: www.jennywilson.net
AVIVA-Tipp: "Love And Youth" in den CD-Player einlegen, hoffnungsvoll dem Ende der Minusgrad-Zeit entgegenblicken und Pläne für einen "Crazy Summer" schmieden!
Jenny Wilson
Love And Youth
Label: Rabid/Cooperative Music, VÖ: 27.01.2006
EAN: 5033197363622
18,49 Euro90008115&artiId=5194412" target="_blank">