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Beitrag vom 24.03.2010
Amparo Sanchez - Tucson-Habana
Tatjana Zilg
Mit Amparanoia bereicherte die Spanierin die Konzert-Biografie etlicher Musikfans um unvergessliche Erlebnisse. Gemeinsam brachte die Band sieben Studio-Alben heraus. Aber alles was gut ist, ...
... findet irgendwann ein Ende und gibt das Feld frei für neue Wege.
Im Sommer 2007 trennten sich Amparanoia. Schon vorher hatte Amparo Sanchez frischen Wind geschnuppert, als sie bei einem Jazzfestival in Montreal mit nur zwei Musikern den angekündigten Auftritt bestreiten musste. Der Rest der Crew hatte den Flug nach Kanada verpasst. Mit ihrem Bassisten und ihrem Schlagzeuger präsentierte sie ihren fetzigen Latino Rock deshalb ganz ungewohnt als akustisch-reduzierten Set, woran sie und das Publikum viel Gefallen fanden und wodurch die Glut für ein eigenes Projekt entzündet wurde: "Was an diesem Tag geschah, war für mich ein fantastischer Zufall. Denn ich wollte schon lange das Publikum auf subtilere Art und Weise berühren und es mit meiner Musik und dem Klang meiner Stimme verführen."
Da traf es sich gut, dass sie schon seit 2003 mit Joey Burns und John Convertino von Calexico in regen Kontakt stand und einige Male zusammengearbeitet hatte. Die Jungs der Mega-Erfolgsband weilten während des Festivals ebenfalls in Montreal und so wurden die Pläne für Amparos Soloalbum gemeinsam geschmiedet. Joey Burns hatte als optimale Umgebung für den Neustart das Wabelab Studio in Tucson, Arizona, vor Augen und überzeugte die Front-Senora davon, mit der Wüste in unmittelbarer Nähe die Koordinaten für ihre ureigenen Songs zu bestimmen.
"Es war eine wunderbare Erfahrung. Ich habe in Tucson genau die richtige Stimmung für meine Stücke gefunden. Wichtig war nicht nur die Anwesenheit von John, Joey und der ganzen Crew. Tucson hat auch die Seele einer Grenzstadt. Ich habe mich in der Sonora Wüste sofort zuhause gefühlt" beschreibt Amparo das inspirierende Setting.
Und doch wollte sie zugleich einer alten Liebe Tribut erweisen: Sie gab ihrer Begeisterung für kubanische Musik nach und reiste nach Kuba, um die zweite Hälfte ihres Albums in den legendären EGREM-Studios in Havanna aufzunehmen. Joey Burns und Joey Convertino folgten ihr und trafen dort im Mai 2009 ein.
So stand der Vollendung von "Tucson-Habana" nichts mehr im Wege:
"In diesen Studios spürt man noch die Seele der vielen Künstler, die sich dort die Klinge in die Hand gaben: Benny More, Ry Cooder mit Buena Vista … die ganze Geschichte der kubanischen Musik."
In den vierzehn Songs trifft verwegenes Westernflair auf die lebenslustigen Rhythmen der Sonneninsel, welches gleich in den ersten beiden Songs zum Ausdruck kommt: In "Aqui Estoy" weisen weitschweifige E-Gitarren auf ferne Horizonte hin und bringen die Sehnsucht im Herzen zum Brennen, während der Text pointenreich das Überleben in einer Welt voller Haifische und Falken schildert. Danach flattert der beschwingte Rhythmus von "Hoja En Blanco" in den Raum. Lässig dahinhüpfend auf einer gezupften Gitarre und von einem schwelgenden Background-Chorus begleitet, umrahmt er mit einnehmenden Charme die feminine Reife in der Stimme von Amparo Sanchez. Diese widmet sich mit Leidenschaft und Humor kleinen und großen Geschichten über Liebe und Ungerechtigkeiten, endlosen Reisen und dem Auf und Ab der Gefühle während eines ereignisreichen Lebens.
Amparo Sanchez mischte sich schon immer gerne unter die Musikleute an allen Orten, wo sie ihr eigener musikalischer Instinkt hinzog. In den 1990ern war sie mittendrin in der Madrider Szene, in der lateinamerikanische und spanische Jungtalente aufeinandertrafen und spontan miteinander jammten. Einer ihrer engsten Vertrauten war zu dieser Zeit Manu Chao.
Auch in Kuba tauchte sie spielend leicht ein in die Szene, die spätestens seit 1996 durch Ry Cooders Projekt "Buena Vista Social Club" und Wim Wenders´ gleichnamigen Dokumentarfilm weltweit in aller Munde ist. Mit der legendären - heute 79 Jahre alten - Sängerin Omara Portuondo teilte sie sich das Studio-Mikrophon für das Duett "La Parrandita De Las Santas", das sich in in einer bestechend schönen Sanftheit in die Ohren der HörerInnen wiegt. Immer wieder scheint in den Songs das virtuose Trompetenspiel von Jacob Valenzuela hervor - wie auch auf der ersten Singleauskoppelung "Corazon De La Realidad". Salvador Duran hält hier Amparos Stimme einen maskulinen Gegenpart entgegen und ruft mit seinem markanten Tenor eine Mariachi-Stimmung hervor.
Weiterhören auf AVIVA-Berlin: Amparanoia und Rupa Marya
Amparo Sanchez im Netz: www.amparosanchez.info und www.myspace.com/amparotucsonhabana
AVIVA-Tipp: Kakteen und kubanische Nächte waren genau die richtigen Inspirationen für Amparo Sanchez. Mit "Tucson-Habana" ist ihr ein ausgewogener und kraftvoller Solo-Einstand gelungen, der jeglichen Trennungsschmerz der Fans schnell in Freude über das Hinzugewonnene verwandeln wird. Südliche Sinneslust und rockender Revolutionsgeist vereint sie mit graziöser Nachdenklichkeit und intuitiver Innenschau. Durch die langsameren Klänge einiger Songs treten Stärken ihrer Stimme hervor, die bisher noch ein wenig im Schatten so mancher lauter Latino Rock-Fiesta gestanden haben.
Und nicht zuletzt eignet sich ihr Soloalbum bestens für die Aktivierung der Spanischkenntnisse für den Reisesommer 2010. Neben fotogenen Impressionen ihrer Kuba-Visite enthält das Booklet alle Texte in englischer Übersetzung.
Amparo Sanchez
Tucson-Habana
Label: Wrasse Records, Harmonia Mundi, VÖ März 2010