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AVIVA-BERLIN.de im November 2024 - Beitrag vom 15.12.2008


Ingrid Michaelson - Girls And Boys
Tatjana Zilg

Schüchtern, nur mit einem aus der Entfernung dahingehauchten Kuss, begegnen sich Hirtenjunge und engelhaftes Mädchen auf dem Cover. So sympathisch schüchtern wie die beiden ...




... Porzellan-Gestalten gibt sich die Songwriterin auch auf der Bühne. Konzentration liegt auf ihrem femininen Gesang und den bezaubernden Melodien, die sich in einem ganz eigenen emotionalen Raum irgendwo zwischen beschwingt fröhlich und träumerisch nachdenklich ansiedeln.

Den musikalischen Kuss der New Yorkerin empfing das Berliner Publikum im November 2008. Als Support von Jason Mraz machte sie die Menge im riesigen Saal des Huxleys mit ihrer Songwriting-Kunst bekannt. Viele mögen hierzulande zu diesem Zeitpunkt zum ersten Mal von ihr gehört haben, in den USA gilt sie schon längst als Shooting Star.

Tragisch angehauchte Titel, eine einnehmende Stimme, verspielt schöne Gitarren-Harmonien, verfeinert durch den Einsatz der Mini-Gitarre Ukulele, darin aufberstende Energie-Schübe, hervorgerufen durch E-Gitarre, Piano und Drums zeichnen die Songs auf dem Debut von Ingrid Michaelson aus. Grundrezept ihrer musikalischen Qualität ist die Kombination von minimalistischer Pure und kunstvoller Detailverliebtheit, wie schon die schlichte, zugleich märchenhafte Covergestaltung andeutet. Wer sich auf die dahinter verborgene Songwriting-Kunst einlässt, wird schnell spüren: Hier hat jemand zu sich gefunden und braucht keine Umwege mehr. "The Way I Am" ist der Titel eines ihrer einprägsamsten Songs, der durch Handklatschen und entspannt galoppierende Percussion in den Ohren hängen bleibt. Beim Lauschen der kurzen, aber umso aussagekräftigeren Textzeilen entpuppt sich das musikalische Kleinod als Liebeserklärung an einen Menschen, dem es mühelos gelingt, die Partnerin so zu nehmen, wie sie ist. Ingrid setzt gerne auf prägnante Texte, die sich nicht in vielen Worten verlieren, sondern mit wenigen viel aussagen. "Ich mag es einfach, möglichst viel in wenige Worte zu packen." Ihre Stimme verbindet in einzigartiger Qualität zerbrechliche, zarte und kraftvolle Facetten miteinander, so dass diese Worte bestechend schöne Gestalten bekommen, die der Songwriterin bereits höchstes Lob von den einschlägigen Musik-Gazetten einbrachten. " … vibrant, calypso-soaked gem … with her sweet but mellow lounge-pop harmonies, she sounds like a Norah Jones for the argyle-sock set" schreibt der Rolling Stone.

Antike Fundstücke und Schauspielproben als Geburtshelfer eines neuen Sterns am Songwriting-Himmel

Inspiration der ersten Stunde für ihren späteren Stil waren die alten, schönen und würdevollen Dinge, die das Zuhause ihrer Kindheit schmückten. Antike Instrumente, Phonographen, alte Radios, Skulpturen, viktorianische Möbel, volle Bücherregale umgaben sie dort und auch heute noch fühlt sie sich darin pudelwohl. Ihr Vater und ihre Mutter sind beide selbst KünstlerInnen. Die Bildhauerin und der Komponist legten großen Wert darauf, das Talent ihrer Tochter zu fördern. Ingrid nahm das zumeist gerne an. "Ich hörte schon als Kind viel Musik, schaute alte Filme und Musicals" erzählt sie. Nur als sie im Alter von vier Jahren mit dem Klavierunterricht anfangen musste, hegte sie einen leichten Groll gegen die wohlmeinenden Eltern. "Ich hasste es! Aber ich durfte erst damit aufhören, als ich 15 Jahre alt war. Ich nahm weiter Gesangsunterricht und brachte mir selbst das Gitarrespielen bei."

Der späte Schritt in die Verweigerung führte zur Entscheidung für ein Theater-Studium und gegen die Musik. Nach dem Abschluss landete sie jedoch wieder am Klavier. Während einer Tour mit einer Kinder-Theatergruppe durch den mittleren Westen der USA ermöglichte das jeweils nächst gelegene verfügbare Tasteninstrument eine Auszeit von den Proben. Einer ihrer Schauspiel-Gefährten lauschte zufällig ihren dahin improvisierten Songs und ermutigte sie, sich verstärkt der Musik zuzuwenden. Sie komponierte intensiv, brachte ihre Songs bei Myspace zu Gehör. Und wie es im modernen Internet-Märchen geschrieben steht, entdeckte dort die Inhaberin einer Musik-Lizenz-Firma in Los Angeles, Lynn Grossman, ihre Kleinode, insbesondere den Song "Breakable" und vermittelte sie zu den Sound-Verantwortlichen der Erfolgs-TV-Serie "Grey´s Anatomy", die fünf ihrer Songs für die musikalische Untermalung verwendeten.
Auch der persönliche Erfolg ließ von da an keine Sekunde länger auf sich warten: Zeitweilig war ihr Name der meistgesuchte Begriff auf Google USA. Sie ließ sich nicht beirren, blieb sich treu und veröffentlichte ihr Debut auf dem Independent Label Cabin 24 Records.

Weiterhören: Ani DiFranco und Coconami

Ingrid Michelson im Netz: www.ingridmichaelson.com und auf Myspace

AVIVA-Tipp: Zart prickelnd, delikat bittersüß und dezent lametta-glitzernd erobern die Songs der kokett mit Understatement spielenden Newcomerin die Herzen. Auf der Bühne steht sie am liebsten bebrillt und im studentischen Jeans-Look und beweist so, wie eine große Wirkung allein durch eine sympathische Ausstrahlung und wunderschönes, oft akustisch dahergebrachtes Song-Material erzielt werden kann.

Ingrid Michaelson
Girls And Boys

Label: Vertigo, Universal, VÖ Dezember 2008



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Beitrag vom 15.12.2008

AVIVA-Redaktion