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Beitrag vom 02.07.2010
Little Annie and Paul Wallfish - Genderful
Claire Horst
Allein die Auflistung von MusikerInnen, mit denen sie zusammengearbeitet hat, zeigt: Das "Little" in Anne Bandez` Künstlernamen ist reine Bescheidenheit. Zu ihren Kollaborationen zählen unter ...
... anderem Aufnahmen mit der Avantgardegruppe Nurse With Wound, mit dem Gitarristen Kid Congo Powers (The Cramps, The Bad Seeds), der Industrialband Current 93, der Punkband Crass, den Elektronikern von Coil, und in jüngerer Zeit mit Antony Hegarty, Marc Almond und dem DJ Paul Oakenfold.
Bereits mit ihrer ersten Band, "Annie and the Asexuals", machte Annie sich in den Achtzigern keinen Geringeren als Frank Zappa zum Fan: "I watched them for an hour, painful as it was - their show was real personal and disorganized. This girl was wearing winter underwear with a black leather coat on top of that, and she had a paper bag with a bottle of vodka in it, and she was backed up by five guys who had just bought their instruments, apparently. She was screaming about thorazine and being in a mental hospital and it was real! You don`t get that commitment to just spewing your guts out among L.A. groups."
Dieselbe Hingabe und derselbe Hang zum Underground ist auch ihrem aktuellen Album anzuhören. Zwar hat das Allroundtalent Punk und Industrial inzwischen größtenteils hinter sich gelassen. Doch auch in den zurückgenommenen Songs, die vordergründig vom Klavier bestimmt werden, bleibt ihre Eigenheit bestehen. Von Gesang im eigentlichen Sinn kann kaum die Rede sein - eher sind es Rezitationen oder Predigten in Alt, zu denen ihr langjähriger musikalischer Partner Paul Wallfisch sie begleitet.. Als einzige Referenz kommt vielleicht Laurie Anderson in Frage, deren düstere Alben von "Big Science" bis "Bright Red" eine ähnlich beschwörende Wirkung entfalten.
Geübt hatte Little Annie sich als Chansonniere ganz eigener Art bereits für ihr letztes Album mit dem Pianisten und Komponisten Paul Wallfisch, "When Good Things Happen To Bad Pianos" (2008), das vor allem Coverversionen enthielt, etwa von Tina Turner, Frank Sinatra und Jaques Brel. Auf "Genderful" sind es neben Wallfischs Klavier vorsichtig eingesetzte Streicher, seltener auch Gitarren und ein zaghaftes Schlagzeug, die Little Annies Alt untermalen. Das Ergebnis ist ein atmosphärisches Album zwischen verrauchter Hotelbar, 20er-Jahre-Cabaret und New Yorker Underground.
Nur in wenigen Momenten verliert sich die Balance zwischen Pathos und Coolness und schlägt die Atmosphäre ins Kitschige über - etwa in "Suitcase Full Of Secrets", das von süßlichen Geigen dominiert wird. Beschwingt dagegen ist das ironische "Cutesy Bootsies", in dem Little Annie sich über neureiche Yuppiemädchen lustig macht. Am Stärksten ist sie jedoch in ruhigen Titeln wie "Billy Martin Requiem", einem Abgesang auf die Achtziger Jahre mit seiner Undergroundszene und zugleich ein Abschiedslied an die zahllosen Aidsopfer der Zeit.
AVIVA-Tipp: Little Annie ist eine Entdeckung. Allein dafür, dass sie immer noch da ist, verdient sie Anerkennung. Im Gegensatz zu anderen Überlebenden der Achtziger in New York hat sie sich immer wieder neu erfunden - und lässt die Selbstironie aus ihren Songs hervorsprühen. Mit ihrem Beitrag zur englischen und New Yorker Avantgardemusikszene ist es übrigens noch lange nicht getan. Annie ist außerdem bildende Künstlerin, hat drei Prosawerke geschrieben und in Theaterstücken und Filmen mitgespielt.
Little Annie im Netz:
www.myspace.com/littleannieakaannieanxietybandez
http://brainwashed.com/anxiety
Little Annie & Paul Wallfisch
Genderful
Southern Records
VÖ: 4. Juni 2010
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