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Beitrag vom 09.04.2010
Dobet Gnahoré - Djekpa la You
Claire Horst
Zum ersten Mal machte die junge ivorische Sängerin Dobet Gnahoré in Europa von sich reden, als sie auf dem 2006 veröffentlichten Album "World Divas" vertreten war. Neben internationalen Stars wie...
... Cheikha Remitti, Celia Cruz und Miriam Makeba bestand sie schon damals mühelos.
Ihr mittlerweile drittes Studioalbum bestätigt den Eindruck, dass hier eine Ausnahmeerscheinung auf ihre große Entdeckung wartet.
Ihre Auftritte müssen ein beeindruckendes Erlebnis sein. BesucherInnen berichten von Gnahorés grandiosen Tanzeinlagen und ihrer umwerfenden Präsenz. Die Power, mit der das Allroundtalent seine Konzerte bestreitet, ist auch auf dem Album nicht zu überhören. Ihre warme Stimme nutzt Gnahoré auf vielfältige Weise - nicht nur sprachlich, denn sie singt in mehreren afrikanischen Sprachen und auf Französisch, sondern auch auf der musikalischen Ebene.
Erinnert ein funkiger Titel an die besten Werke von Meisterinnen des Jazz wie Nina Simone oder Billie Holiday, folgt darauf eine besinnliche Ballade, Gesang nur von Gitarre begleitet. Durchweg männliche Backgroundsänger unterstützen den immer im Vordergrund stehenden Gesang Gnahorés ebenso wie zahlreiche PercussionistInnen. Dem Multitalent, das seine Songs und Texte selbst schreibt, gelingt scheinbar mühelos eine Verbindung komplexester Einflüsse. Traditionelle Chorgesänge, eine Stimme, die in ihrem sich überschlagenden Stakkato an Jodeln erinnert - sehr unterschiedlich und dennoch kein Widerspruch.
Kalebassen und Bongos setzt Gnahoré ebenso ein wie Balafon, Sanza und Gitarren. Das hervorstechende Element ist jedoch ihre soulige, weiche Stimme. Gefühlvolle Balladen singt sie ebenso überzeugend, wie sie hin und wieder einen Jodler in der Tradition der PygmäInnen einflechtet. Die Texte, die das Multitalent selbst schreibt, setzen sich mit Liebesbeziehungen auseinander, jedoch auch mit dem (Post)Kolonialismus, der Unterdrückung von Frauen und der Umweltzerstörung: "Life in the forest has disappeared/They have burned and destroyed everything/This forest, our heritage/Now finds itself in luxury lounges/They will make this a desert/This forest that purifies our air/We need it to live/It is the lungs of our planet" ("Kokpa")
Ihre musikalische Vielfalt erklärt sich aus der Biografie der Künstlerin. Geboren in der Elfenbeinküste, wuchs Dobet Gnahoré in eine musikalische Gemeinde hinein. Ihr Vater Boni Gnahoré ist ein bekannter Percussionist und musikalischer Leiter der Ki-Yi Mbock Company in Abidjan. Die Künstlerkolonie Ki-Yi Mbock wurde 1985 von der Kameruner Künstlerin und Schriftstellerin Werewere Liking mit dem Ziel gegründet, afrikanischen KünstlerInnen eine bestmögliche Förderung zu bieten. SängerInnen, SchauspielerInnen, MalerInnen, MarionettenspielerInnen und weitere KünstlerInnen arbeiten hier zusammen.
Schon als Kind lernte Gnahoré in Ki-Yi Mbock tanzen, singen und Percussioninstrumente spielen. Das Leben in der Gemeinde war eine harte Schule - schließlich waren unter ihren KritikerInnen einige der besten MusikerInnen des Kontinents. Der jungen Musikerin hat das nicht geschadet, im Gegenteil. Der größte Gewinn, den sie aus Ki-Yi Mbock zog, ist vielleicht das panafrikanische Element - denn ihre Einflüsse nimmt sie aus der gesamten afrikanischen Musiktradition.
Gnahorés Karriere als professionelle Künstlerin begann, als sie mit dem Gitarristen Colin Laroche aus Frankreich zusammentraf. Als Duo "Ano Neko" arbeitet das Paar seit 1999 zusammen. Aufgrund der politischen Instabilität der Elfenbeinküste leben sie inzwischen in Frankreich. Trotzdem bleibt Gnahoré ihrer Überzeugung treu, in afrikanischen Sprachen zu singen. Dazu gehören Bété, Fon, Baoule, Lingala, Malinke, Mina und Bambara.
Das Beharren auf den afrikanischen Sprachen ist auch ein politisches Statement in einem Kontinent, der noch immer von der Dominanz der Kolonialsprachen geprägt ist. Umso trauriger, dass der Pressetext wie gehabt mit exotisierenden Klischees arbeitet. Von "Dorfbewohnern" ist da die Rede, die "unter Dächern aus Bananen- und Palmendächern, meist aber unter freiem Himmel" "malten und tanzten". Dass Ki-Yi Mbock sich mitten in einer der größten Städte des Kontinents befindet, dass hier professionelle KünstlerInnen ausgebildet werden, tut dem Klischee anscheinend keinen Abbruch.
Im Februar 2010 wurde Dobet Gnahoré für ihren Song "Pearls", eine Koproduktion mit der US-Amerikanischen Musikerin India.Arie, mit dem "Grammy for Best Urban/Alternative Performance" ausgezeichnet.
AVIVA-Tipp: "Djekpa La You" ist ein nachdenkliches und neugierig machendes Album. Nicht nur an so genannter "World Music" Interessierte, sondern auch Fans von Soul und Jazz werden mit Gnahorés Musik bestimmt glücklich. Ein Geheimtipp!
Dobet Gnahoré im Netz:
www.dobetgnahore.com und www.myspace.com/dobetgnahore
Dobet Gnahoré
Djekpa La You
VÖ: 14. Mai 2010
Contrejour (im Vertrieb von Broken Silence)