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AVIVA-BERLIN.de im März 2024 - Beitrag vom 22.02.2010


Irina Karamarkovic Band - Songs from Kosovo
Kristina Tencic

Was bleibt, wenn man/frau die Heimat auf immer verlässt? In Irina Karamarkovics Fall ist es die von ihrer Mutter und ihrem Großvater überlieferte traditionelle Musik aus dem Kosovo, neu eingespielt.




Eine Frau setzt zu einem Wehklagen an: "Fremdes Land, gib mir meinen Mann zurück!" Das Land aber antwortet: "Ich kann nicht. In mir sind so viele begraben, dass ich deinen Mann nicht erkennen kann."

Dies ist nur eines der serbischen, albanischen und auch mazedonischen Liedzeilen aus dem Kosovo. Es sind alte und schwere Texte, die Irina Karamarkovic mit ihren Bandkollegen auf dem Album "Songs from Kosovo" hauchend zart und mit der Leichte von Jazzklängen zu neuem Leben erwecken. Es sind Geschichten von der Liebe, aber nicht von einer romantischen, vor Kitsch erfüllten Liebe, es ist die Liebe gepaart mit Schmerz und Verlust, von der nur noch eine Textzeile bleibt, gewidmet dem Liebsten, dem Bruder oder der Jugend, aber immer auch dem Land.

"These songs grew out of the strong need to tell the story. The story has many shapes and many colours and it is in a way the confirmation of the truth that we can easily lose what we don´t use. Some of them are terribly old and unbearably sad. There are not so many people left to make music out of them. I am living through them like a celebration of life in the graveyard and dedicating them to a world that stopped existing. It happened very spontaneously - one day I discovered to what I am connected the most, why and how - and used jazz as a language to communicate my message."

Irina Karamarkovic benutzt in dieser Erklärung die vielsagende Metapher der Feier des Lebens aus dem Grabe heraus und lässt damit anklingen, für was die melancholisch anmutenden Stücke stehen: Sie beschreiben eine Welt, wie es sie nicht mehr gibt, weder für die Sängerin, noch für ihre Familie, noch für ihr Volk. Das muss aber noch lange nicht heißen, dass man deswegen einer deprimierten Stimmung verfallen sollte, im Gegenteil. Mit der Neuaufnahme der von ihrer Mutter und ihrem Großvater vor dem Vergessen bewahrten Lieder, zusammen mit ihrem neuen Klang von Jazz und Karamarkovics spannungsreicher Stimme, zollt die Band dieser verlorenen Zeit leichtherzig und liebevoll Tribut. Die Lebensfreude erhält sich nicht trotz, sondern aufgrund der Ereignisse und erkundet in den Wehklagen der Texte all ihre Facetten.

Mit Musik und der Unausweichlichkeit der Politik in ihrer Heimatstadt Pristina kam Irina Karamarkovic schon sehr früh in Berührung. Das Multitalent ist eine Mitbegründerin einer NGO, die sich für die Vernetzung und den Austausch von Jugendlichen aus allen Gegenden des damaligen Jugoslawiens einsetzt. Sie nannten sich die "Post Pessimists". Bereits als Kind gewann Karamarkovic Preise auf Musik-, Literatur- und Theaterwettbewerben. Was sie erst im Nachhinein verstehen sollte, war, dass die Preise im Kosovo nach ethnischer Zugehörigkeit verteilt wurden um keine Unruhen aufkommen zu lassen. Bekanntlich halfen all diese Anstrengungen nicht, den Krieg zu verhindern. Als die Nato-Bomben Pristina trafen, befand sie sich in Graz, mitten in ihrem Jazz-Studium und kehrte seit 1998 auch nicht mehr in ihre Heimat zurück.

Ihre Leidenschaft für Jazz entwickelte sie durch Aufnahmen von Karin Krog und Dexter Gordon, die sie auf dem Schwarzmarkt in schlechter Qualität erwarb. Sie beschreibt in ihren Texten auf ihrer Webseite www.irinakaramarkovic.com immer wieder das Gefühl, das sie beim Hören von Jazz befiel. Diese Prägung hört man den Songs, die sie mit ihren professionellen Bandkollegen Stefan Heckel, Wolfram Derschmidt und Viktor Palic an nur zwei Tagen aufgenommen hat, definitiv an.

Irina Karamarkovic Band im Netz: www.myspace.com/irinakaramarkovic

AVIVA-Tipp: Die Irina Karamarkovic Band widmet die traditionellen kosovarischen Lieder in neuem Gewand allen, die ihre Identität verloren haben. Indes sind sie nicht politisch - obwohl die Sängerin wie erwähnt auch anders könnte - die "Songs from Kosovo" erzählen von der Schönheit und Kargheit der verlorenen Heimat, die in diesen Liedern zu ihrem Ursprung, weit weg von klischeebehafteten Balkan-Partys und Folklore-Trash zurückfindet. Würdevoll umhüllt sie die fast verloren gegangenen Melodien mit Jazz und entzieht ihnen bewusst die verblendende Exotik.

Irina Karamarkovic Band
Songs from Kosovo

Label: GLM Music GmbH, VÖ: 2009




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Beitrag vom 22.02.2010

Kristina Tencic