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Beitrag vom 25.08.2015
Boy - We Were Here
Clarissa Lempp
Vier Jahre nach dem ersten Album und der super-erfolgreichen Single "Little Numbers" sind sie zurück: Sonja Glass und Valeska Steiner aka Boy. Indie-Pop mit zeitgeistlichem Epos.
Mit ihrem Debüt "Mutual Friends" zogen Boy 2011 direkt in die Top Ten. Der gefällige Ohrwurm "Little Numbers" raste durch die Netzwerke und Medien. Er brachte YouTube-Klick-Rekorde, einen Werbedeal mit einem Luftfahrtunternehmen und eine goldene Schallplatte. Sonja Glass und Valeska Steiner zogen durch die Welt und brachten eingängige Melodien mit großem Erfolg. Trotz dem Raketenstart nahmen sich die Hamburgerin Glass und die Züricherin Steiner wohlverdiente Zeit um ihr zweites Album zu produzieren. Dieses Innehalten in der Schnelligkeit ist auch das Thema von "We Were Here". Die besonderen kleinen Momente und Erkenntnisse im Alltag verpacken Boy dabei in bunte Gewänder aus harmonischen Gitarrenriffs und anregendem Crescendo, der die Zuhörenden irgendwie immer in ein Gefühl der inneren Bewegung setzt.
Schon der Titelsong macht klar: "We Were Here" ist ein Album wie für einen Filmsoundtrack. Die große Indie-Pop-Geste mit gezupften Gitarren, organischem Schlagzeug und Echo-Hall sorgen mit Synthies und Gastinstrumenten für einen vielfältigen Klangfaden, der mal hymnenhaft ("We Were Here", "Hit My Heart") und dann wieder melancholisch ("New York", "Rivers Or Oceans") verknüpft wird. Große Überraschungen finden sich in diesen fein gewebten Mustern nicht, am Ende bleibt aber eine warme Decke mit dem Label "handgemachte Wohlfühlmusik". Das ist auch gleichzeitig Schwäche und Stärke des Albums. Alles klingt vertraut, bekannt und gut und dadurch eben auch etwas gleichförmig. Erfrischend wirken da die gut positionierten Ausflüge in andere Zeiten und Genres, wie mit dem 1980er angehauchtem "Fear", dem Duett "Flames" oder den Country-Anlehnungen in "Into The Wild".
Textlich werden Freundschaften, soziale Netzwerke und das große Staunen über die Intensität des Moments bearbeitet. We were here / we were here / we were really here beschwören Boy die Zeit im Refrain des Opener. In dessen ersten Zeile spiegelt sich aber auch gleich die verpasste Chance um die herrlich subversive Zusammenstellung eines Frauenduos namens Boy. We walked these streets like Kings, heißt es da und lässt die Frage offen, warum hier die männliche Form genutzt wird. Vielleicht ist das "we" gar nicht die Band Boy, sondern ein allgemeingültiges, das so nicht anstößt? Die großen Botschaften kann mensch vielleicht nicht von diesem Album erwarten, es bleiben aber zart poetische Eindrücke zurück. Wie aus der Friendcrush-Ballade "New York": And the truth is/ I was wrong when I said I was bored/ Any street that I´m walking on with you/ Anywhere with you could be New York.
AVIVA-Tipp: "We Were Here" ist feiner Indie-Pop mit großer Geste. Ein Album, das vielleicht nicht das Rad neu erfindet, aber solide für beschwingte Momente sorgt.
Boy
We Were Here
Label: Grönland/Rough Trade
VÖ: 21.08.2015
www.groenland-records.com
www.listentoboy.com
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