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AVIVA-BERLIN.de im April 2024 - Beitrag vom 22.10.2014


Marianne Faithfull - Give my Love to London
Christina Mohr

Mit ihrem neuen Album "Give My Love to London" begeht Marianne Faithfull gleich zwei runde Jubiläen: 50 Jahre im Popgeschäft und ihr 20. Album als Solokünstlerin. Feiern wir mit ihr!




Im Zusammenhang mit Marianne Faithfulls aktueller Platte "Give My Love to London" fiel ein Begriff bisher besonders häufig: Alterswerk. Klar, auf dieses Wort kann frau schon kommen angesichts der unfassbaren fünfzig Jahre, die die 1946 geborene Engländerin bereits als performing artist unterwegs ist. Aber eins sollte auch klar sein, wenn es um Faithfull geht: Eine gewisse Anzahl an Lebensjahren bedeutet keine Altersmilde, jedenfalls nicht bei dieser beeindruckenden Frau.

Für "Give My Love to London" haben sich jede Menge befreundete KünstlerInnen und WeggefährtInnen an Faithfulls Seite gesellt, Songs mit ihr und für sie geschrieben und zusammen aufgenommen: Nick Cave, Steve Earle, Brian Eno, Adrian Utley (Portishead), Warren Ellis und Jim Sclavunos von den Bad Seeds, Ed Harcourt, Tom McRae, Anna Calvi und Roger Waters, mit "The Price of Love" ist außerdem eine Coverversion eines Songs von Bryan Ferry zu hören. Die Texte sind überwiegend von Faithfull selbst.

Auch wenn die Gästeliste des aktuellen Albums lang ist und Faithfull als 17-jährige mit ihrer Version des Jagger/Richards-Songs "As Tears Go By" berühmt wurde – Marianne Faithfull ist keineswegs "nur" eine formbare Interpretin der Musik anderer Leute. Unverwechselbarere Stimmen als ihre gibt es kaum (Faithfull geht sehr locker damit um, dass ihr Gesang stets als "whiskygetränkt und verraucht" bezeichnet wird – schließlich sei es ja auch genau so). Ihre Lebensgeschichte, die künstlerische und erst recht die private, gäbe ein dramatisches Filmdrehbuch ab. Ihr Ruf als schönes Popstarliebchen mit aristokratischem Familienhintergrund in den 1960ern, zahlreiche Schicksalsschläge, langjährige Drogensucht und Obdachlosigkeit, ihr triumphales Comeback 1979 mit dem Album "Broken English" und ihre seither kontinuierlich weiterverfolgte Karriere als Brecht/Weill-Sängerin, Schauspielerin, Buchautorin (bislang veröffentlichte sie zwei Autobiographien – eine wäre tatsächlich auch zu wenig) und vor allem Popkünstlerin machen Marianne Faithfull zum bewundernswerten, faszinierenden und unkaputtbaren Star for all ages: Ein komplizierter Hüftbruch vor einigen Monaten hält sie nicht davon ab, die angekündigten Konzerte zu absolvieren – sie kommt mit Stock auf die Bühne und singt im Sessel.

Bequeme Sesselsongs sind die elf Stücke auf "Give My Love to London" indes nicht: Mit noch kratzigerer und eindringlicherer Stimme als sonst breitet Faithfull wahlweise furchterregende Szenarien aus wie z.B. im von Nick Cave geschriebenen "Late Victorian Holocaust", in dem es um drogensüchtige Babies in Londoner Waisenhäusern geht (und das sie dennoch als "eins der schönsten Lieder, die je geschrieben wurden" bezeichnet) oder wird in den politisch gefärbten Songs von Roger Waters ("Mother Wolf", "Sparrows Will Sing") so wütend, dass von Altersmilde nun wirklich keine Rede sein kann. Ihre Kollaboration mit Anna Calvi, "Falling Back" klingt dagegen geradezu harmonisch und wurde vollkommen zu Recht bereits zum Hit.

AVIVA-Tipp: Marianne Faithfull ist mit knapp 68 Jahren von umwerfender stimmlicher und persönlicher Präsenz – frei nach dem alten Spruch: was sie nicht umbringt, macht sie nicht härter, sondern immer besser.

Marianne Faithfull im Netz:

www.mariannefaithfull.org.uk und www.mariannefaithfullofficial.tumblr.com

Marianne Faithfull
Give my Love to London

CD, 11 Tracks
Label: naïve/Indigo. VÖ Oktober 2014

Weiterhören auf AVIVA-Berlin:

Marianne Faithfull - Horses and High Heels

Marianne Faithfull – Before Poison

Marianne Faithfull – Kissin Time

Anna Calvi - Anna Calvi

Weiterlesen auf AVIVA-Berlin:

Marianne Faithfull – Memories

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Beitrag vom 22.10.2014

Christina Mohr