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Beitrag vom 29.11.2012
Chloe Charles - Break The Balance
Lisa Erdmann
Ihre Songs passen in keine Schublade. Zwischen Artpop und klassischen Gitarrenarrangements beweist die Kanadierin mit ihrem neuen Album, wie vielfältig ihr musikalisches Spektrum klingt ...
... und entführt die Hörerin in ihre ganz eigene kleine Welt.
Die Menschenmassen, die sich zwischen Stuhlreihen, an Wänden, vor den Fenstern bis in den Vorraum zusammendrängen, hüllen den hinteren Raum der "Ä Programmwirtschaft" in Berlin Neukölln mit viel Gemurmel in die Atmosphäre einer WG-Party. Das Surren des Bienenschwarmes verstummt jedoch abrupt, als eine zarte und überaus schöne Frau, Songwriterin Chloe Charles, die kleine Bühne betritt. Erwartungsvolles Schweigen füllt den Raum und die Kanadierin eröffnet ihr Programm mit einer kleinen persönlichen Geschichte über ihre musikalische Karriere. Auch im weiteren Verlauf des Abends schmückt sie die Übergänge ihrer Songs mit Erzählungen, die der Hörerin das Gefühl geben, nicht einfach nur Gästin, sondern eine enge Vertraute der Sängerin zu sein.
Dass Chloe Charles etwas ganz besonderes ist, bewies sie jedoch nicht nur an diesem Konzertabend und auf ihrem aktuellen Album "Break The Balance". Ihre Mutter ist Kanadierin, der Vater kommt aus Trinidad. Diese gegensätzlichen Wurzeln sind für Chloe Charles genauso prägend wie ihre Kindheit. Aufgewachsen in "the middle of nowhere" auf einem waldigen Seegrundstück unweit Torontos, umgeben von zahlreichen Fröschen und Kröten, glich ihre Jugend ein wenig einem Leben im Zauberwald. Ihr Großvater hatte das Grundstück vor Jahren erworben und mit Bäumen und Skulpturen bepflanzt. "Es war idyllisch. Als Kind saß ich oft an dem kleinen Weiher im Wald und dachte mir Melodien zu dem Gesang der Frösche aus." erzählt die heute 27-Jährige. Aus dieser Erinnerung entstand schließlich der Album-Titel "God Is A Toad".
Der Longplayer "Break The Balance" enthält zwischen Soul, Folk und klassischen Elementen eine Vielzahl solcher Geschichtenlieder. Chloes musikalische Einflüsse reichen dabei von Amy Winehouse, Feist und Björk, bis hin zu Cat Power, Etta James, Nina Simone und Joanna Newsom. Die ehemalige Psychologiestudentin nahm zwar schon in 2005 ihr Debutalbum "Can You Hear Me" auf, ihren ganz eigenen Weg fand sie jedoch erst in 2007, als sie sich autodidaktisch das Gitarrespielen beibrachte. Diese Persönlichkeitsentwicklung ist auch auf den Low-Fi-Alben "Souvenir" und "A Quest For Imperfection" zu hören.
Ihr kindlicher Hang zur Mystik ist Chloe Charles bis heute erhalten geblieben und bildet auch aktuell, neben dem schnörkellosen Klang der Akustikgitarre, das zweite wiederkehrende Element auf "Break The Balance". Die Kanadierin wandelt zwischen den Stilen, besingt ganz ambivalent mal Erlebnisse in Form eines schauderhaften Grimm-Märchens, wie bei dem Titel "Amulet", mal ganz private Geschichten, wie bei dem Song "Captive", in dem die Sängerin von ihrer Großmutter und deren Angst, vergessen zu werden, erzählt. Es ist dabei immer auch Chloes Intensität, mit der sie Kunst und Emotionen vereint und die ihr Album zu einem absoluten Hörerlebnis macht. Die Musikerin kommt dabei ganz wunderbar ohne jegliche Affektiertheit und imitierten Kitsch aus – einzig ihr warmes, vibrierendes und zuweilen unangepasstes Timbre, ihre mal schwungvoll gezupfte, mal zart gestreichelte Gitarre, ab und zu ein paar Streicher oder ein leicht rebellischer Bass reichen aus, um der Hörerin ihre farbenreichen, geheimnisvollen und erstaunlichen Klangwelten präsentieren zu können.
Chloe Charles im Netz: www.chloecharles.wordpress.com
AVIVA-Tipp: Die innere Balance hat Cloe Charles anscheinend gefunden – umso besser, dass sie dennoch immer wieder versucht, aus diesem Gleichgewicht auszubrechen und sich neu zu entdecken. Das Schönste daran ist jedoch, dass frau diese ambivalenten Melodien nun auch Zuhause, unterwegs, alleine oder mit FreundInnen immer wieder hören kann.
Chloe Charles
Break The Balance
Label: Make My Day, VÖ: November 2012
Weiterhören auf AVIVA-Berlin:
Björk - Biophilia
Joanna Newsom – Ys
Feist - Metals
Aura Dione - Before The Dinosaurs