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Beitrag vom 26.03.2008
The Indelicates, American Demo
Tatjana Zilg
Ihre zynischen Textzeilen lassen aufhorchen. Da werden Botschaften an die Ikonen der jüngeren Indie-Geschichte Pete Doherty und Jeff Buckley versandt, trendiger Lifestyle-Wahn kritisch betrachtet...
... und doch kommen Spaß, Tempo, turbulente Hooklines und mitreißende Rhythmen in keiner Minute zu kurz.
Messerscharf stechen Julia und Simon Indelicate, die beiden Köpfe der britischen Band, mit ihren Songtexten in das manchmal inhaltsleere Gebaren moderner Popkultur und die Begleiterscheinungen der gegenwärtigen Zeitgeschichte. Da erstaunt es nicht, wenn man erfährt, dass die Beiden sich bei einem Poetry Slam kennen gelernt haben. Wenig später fiel die Entscheidung, sich unter dem Surnamen Indelicate zusammenzuschließen. Simon hatte zu diesem Zeitpunkt schon einige Vorerfahrung mit der verbalen Schlag-Kunst. In der Szene war er bereits als Theaterdichter und Autor bekannt. Er trat auf dem Glastonbury Festival und im Hastings Castle auf und schrieb "The Book Of Job: The Musical". Julia war dagegen eher ein Neuling in der Poetry Slam Szene. Sie beschäftigte sich vornehmlich mit der Jagd nach visuellen Eindrücken: Ihr zweites Standbein ist die Dokumentarfotografie. Für diese Arbeit hat sie auch eine eigene Website. Die Links, die The Indelicates auf ihrer Band-Website anbieten, sind ohnehin sehr beeindruckend und laden ein zu einem virtuellen Trip durch die vielseitigen Talente der Band-Mitglieder.
Es überrascht ein wenig, dass die erste Single "We Hate The Kids" unter dem Dach des norwegischen Labels Sad Gnome veröffentlicht wurde. Um niemand zu lange auf Nachschub warten zu lassen, boten sie ihre Songs zum Download an. Über 12.000 mal wurden "Waiting For Pete Doherty To Die", "Vladimir"und "We Hate The Kids" von The Indelicates infizierten Musikfans aus dem Netz gezogen. Ihr größter Fan ist Eddie Argos von Art Brut, der sie derzeit für die beste Band des Landes hält. 2007 nahm er sie als Support mit auf Deutschland-Tournee, so dass die Fünf, die ursprünglich aus der Küstenstadt Brighton kommen, sich auch hierzulande erstes Gehör für ihr raffiniertes Pop-Sound-Theater verschaffen konnten. Dass Julia in vergangenen Tagen das vierte Mitglied der Sixties-Retro-Band The Pipettes war, fiel da niemanden mehr besonders auf und sie selbst möchte das auch nicht mehr groß thematisieren. Alastair Clayton, Kate Newberry und Ed van Beinum ergänzten die beiden Front-Persönlichkeiten mit zweiter Gitarre, dem Bass und am Schlagzeug. Sie wurden zur festen Besetzung von The Indelicates.
Als gebührendes Intro für ihr Debut wählten The Indelicates ungewohnte Töne: Barock orchestral erklingt "New Art For The People (Theme)". Im Kontrast zur vornehmen, streng wirkenden Klassik wirkt intelligenter Pop immer umso stärker. Perfekter Einstieg in die wahre Indelicates-Welt ist der treibende Pop-Beat und die markanten Vocals vom zweiten Song "Last Significant To Be Made In Rock N Roll". Gerne lauscht man der Hommage an die Rock N Roll – Attitüde und übt sich im Mitsingen des einprägsamen Refrains. Weiter geht´s mit dem per Hand Clapping unterstützten Rhythmus von "Our Daughters Will Never Be Free", der zugleich Elektro-Stilmittel nutzt und nach den ersten Takten fast B52´s-alike nach vorne explodiert. In "Sixteen" zeigt Julia, was sie gesanglich alles drauf hat und zeichnet eine bittersüße Momentaufnahme des Lebensgefühls, das gerne Teenagern kurz vor der Volljährigkeit zugeschrieben wird. Auch in "Stars" glänzt Julia mit Solo-Vocals, die sich zwischen mädchenhaft pur und selbstbewusst frech bewegen. Eine der flottesten, stimmungsmachenden Nummern ist "Julia, We Don´t Live In The 60s", das einen fröhlich-ironischen Blick auf die Ingredienzien des gegenwärtigen Lifestyle wirft.
In der aktuellen Singleauskoppelung "America" zeigt sich besonders die hohe Qualität der Wechselgesänge von Julia und Simon, unterlegt von einem losrockenden Beat, der sicher auch die Dancefloors in Rage versetzen wird.
AVIVA-Tipp: Nach The White Stripes und The Kills sorgen die Lead-Indelicates als weiteres KünstlerInnen-Duo für Aufregung auf den Bühnen in den USA und Europa. Hohe Spannung zwischen den Stimmen, perfekte Ergänzung und prickelnde Gegensätze enthält das Debut in geballter Ladung. Gerne hört man auch ihren Texten ganz genau zu: Die Spitzfindigkeiten, wie sie eigentlich nur BritInnen aus ihrer Feder fließen lassen können, möchte man bis ins kleinste Detail hinein auskosten.
The Indelicates
American Demo
Label: Weekender Records, VÖ 28.03.2008
Die Website der Band:
www.indelicates.com
Julia als Dokumentarfotografin:
www.jclphotography.co.uk