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Beitrag vom 14.11.2007
Persephone – Letters To A Stranger
Tatjana Zilg
Hohe Ziele setzen sich Sonja Kraushofer (zuvor L´ame Immortelle) und Martin Hoefert mit dem Bandprojekt, das sie im Sommer 2000 ins Leben riefen. Benannt nach der griechischen Göttin,...
... die den Sommer in der Oberwelt verbringt, den Winter in der Unterwelt, ergründen die beiden MusikerInnen die Wechselfälle von den Höhen und den Tiefen, durch die einen das tägliche Gefühlslabyrinth wirbeln kann.
Vier Alben haben sie bisher nach ihrem Konzept, das sie der Tochter von Demeter und Zeus widmen, kreiert. Das Debut "Home" weckte mit seinen sehnsuchtsvollen Klängen Geborgenheitsgefühle und zugleich Melancholie. Da Sonja Kraushofer zudem gern bei den Konzerten stilvolle, am Mittelalter angelehnte Bühnenkleider trägt, fühlte sich die dunkle Schar, die jedes Jahr zum Wave Gothic Treffen fährt, bald besonders angezogen von Persephone, die dort auch regelmäßig im Line-Up zu finden sind. Aber auch die Orte, wo sie sonst ihren sphärischen Sound zum Live-Erlebnis werden lassen, sind außergewöhnlich: Burgen, Schlösser und andere Gemäuer wählen sie für ihre Tourneen aus, an denen sie meist nur ein Konzert pro Monat spielen. Ein besonderer Draht entstand zum Schloss Wernigerode.
Der Wunsch reifte in ihnen, die malerische Kulisse der mittelalterlichen Adelwohnstätte zur Geburtsstätte ihres vierten Album "Letters To A Stranger" zu machen. Dem zuvor stand der Prozess der Ideenfindung. Als die ersten Songs auf einem Demo eingespielt waren, beschlossen Sonja und Martin beim Anhören, dass diese Kompositionen in einen orchestralen Rahmen eingebunden werden sollten. Der Museumsdirektor vom Schloss Wenigerode war so angetan von dieser Idee, dass er ihnen den Kontakt zum Philharmonischen Kammer-Orchester von Wernigerode vermittelte.
Generell bevorzugen Sonja und Martin die Arbeit mit GastmusikerInnen und die Vertonung mit echten Instrumenten gegenüber elektronischen Möglichkeiten. Allein dadurch zeigt sich, dass sie nicht zu sehr in Verbindung mit den Gothic Bands zu bringen sind, mit denen sie beim WGT die Bühne teilen. Auf ihrer Myspace-Seite haben sie als Einflüsse Bjork, Tindersticks und Nick Cave genannt. Wer wissen möchte, wie eine Melange aus diesen drei recht unterschiedlichen, aber genialen KünstlerInnen klingen könnte, wird möglicherweise mit "Letters To A Stranger" eine Antwort finden. Narrative Texte, wundervoll eingesungen mit bitterzarter, feminin hoher, hin und wieder leicht ins arienhafte gehender Stimme, oft eindringlich flüsternd, auch mal ein Seufzen wagend, verschmelzen mit facettenreich schillerndern Soundstrukturen, die zwischen Melancholie und sanfter Heiterkeit hin- und hertänzeln.
Ein Glanzstück des Konzeptalbums ist "Mean". Tragisch und weitschweifend ist die Partitur angelegt, die mit den Motiven des Argentischen Tango spielt. Feurig zeigt sich hier der Gesang von Sonja, die beweist, wieviel Kraft in ihrer Stimme steckt.
Leidenschaft, Verführung und Sehnsüchte werden in jedem der Songs auf andere Art und Weise eingefangen, aber immer sehr intensiv und durch den aufwändigen Vertonung-Prozess ausgesprochen nuancenreich umgesetzt. Zuerst wurden die Partituren vom Philharmonischen Orchester in Wernigerode eingespielt, dann im Woodbine St. Recording Studios in England mit weiteren Cello-, Fender Rhodes Keyboard- und Grandpiano-Klängen ergänzt und von John A. Rivers´ (Dead Can Dance, Ocean Color Scene) abgemischt. Erst ganz am Schluss wurde der Gesang aufgenommen und als Creme de la Creme mit den Songs verflochten.
AVIVA-Tipp: Der Fremde, an dem die auditiven Briefe gerichtet sind, hat allen Grund zur Freude und sollte sein Herz von den wunderschönen Klängen und eindringlichen Gesängen erweichen lassen, allen Wünschen und Begehren, die von ihm verlangt werden, nachzugeben.
Persephone bereichern ihr musikalisches Gesamtkunstwerk zudem mit einer außergewöhnlichen Verpackung: In einer malerisch schön gestalteten Paperbox findet sich jeder der 11 Songtexte separat auf einem Blatt, das mit filigraner Schrift und dezenter Farbgebung an ein mittelalterliches Pergament erinnert. Nur etwas schade, dass die Texte aufgrund der Schriftstruktur alles andere als leicht lesbar sind. Die Songs wirken teils wie kleine Hörspiele, so dass die Neugier groß ist, mehr über den lyrischen Inhalt zu erfahren.
Persephone
Letters To A Stranger
Label: Curzweyhl, Rough Trade, VÖ November 2007
Die Band im Web: www.persephone-home.de