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AVIVA-BERLIN.de im März 2024 - Beitrag vom 23.10.2007


Scout Niblett – This Fool Can Die Now
Tatjana Zilg

Wer einen Songtitel wie "Dinosaur Egg" ersinnt, muss es einfach faustdick hinter den Ohren haben. Die Britin, die schon mit PJ Harvey und Cat Power verglichen wurde und bei Auftritten oft allein...




... auf der Bühne steht, holte sich für einige der Songs auf ihrem vierten Album erlesene maskuline gesangliche Verstärkung an ihre Seite.

Holly Golightly, eine der beliebtesten Solokünstlerinnen der Indie-Szene, machte es im Frühjahr vor. Zusammen mit Lawyer Dave, einem der wichtigsten Köpfe des Nu-Country-Genre, spielte sie "You Can´t Buy A Gun When You´re Crying" ein, das lässige Western-Rhythmen und feminines Allround-Talent auf gekonnte Art vereinte.

Scout Niblett ging nicht ganz diesen Schritt, obwohl sie es getrost hätte wagen können. Seit 2001 nimmt sie mit ihrem außergewöhnlichen Songwriting- und Performance-Stil die Indie-Fans im Domino-Effekt für sich ein. Auf 10 der Songs von "This Fool Can Die Now" können die HörerInnen ihrer kristallinen, eindringlich zarten, immer unglaublich fesselnden Stimme ohne maskulinen Duett-Gesang lauschen.
Umso stärker wird auf den verbleibenden vier Songs deutlich, wie perfekt diese beiden Stimmen zueinander passen. Das Wechselspiel aus Kontrast und Harmonie lässt keine Wünsche offen: Leidenschaftlich, verträumt und sehnsuchtsvoll begegnen sich die Indie-Fee und der Alternative Country Insider Will Oldham, der auch als Bonnie "Prince" Billy bekannt ist, in "River Of No Return", "Do You Want To Be Buried With My People", "Kiss" und "Comfort You".
Dass sie es mühelos schafft, ihr Publikum auch im völligen Alleingang zu begeistern, glaubt man sofort, wenn die E-Gitarren-Soli und der fast ins melodiöse Schreien übergehende Gesang von "Nevada" das tonale Feld erobern. Ihre Gigs, bei denen sie ihre Stimme wirken ließ, minimalistisch nur von E-Gitarre oder Schlagzeug begleitet, sind längst zur Legende geworden.

Wie meisterhaft sie es versteht, die surrealen Lyrics um die Schlagzeug-Beats zu schlängeln und dabei ohne weitere Instrumentierung auszukommen, beweist sie in "Moon Lake". Das märchenhaft anmutende "Dinosaur Egg" schickte sie bereits im Frühjahr 2007 als Singleauskoppelung auf den Weg zur gespannt auf ihren nächsten Coup wartenden Fangemeinde.

Spürt man dieser im Grundtenor oft leisen, und dadurch umso intensiveren und kräftigen Musik nach, spuken fast automatisch Wörter wie geisterhaft, gruselig, schaurig durch den Kopf. Doch dem hat die clevere Künstlerin vorgebeugt. Auf ihrer Website fragt sie im Blog ironisch, welche Uniform aus dem Term "Spooka Music", der offensichtlich seit einiger Zeit umgeht, geschneidert werden soll. Ohne Frage ist ihre Musik in der Tat viel mehr, als mit irgendwelchen In-Begriffen erfasst werden könnte.

2001 macht sie zum ersten Mal in der Musik-Szene von sich reden, als sie ihr Debut "Sweet Heart Fever" veröffentlicht. Die Reduzierung auf Schlagzeug- oder E-Gitarren-Begleitung, der nervkitzelnde, auf bizarre Weise für sich einnehmende Gesang, teils scharf an der Grenze zum Lamentieren, lässt von Anfang an aufhorchen. Da sie es auch versteht, ihre außergewöhnliche Musik live authentisch zu präsentieren, gräbt sich ihr Name bald ins kollektive Musikgedächtnis ein. 2003 spielt sie mit Steve Albini als Produzenten "I Am" ein, 2005 folgt "Kidnapped By Neptune".

AVIVA-Tipp: Gesang wie vom tiefen Grund eines nie versiegenden Brunnens, Gänsehaut fabrizierend, mal sanft dahinschwebend, dann wieder dramatisch und eindringlich. Und mit Will Oldham fand Scout Niblett für ihr musikalisches Energiefeld die perfekte Yin und Yang Ergänzung, aus der einige ganz besonders schöne Songs entstanden.


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Beitrag vom 23.10.2007

AVIVA-Redaktion