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Beitrag vom 13.10.2007
Annie Lennox – Songs Of Mass Destruction
Tatjana Zilg
Sehr nachdenklichen Themen widmet sich die Lady mit dem markanten Kurzhaarschnitt auf dem 4. Soloalbum. Für den Protestsong "Sing" bat sie einen All-Female-Worldstar-Chor (u.a. Madonna) ins Studio.
Keiner steht der blonde Kurzhaarschnitt so vorzüglich wie der ehemaligen weiblichen Hälfte von den Eurythmics. Mit Songs wie "Sweet Dreams" und "Sex Crime" eroberte sich das Duo einen Platz für die Ewigkeit im kollektiven Musik-Langzeitgedächtnis der westlichen Hemisphäre.
Sehr eng war die Bindung zwischen den beiden Synthi-Rhythmic-SpezialistInnen. 1981, als sie das Duo, das ihnen zum Welterfolg verhelfen sollte, ins Leben riefen, waren Annie Lennox und Dave Stewart auch privat ein Paar. Zuvor hatten sie in Bands wie "The Catch" und "The Tourists" gespielt und gesungen. Wie sooft kam das Debutalbum "In The Garden", bei dem Indie-Heroen wie "Can", "DAF" und "Blondie" mitmischten, bei der Musikkritik bestens an, der kommerzielle Erfolg blieb jedoch aus. Anders lief es 1983 mit dem zweiten Album, das den bis heute unvergessenen Titel "Sweet Dreams (Are Made Of This)" trug. Schnell kletterte es in den Charts höher und höher. Der surrealistische Videoclip war wegweisend für die Ästhetik der visuellen Inszenierung von Popmusik.
Die Suche nach den Träumen in einer Welt, die sich deren Erfüllung stets entgegenzustellen scheint, bewegt Annie Lennox auch 25 Jahre später. Der Albumtitel deutet es bereits an: Ernste Themen stehen hinter dem glamourösen, pop-orchestralen Sound. Als Las-Vegas-Magierin präsentiert sich die Komponistin und Texteschreiberin auf dem Cover, im Hintergrund könnte - von Explosions-Rauchschleiern verborgen - ein Schlachtfeld vermutet werden. Eine Frau, die nicht wegschaut von den unangenehmen Seiten, die das Zeitalter der Globalisierung kennzeichnen, ist Annie Lennox mit Sicherheit. Auf dem Album, das sie selbst als von femininer Reife durchdrungen beschreibt, setzt sie sich auseinander mit all dem, was ihr Tag für Tag auffällt und sie als zukunftszerstörend wahrnimmt.
"Wenn ich mich umschaue, dann sehe ich eine Welt, in der Wahnsinn herrscht, eine Welt voller Gewalt und Aggression, Misskommunikation und Grausamkeit" erklärt Annie. "Als Frau und Mutter ist es eine erschütternde Aussicht, damit klar kommen zu müssen. Und dann gibt es diese ganzen Dinge in mir, in allen von uns: Unerwiderte Liebe, der Mangel an Frieden, das Chaos von Gedanken und Erinnerungen. Diese Songs sind meine Methode, diese Gefühle zu kanalisieren und den Schmerz loszuwerden. Ich möchte, dass die Menschen sich davon angesprochen fühlen. Ich möchte, dass sie spüren: ´Oh mein Gott, sie singt über MEIN Leben.´ Mein Blut und meine Knochen stecken in dieser Musik. Ich habe absolut alles gegeben, was ich zu bieten habe."
Die erste Singleauskoppelung "Dark Road" greift die Suche nach einem authentischen Weg in diesem schwierigen Umfeld auf und spiegelt mit einer zarten Pianomelodie all die Melancholie, Sehnsucht und leise Hoffnung, die eine solche tiefe Nachdenklichkeit begleiten. Dennoch ist der Song von einer stark optimistischen Komponente geprägt, die von dem ergreifenden Wechsel zwischen den sanften, eindringlichen Strophen und den stürmischen Refrains mit charismatischen Background-Vocals initiiert wird.
Schon mit dem zweiten Song "Love Is Blind" werden die Beats wesentlich schneller, der Gesang dynamisch und kraftvoll wie zu Eurythmics-Zeiten. Noch mehr Tempo legt die Dame mit der einzigartig klaren, genau an der richtigen Stelle leicht ins arienhafte gehenden Stimme in "Ghost In My Machine" vor. Der hochgradig temperamentvolle Song beschreibt mit seinen wirbelnden Wortkaskaden das Labyrinth der Emotionen, durch die das Individuum im Laufe eines Lebens geschleudert wird. Das fröhlich-beschwingte "Womankind" dagegen ist eine Hymne an das Potential, das in jeder Liebesbeziehung liegt, aber immer wieder so furchtbar schwer zu realisieren ist.
Einem brisanten sozialpolitischen Thema widmet sich Annie Lennox in der Tradition des Eurythmics-Klassikers "Sisters (Are Doin´ It For Themselves)" mit "Sing", das auf einem Song der TAC-Aktivisten-Gruppe "The Generics" zum Thema HIV/Aids basiert. Sie setzte ihren hohen Bekanntheitsgrad dazu ein, um den Song auf eine ganz besondere Art und Weise aufzunehmen: Annie Lennox gewann eine unglaublich hohe Zahl von weltberühmten Kolleginnen, um die Adaption gemeinsam mit ihr einzusingen. So erklingen nun die Stimmen von Madonna, Joss Stone, Celine Dion, Angelique Kidjo, Shakira, Melissa Etheridge, Sarah McLachlan, Fergie, P!nk, Sugababes, Martha Wainwright, Isobel Campbell, Beth Gibbons und vielen mehr und fordern die Durchführung eines nationalen Programms ein, dass die HIV-Übertragung von Müttern auf ihre Babys verhindern soll.
AVIVA-Tipp: Ein kontrastreiches Album, das gleichzeitig sehr organisch ist. Popmusik für Erwachsene, die vor ernsten Themen nicht zurückschrecken und sich dennoch von erstklassigen Melodien und einprägsamem, samtigem bis rauem, zartem bis energiereichem Gesang verwöhnen lassen wollen.
Annie Lennox
Songs Of Mass Destruction
Label: Sony, VÖ September 2007
Die Sängerin im Web: www.annielennox.de/