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Beitrag vom 10.11.2002
Was ich mache, mache ich mit Leidenschaft
Angela Misslbeck
Die Musikerin, Managerin und Moderatorin Gudrun Gut im Gespräch mit AVIVA-Berlin
Gudrun Gut liebt das Wasser
Hoch konzentriert steht die zarte Frau mit nach vorn gebeugtem Kopf hinter allerlei technischen Gerätschaften. Die langen braunen Haare fallen ihr über die Schultern, die großen Augen und ihre flinken Hände sind auf die zahllosen Knöpfe an Sampler und Sequencer fixiert.
"Als Freunde einen Computer hatten, habe ich auch angefangen mit Elektronik. Zuerst mit einem Sequencer, dann kam der Computer, der Sampler, und dann geht das so seinen technischen Weg."
So erlebt man Gudrun Gut heute nur noch selten, mit etwas Glück jedoch bei einer der monatlichen Nächte des Ocean Club im Berliner Szeneclub WMF.
Ihre sanfte, dunkle Stimme badet die Hörer des Potsdamer Senders Radio Eins wöchentlich, wenn Gut die Radiosendung des Ocean Club mit viel obskurer, nicht nur elektronischer Musik moderiert. Seit 1993 gibt es den Ocean Club, in dem die Musikerin eine Möglichkeit sieht, ohne enges Bandkonzept dennoch gemeinsam Musik zu machen.
Sie liebt die Freiheit und schätzt deshalb die Möglichkeiten der Elektronik: "Das ist eine eigenständige Art, wie man Musik komponieren kann. Da ist eine viel größere Unabhängigkeit."
Unabhängig mit Elektronik - da liegt es nahe, dass Gut den Musikstil ihres Musikverlags Monika Enterprise als "Indietronics" bezeichnet. Mit dem Label, das nach ihrem Goldfisch benannt ist, schwamm sie anfangs gegen den Strom: "Es war schwer, weil am Anfang keiner daran glauben wollte. Alle wunderten sich, dass die Musik so ruhig und zart ist", erinnert sich die Produzentin, "aber inzwischen glaube ich: Monika gibt"s auf der ganzen Welt. Das Bedürfnis nach so einem Stil scheint langsam überall zu sein."
Gudrun Gut hat meist in Girlsbands gespielt: "Ich finde es angenehmer, denn es gibt weniger Machtkämpfe als mit Jungs. Im Büro ist es mir egal. Aber Musikmachen ist eine intime Sache, die mir natürlicher vorkommt ohne die Profilierungsängste der jungen Männer." Malaria!-Kollegin Bettina Köster wollte lieber unter Frauen bleiben, "weil die Männer, mit denen wir spielten, die äußerst männliche Angewohnheit hatten, ihre Verstärker so laut zu stellen, dass ich mein Instrument gar nicht hören konnte."
Laute versus leise Töne - Männer gegen Frauen? Auch Gudrun Gut hat mal auf die Metalltrommel geklopft, in den ersten Jahren der Einstürzenden Neubauten. Heute bevorzugt sie eher die zarten Klänge und fördert mit ihrem Label Monika Enterprise elektronische Musikprojekte, an denen mindestens eine Frau beteiligt ist: "Das gesamte Musikbusiness ist ja schon sehr männerdominiert. Frauenverbände fehlen da eigentlich."
Ein reiner Frauenverband ist das Monika-Label auch nicht, aber die Musik, die dort verlegt wird, trägt doch sehr weibliche Züge: "Ich finde es aufregender, wenn jemand Mut zur Schönheit in Harmonien hat, als jetzt nochmal auf die Metalltrommel zu klopfen. Das langweilt mich eher, und ich möchte mich selbst auch nicht langweilen." Die Labelchefin will sich unterhalten wissen und wünscht sich Originalität und Ursprünglichkeit, von der sie selbst überrascht werden kann.
Die großen Top-Ten-Erfolge blieben den Monika-Musikern bisher versagt. Dafür freute sich Gudrun Gut im Frühjahr dieses Jahres über den erneuten Erfolg des Hits ihrer Mädchenband Malaria!. Der deutsche New-Wave-Klassiker "Kaltes klares Wasser" schwamm auf der Bugwelle des Achtziger-Jahre-Revivals als Remix der drei Girls von "Chicks on Speed" in die Charts, die Gudrun Gut bei einem Ocean Club Gastspiel in München dafür gewonnen hat.
Ocean Club, "Kaltes klares Wasser" und ein namengebender Goldfisch - die Macherin scheint eine Affinität zum Wasser zu haben: "Das war keine bewusste Entscheidung. Aber ich hatte mal ein Horoskop, wo es hieß, ich solle mich am Wasser orientieren. Das würde mir gut tun, da ich Stier bin." Und was macht die vielseitig engagierte Frau am liebsten: Musik, Moderation oder Management? "Eine schöne, gepflegte Badewanne macht mir am meisten Spaß. Alle anderen Sachen, die ich mache, stehen nicht in Konkurrenz zueinander. Was ich mache, mache ich schon mit Leidenschaft."