AVIVA-Berlin >
Literatur > Sachbuch
AVIVA-BERLIN.de im November 2024 -
Beitrag vom 08.05.2023
Arbeiten zwischen Medien und Künsten. Feministische Perspektiven auf die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts. Herausgegeben von Friederike Oberkrome und Lotte Schüßler
Tara Mortazavi
In dem im Februar 2023 im Neofelis Verlag erschienenen Sammelband werfen Autor*innen aus verschiedenen Disziplinen ein Licht auf bedeutende, aber kaum bekannte Frauen aus den Medien und Künsten zu Beginn des 20. Jahrhunderts.
"Arbeiten zwischen Medien und Künsten" stellt Perspektiven über das Arbeiten und Porträts von Frauen aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts vor. 15 Autor*innen widmen sich in 12 Beiträgen Fragen rund um die Rolle, die Arbeitsgestaltung und die Wirkung von Frauen in Medien- und Kunstberufen. Dabei werden die Arbeitsfelder unterteilt in Zirkus und Varieté, Film, Theater und Fotografie, Musikproduktion, Frauen in Telefonzentralen und Archivarbeit und Schreiben, Verlagsarbeit und Biografieren.
Was bedeutet ´Arbeiten´?
Der Sammelband beleuchtet Akteurinnen in der deutschsprachigen Medien- und Kulturlandschaft dieser Epoche. Dabei wird der Blick vermehrt auf jene Arbeitsfelder gelenkt, die sich an der Schnittstelle zwischen Medien und Künsten befinden. Weiterhin wird der Begriff "Arbeit" von den Autor*innen aus zwei Perspektiven gesehen. "Wir fassen darunter zum einen Tätigkeiten und Arbeitsbedingungen, die an die neu entstehenden intermedialen Konstellationen geknüpft sind, fragen somit, wir das Arbeiten als Tun konkret gestaltet war. Zum anderen nehmen wir die dabei entstehenden Arbeiten im Sinne von Erzeugnissen und tradierbaren Artefakten in den Blick und befragen sie daraufhin, was sie und heute erzählen oder verschweigen."
Warum der genaue Blick auf das 20. Jahrhundert?
Nach dem Ersten Weltkrieg zu Beginn der Weimarer Republik eröffneten sich für Frauen neue Arbeitsfelder, auch im kulturellen und künstlerischen Bereich. Ab 1919 wurden beispielsweise Kunstakademien für Frauen geöffnet. In der Weimarer Republik gab es zudem einen Aufschwung an neuen Print-, Bild- und Klangmedien, wodurch neue Arbeitsplätze im Film, Rundfunk, Journalismus und der Musikindustrie entstanden. Die Frauen in diesen Tätigkeitsfeldern werden heutzutage kaum erinnert und oft unsichtbar gemacht. Der Sammelband zielt darauf ab, ein Licht auf genau jene zu werfen und die Bedeutungen und Auswirkungen ihrer Arbeit auch auf die heutige Medien- und Kunstszene nachzuzeichnen.
Entstehung des Buches
Wie es in der Einleitung der beiden Herausgeberinnen heißt, ist die Publikation hervorgegangen "aus dem Seminar ´Medien- und Theaterfrauen*in der Weimarer Republik. Biographische Erkundungen´ und dem Workshop ´Arbeiten zwischen Medien und Künsten. Feministische Perspektiven auf die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts´, die beide 2021 in Kooperation zwischen der Freien Universität Berlin und der Humboldt-Universität zu Berlin stattfanden."
Das Fehlen von weiblicher Geschichtsschreibung
Die Informationssammlung zu den Akteur*innen und das Wirken von Frauen im Allgemeinen wurde, laut den Herausgeberinnen, durch einen Mangel an vollständig dokumentierten Quellen erschwert. Für die Beiträge wurden Materialien aus Fachzeitschriften, Porträtfotografien, Theaterkritiken und Dokumentarfilmen gesammelt. Dennoch wird betont, dass sich "die Lebens- und Arbeitswege der in diesem Band versammelten Frauen – nicht zuletzt aufgrund der teilweise überaus prekären Quellenlage – kaum umfänglich nachzeichnen [lassen]." Neben dem Aspekt des Sexismus, durch den das Wirken von Frauen generell wenig dokumentiert wurde, wird die spärliche Informationslage auch auf die jüdischen und/oder Schwarzen Identitäten einiger Frauen in dem Sammelband zurückgeführt. Denn diese mussten während des Zweiten Weltkriegs gezwungenermaßen das nationalsozialistische Deutschland verlassen. "Flucht und Exil erschweren die historische Rekonstruktion von Arbeits- und Lebenswegen." Aus diesem Grund ist es so wichtig, dass der Sammelband genau diesen Frauen nachgeht und ihre Arbeit sowie ihr Wirken sichtbar macht.
AVIVA-Tipp: Das Buch "Arbeiten zwischen Medien und Künsten" beleuchtet den Anteil des Wirkens von Frauen an der Medien- und Kunstlandschaft in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Eine längst überfällige Sammlung, die auch für das Verständnis von heutiger Kunst- und Medienpraktik von Bedeutung ist.
Zu den Herausgeberinnen Friederike Oberkrome und Lotte Schüßler:
Friederike Oberkrome ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Theaterwissenschaft der Freien Universität Berlin. Ihre Dissertationsschrift "Recherche und Erkundung. Über die Wiederkehr des Botenberichts im Theater der Migration" (Neofelis 2022) entstand dort im Sonderforschungsbereich "Affective Societies". Sie forscht zu Dokumentarismen in Theater und Performance, (Inter-)Medialität von Theater, Theater in der Migrationsgesellschaft und Theatergeschichte des 20. Jahrhunderts aus feministischer Perspektive.
Mehr Infos unter: www.geisteswissenschaften.fu-berlin.de
Lotte Schüßler ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Musikwissenschaft und Medienwissenschaft an der Humboldt-Universität zu Berlin. An der HU promovierte sie mit der Studie "Theaterausstellungen. Spielräume der Geisteswissenschaften um 1900" (Wallstein 2022). Sie forscht zu Medien und Materialitäten der Geisteswissenschaften sowie zu Theater- und Mediengeschichte aus feministischer Perspektive.
Mehr Infos unter: www.medienwissenschaft-berlin.de
Hrsg. von Friederike Oberkrome und Lotte Schüßler: Arbeiten zwischen Medien und Künsten. Feministische Perspektiven auf die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts.
Neofelis Verlag, erschienen Februar 2023
260 Seiten, Softcover
Mit Beiträgen von: Carolyn Birdsall, Theresa Eisele, Hannah Eßler, Mirjam Hildbrand/ För Künkel, Georg Kasch, SofÃa Letier, Jingwen Li, Viktoria Maillard/Nicola Reißer, Friederike Oberkrome, Marlo Pichler /Eva Steffgen, Larissa Schüller, Lotte Schüßler und Sarah Stührenberg.
ISBN (Print) 978-3-95808-416-2
Preis (Print) € 27,-
ISBN (eBook) 978-3-95808-467-4
Preis (eBook) € 27,-
eBook Format Pdf
Mehr zum Buch unter: www.neofelis-verlag.de
Weiterlesen auf AVIVA-Berlin:
100 Autorinnen in Porträts: von Atwood bis Sappho, von Adichie bis Zeh
Fünf Essayistinnen – 100 Autorinnen – in ihrem Lesebuch porträtieren Verena Auffermann, Julia Encke, Gunhild Kübler, Ursula März und Elke Schmitter einhundert wegweisende Schriftstellerinnen. Die Leserin wird eingeladen zu einer Reise durch die Jahrhunderte und durch die Welt der weiblichen Literatur, von Neuseeland nach Südafrika, von Brasilien nach Polen, von Israel nach Deutschland. (2021)
Caroline Criado-Perez: Unsichtbare Frauen. Wie eine von Daten beherrschte Welt die Hälfte der Bevölkerung ignoriert. Rebecca Solnit: Recollections of My Non-Existence
Gleich zwei Neuerscheinungen widmen sich der Unsichtbarmachung von Frauen. Während die Autorin und Rundfunkjournalistin Caroline Criado-Perez eine schier unglaubliche Anzahl von Studien und Artikeln ausgewertet hat, die die Nicht-Existenz von Frauen in der Gesellschaft belegen, lädt die Essayistin Rebecca Solnit die Leserin in ihr Leben ein und beschreibt, wie sie wurde, welche sie heute ist. (2020)
Bauhaus, deine Frauen - Die AVIVA-Retrospektive zum 100. Jubiläum. Literatur, Filme und Bauhäuslerinnen
Die Vereinigung von Kunst und Handwerk am Bauhaus gilt bis heute als modern und revolutionär. Dass am Erfolg der Hochschule auch Frauen beteiligt waren, wird leider zu oft übersehen und nicht ausreichend gewürdigt. Auch die Vertreibung und Ermordung jüdischer Künstlerinnen in der NS-Zeit gerät bei Rückblicken anlässlich des Jubiläums häufig in den Hintergrund. AVIVA-Berlin macht in dieser Übersicht deren Wirken sichtbar. (2019)
Künstlerinnen schreiben - Ausgewählte Beiträge zur Kunsttheorie aus drei Jahrhunderten. Herausgegeben von Renate Kroll und Susanne Gramatzki
Tagebuchaufzeichnungen, Briefe, Erinnerungen, Manifeste, Essays vom Ancien Régime bis ins 21. Jahrhundert von sechzehn Künstlerinnen, darunter von der deutsch-jüdischen Malgraphikerin Gertrude Sandmann, der russischen Malerin Marie Bashkirtseff und der österreichischen Performancekünstlerin VALIE EXPORT. Fundiert und informativ kommentiert wurden diese schriftlichen Aufzeichnungen von Literaturwissenschaftler*innen und Kunsthistoriker*innen. (2018)
Judith Wolfsberger - Schafft euch Schreibräume! Weibliches Schreiben auf den Spuren Virginia Woolfs. Ein Memoir
Immer noch haben es Frauen, die schreiben wollen, nicht einfach. Sie werden nach wie vor bestenfalls kritisch, oft auch herablassend beäugt. Diese Haltung hat sich in vielen Frauenkörpern und -köpfen eingeschrieben. Die Creative Writing Lehrerin und Autorin Judith Wolfsberger erkundet in ihrem neuen Buch weibliche Schreibräume, um Frauen zu ermutigen und ihnen den Raum zu geben, der ihnen zusteht. (2018)