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Chanukka 5785




AVIVA-BERLIN.de im Dezember 2024 - Beitrag vom 10.03.2003


David Grossman. Wohin Du mich führst
Gaby Miericke-Rubbert

Eine abenteuerliche Romanreise durch das heutige Jerusalem, inmitten von Straßenkindern, Pizzabäckern, Drogendealern und Nonnen - zum eigenen Selbst und zum überwältigenden Du




Ein Junge rennt hinter einer Hündin her. Die Hündin verfolgt die Spuren eines Mädchens. Das Mädchen sucht ihren Bruder. Der Bruder sucht Hilfe. Die ProtagonistInnen dieser Story sind alle auf der Suche, am Ende des Buches sind sie fündig geworden und das Happyend läßt endlich aufatmen.

Bis dahin haben wir als LeserIn aber eine äußerst aufregende Jagd hinter uns, wir lassen uns gemeinsam mit dem 16-jährigen Assaf von einer Hündin quer durch Jerusalem führen und wissen lange nicht, wohin und warum.

An jenem Tag, zu jenem Zeitpunkt, als Assaf mithilfe eines langen Seils die Verbindung mit dem fremden Tier eingeht, spürt er, dass sich sein Leben total und unwiderruflich verändern wird. Und durch die Verbindung mit der Hündin Dinka entspinnt sich auch eine langsame, aber umso intensivere Verstrickung mit der jungen Hundebesitzerin Tamar.

Dinka legt ein atemberaubendes Tempo vor, weil sie spürt, dass bei ihrem Frauchen Gefahr im Verzug und dringende Hilfe angesagt ist. Bei jedem Stop verschafft sie Assaf und uns nicht nur Atempausen, sondern auch aufschlußreiche Begegnungen mit Schlüsselpersonen, die uns Bruchstücke des Rätsels "Tamar" liefern. Assaf montiert diese Puzzleteilchen und es entsteht ein gleichaltriges Mädchen, das selbstbewußt, unabhängig, störrisch, klug und schön zu sein scheint, kurz gesagt:
außergewöhnlich und überwältigend. Und einen riskanten Plan hat, der sie zwingt, längere Zeit aus ihrem normalen behüteten Jugendlichen-Alltag abzutauchen in eine gefährliche Hölle düsterer Existenzen und brutaler Gestalten.

Diverse Zeitsprünge und Wechsel der Erzählperspektive lassen uns gleichzeitig Tamar begleiten, wie sie komplizierte und aufwendige Vorbereitungen für den bevorstehenden Albtraum und die damit verbundenen Gefahren trifft. Und wir entschlüsseln auch hier langsam, Assafs Zeitrechnung anfangs um vier Wochen voraus, welchen mutigen und halsbrecherischen Plan Tamar verfolgt, zielstrebig und nur wenige Spuren in ihrer Normalwelt hinterlassend.

Das sind genau die Spuren, deren Fährte die Hündin wittert und wohin sie Assaf führt, weil sie ahnt, dass er der richtige für die schwierige Mission, Tamar zu Hilfe zu kommen, sein wird. Und der etwas linkische und schüchterne junge Mann entpuppt sich, je näher die Zeitebenen und die Suchenden sich aufeinander zu bewegen, als ein beharrlicher und tatkräftiger Held mit einem unwiderstehlichen Lächeln und einem beredten, sensiblen Schweigen. Mit einem Herzen, das zu guter Letzt mit den Flügeln schlagen und auf Menschen zufliegen kann.

Wir erfahren nicht nur, wie pickelig und kantig die pubertären Kommunikations-, Liebes-, und Ablösungsprozesse sind, wir lernen Menschen und Freundschaften kennen, wo uns weich ums Herz wird und feinfühlige Worte für die Irrungen und Wirrungen zwischenmenschlicher Gefühle gefunden werden.

Ein aufregender literarischer Thriller - auf den letzten, weil überflüssigen Seiten ist dem Autoren allerdings selbst der Atem ausgegangen, die sollten Sie beim Lesen einfach weglassen - Entwicklungsroman und Lovestory zugleich, und eine Geschichte für große Kinder und jung gebliebene Erwachsene, die uns wunderbare, teils skurrile Menschen nahebringt und Momente intensiver zwischenmenschlicher Begegnungen.



David Grossman
Wohin Du mich führst

Roman
Carl Hanser Verlag, 2001
ISBN: 3-446-20021-5
Euro €200562154275"


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Beitrag vom 10.03.2003

AVIVA-Redaktion