In Deutschland unerwünscht. Hermann Gräbe. Eine Biographie - Aviva - Berlin Online Magazin und Informationsportal für Frauen aviva-berlin.de Literatur Juedisches Leben





 

Chanukka 5785




AVIVA-BERLIN.de im Dezember 2024 - Beitrag vom 29.07.2003


In Deutschland unerwünscht. Hermann Gräbe. Eine Biographie
Sabine Grunwald

Douglas K. Huneke berichtet über einen außergewöhnlichen Menschen, der als "Moses von Rownow" bekannt und später zur persona non grata in Deutschland wurde




Hermann "Fritz" Gräbe, am 19. Juni 1900 in Gräfrath geboren, rettete mehreren Hundert Juden und Jüdinnen das Leben und riskierte sein eigenes.

Als Ingenieur der Solinger Baufirma Jung wird er im August 1941 als Geschäftsführer eines Eisenbahnprojektes für die Reichsbahn in die Ukraine geschickt. Er richtet eine Niederlassung in Sdolbunow ein. Dort arbeiteten fast fünfzehnhundert Juden und Jüdinnen aus dem Ghetto für die Firma Jung. Bei einem Besuch des dortigen Gebietskommissars erfährt er von der "Erschießung von zweihundertfünfzig Juden und der geplanten Säuberung" der jüdischen Bevölkerung Rownos. Gräbe wird Augenzeuge der Ermordung von beinahe fünftausend jüdischer Männer, Frauen und Kinder.
Diese Erfahrung macht ihm bewusst, dass er sich aktiv für die Verfolgten einsetzen muss. Gemeinsam mit seiner jüdischen Sekretärin Maria Warschiwker baut er ein Netzwerk auf.
Er gründet Filialen und rettet mittels falscher Papiere und Dokumente Hunderte von Juden und Jüdinnen vor der Vernichtung.

Im Frühjahr 1944 fährt er mit den Überlebenden von Warschau zurück nach Jünkerath in die Eifel. Sie überleben und begeben sich unter den Schutz der Alliierten Truppen.
Bei den Nürnberger Prozessen tritt er als ein wichtiger Kronzeuge auf.
In der Adenauer Ära wird er von der Presse verfemt und mundtot gemacht.
1948 emigriert "Fritz" mit Frau und Sohn in die USA. Am 20. August 1965 erhält er die höchsten Ehren, die der Staat Israel in der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem verleiht. Die Verleihung des Ehrentitels erfolgte, nachdem er auf dem "Berg des Gedächtnisses", in der "Allee der Gerechten" einen Johannisbrotbaum gepflanzt hatte. Erst nach seinem Tode, 1986, erfährt er auch in seiner Heimatstadt Solingen die Ehrung, die ihm zusteht.

Das Buch ist mehr als eine gewöhnliche Biographie.
Der Autor hat sich an eine Psychologisierung der "Retter" gewagt, indem er ansatzweise ihre Charakterzüge und Gemeinsamkeiten aufzeigt. Seine These besagt, dass ihr "menschliches Verhalten" meist auf christlichen Werten beruht. Ihre gemeinsamen Eigenschaften zeichnen sich aus durch "Abenteuergeist" und "Identifikation mit einem moralisch starken Elternteil", drittens bewegten sich alle eher am "Rand der Gesellschaft". Sicher lässt sich darüber streiten, ob ihm dies in der Kürze gelungen ist.
Im Anhang finden sich zahlreiche Dokumente:
Die Nürnberger Protokolle, ein Briefwechsel mit dem "Spiegel", sowie eine Auseinandersetzung mit Gräbes Person im Nachkriegsdeutschland bis heute.

Der Autor, geboren 1944, ist heute Priester in Kalifornien. Er studierte Theologie in Portland, Oregon und San Franzisko. Für seine Holocaust-Studien und seinen Einsatz für Juden und Jüdinnen in der Sowjetunion wurde er mit zahlreichen Ehrungen bedacht.




In Deutschland unerwünscht. Hermann Gräbe. Biographie eines Judenretters
Originaltitel: The Moses of Rovno. The Stirring Story of Fritz Graebe, a German Christian Who Risked His Life.
Douglas K. Huneke

Aus dem Amerikanischen von Adrian Seifert und Robert Lasser
zu Klampen Verlag, September 2002
325 Seiten, Hardcover,
ISBN 3-934920-19-5
24 €200822871075"


Literatur > Jüdisches Leben

Beitrag vom 29.07.2003

Sabine Grunwald