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AVIVA-BERLIN.de im Dezember 2024 - Beitrag vom 03.08.2010


Amélie Losier und Britta Wauer - Der Jüdische Friedhof Weißensee. The Jewish Cemetery Weissensee. Momente der Geschichte. Moments in History
Sharon Adler

Der größte jüdische Friedhof Europas befindet sich in Berlin-Weissensee. Steinerne Zeugen erzählen von der wechselvollen Geschichte dieses besonderen Ortes, die mit diesem Bildband (neu) entdeckt...




... werden kann.

1880 wurde der Jüdische Friedhof Weißensee eröffnet. Eine letzte Ruhestätte bot er Menschen aller religiöser Richtungen, von ultraorthodox, orthodox, konservativ bis liberal und reformiert. Auch die Namen derer, die hier begraben sind, zeigen die ganze Bandbreite jüdischen Lebens: KünstlerInnen, Philosophen, Ärzte, SchriftstellerInnen, LehrerInnen, Juristen, Religionslehrer, Verleger und Unternehmer sind ebenso unter den Toten wie Kartoffelgroßhändler oder im 1. Weltkrieg gefallene Soldaten.

Louis Grünbaum, der ehemalige Inspektor der Altersversorgungsanstalt der Jüdischen Gemeinde, war der erste, der am 22. September 1880 in Weissensee beigesetzt wurde. Seit diesem Tag wurden etwa 116.000 Menschen hier beerdigt und das Areal wuchs stetig. Schlichte Reihengräber fanden ihren Platz neben aufwendigen Mausoleen, etwa dem Grab der Eheleute Ruszak aus 1890. Entworfen hatte das filigrane Gittergrab der Architekt Otto Rauschenbach. Weitere Grabstätten wurden von Architektur-Größen wie Ludwig Mies van der Rohe und Walter Gropius gestaltet.

Ursprünglicher Initiator für dieses Buch war Gabriel Heim, der damalige Fernsehdirektor des Rundfunks Berlin-Brandenburg. Dessen Idee war es, die Filmemacherin Britta Wauer ("Gerdas Schweigen") mit einem Film über den Friedhof Weissensee zu beauftragen. Hermann Simon schließlich regte Britta Wauer an, einen Artikel in der Senats-Zeitschrift "Aktuell" zu veröffentlichen.
Der Direktor der Stiftung Neue Synagoge Berlin – Centrum Judaicum wusste, dass dieser Beitrag ehemalige BerlinerInnen in aller Welt erreichen würde – hauptsächlich Juden und Jüdinnen. Vertriebene, Überlebende, Menschen, die hier ihre Heimat, ihre Sprache, ihre Kultur und ihre Familien für immer verloren hatten.
Im Rahmen ihrer dreijährigen Recherche hat die mehrfach für ihre Arbeiten ausgezeichnete Britta Wauer gemeinsam mit weiteren Beteiligten Schicksale rekonstruiert, unzählige Kontakte hergestellt und Informationen ausgewertet.

Aus dem ursprünglichen Filmprojekt wurde so dieses Buch, das Fotografien und Geschichten aus der Vergangenheit und Gegenwart des jüdischen Friedhofs Weißensee versammelt. Den historischen Originalaufnahmen aus Archiven und Privatbesitz wurden aktuelle Fotos von Amélie Losier gegenübergestellt. Deutlich wird durch diesen direkten Vergleich der Verfall, aber auch die zeitlose Schönheit und Eleganz dieses Ortes.

Jeder einzelne Grabstein und jede Inschrift erzählen ihre eigene, meist tragische Geschichte. Selbst während der Nazizeit wurde der Friedhof zu keinem Zeitpunkt geschlossen. Von den zwischen 3257 Menschen, die 1942 in Weissensee bestattet wurden, hatten sich 823 das Leben genommen, um der Deportation zu entgehen. Doch auch beinahe glückliche Zeiten erlebte dieser magische Ort: Nachdem im Juni 1942 alle jüdischen Schulen geschlossen worden waren, schickte man viele Jugendliche und Kinder zur Zwangsarbeit auf den Friedhof. Einige von ihnen haben überlebt.
Auch davon sind Zeitdokumente erhalten, die Britta Wauer von noch lebenden Verwandten zugesandt wurden.

Insgesamt wurden in "Der Jüdische Friedhof Weißensee. The Jewish Cemetery Weissensee" Geschichten und bislang nie veröffentlichte Fotografien von über 250 ZeitzeugInnen aus aller Welt veröffentlicht, darunter über 135 großformatige Fotos, begleitet von Texten in Deutsch und Englisch.
Ein Personenregister und ein Übersichtsplan runden den Bildband ab und geben weitere Informationen auf das Leben und Sterben vieler bekannter aber auch unbekannter Berlin Juden und Jüdinnen.

Zur Autorin: Britta Wauer, geboren 1974 in Berlin, studierte Regie an der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin (dffb). 2001 wurde sie für ihre Dokumentation "Heldentod" mit dem Deutschen Fernsehpreis ausgezeichnet. Für ihren Abschlussfilm an der dffb erhielt sie 2005 zusammen mit Sissi Hüetlin den Adolf-Grimme-Preis. 2008 hatte sie ihr Kinodebüt mit "Gerdas Schweigen" (nach dem Buch von Knut Elstermann, be.bra verlag). Auslöser für dieses Buch war ihr Dokumentarfilm über den jüdischen Friedhof Weißensee.
Er befindet sich in Postproduktion. Die Kino-Premiere wird voraussichtlich 2010 stattfinden. Weitere Infos und Kontakt: www.britzka.de
(Quelle: Verlagsinfos)

Zur Fotografin: Amélie Losier, geboren 1976 in Versailles, studierte Germanistik in Paris und Berlin sowie Fotografie bei Arno Fischer an der Schule "Fotografie am Schiffbauerdamm". Seit 2001 arbeitet sie als freiberufliche Fotografin in Berlin für Zeitungen, Zeitschriften und Verlage, für die Akademie der Künste, die Stiftung Genshagen, das Deutsch-Französische Jugendwerk und andere Institutionen sowie als Standfotografin (u. a. bei Hans Weingartner und Britta Wauer). 2005 war sie Stipendiatin der Akademie der Künste. www.amelielosier.com (Quelle: Verlagsinfos)

AVIVA-Tipp: Der Bildband "Der jüdische Friedhof Weißensee", erinnert daran, die Toten zu ehren und lädt dazu ein, die Geschichte dieses Ortes (neu) zu entdecken. Dieses wichtige Zeitdokument ist ein Vermächtnis für all jene, deren Namen nicht durch Inschriften auf einem Grabmal verewigt wurden.

Amélie Losier, Britta Wauer
Der jüdische Friedhof Weißensee / The Jewish Cemetery Weissensee

Momente der Geschichte / Moments in History
be.bra verlag, erschienen Juni 2010
ISBN 978-3-8148-0172-8
176 Seiten, 135 z. T. farbige Abbildungen, gebunden
24.95 Euro

Weiterlesen auf AVIVA-Berlin:

"Gerdas Schweigen", der Film von Britta Wauer nach dem Buch von Knut Elstermann

"Jüdische Friedhöfe in Berlin" von Johanna von Koppenfels.

"Jüdisches Berlin - Photos aus Kaiserreich und Weimarer Republik", erschienen im Jaron Verlag, 2008

"Berliner Juden 1941 - Namen und Schicksale", herausgegeben von Hartmut Jäckel und Hermann Simon.

"Jüdisches im Grünen. Ausflugziele im Berliner Umland" herausgegeben von Judith Kessler und Lara Dämmig.

"Deutsche jüdische Architekten vor und nach 1933" von Myra Warhaftig.

"Juden. Bürger. Berliner. Das Gedächtnis der Familie Beer - Meyerbeer – Richter".

"Juden in Berlin – Biografien" herausgegeben von Elke-Vera Kotowski.

"Geschichte des jüdischen Alltags in Deutschland", herausgegeben von Marion Kaplan.

Das jüdische Berlin. 1. Teil (aus 2004).




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Beitrag vom 03.08.2010

Sharon Adler