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Beitrag vom 20.08.2022
Barbara Degen: Meine Zeit mit Annette Kuhn
Sharon Adler
"Wie Kunst, Poesie und Liebe in die Frauengeschichte kamen", so lautet der Untertitel dieser sehr persönlichen Biographie, verfasst von der Juristin, NS-Forscherin und Feministin Barbara Degen. Sie schreibt über die Erinnerungen an die gemeinsame Zeit mit ihrer langjährigen Freundin und zeitweilige Geliebte, die Frauengeschichtsforscherin und Gründerin des Hauses der FrauenGeschichte (HdFG) in Bonn.
Als "fast eine Doppelbiographie" bezeichnet die Autorin ihre Veröffentlichung "Meine Zeit mit Annette Kuhn". Barbara Degen erzählt und reflektiert anhand der Geschichte dieser beiden schreibenden und forschenden Frauen vor dem Hintergrund der Geschichte des 20./21. Jahrhunderts, wie beide den Zweiten Weltkrieg, die Nachwirkungen des Faschismus in der BRD, den Aufbruch der sogenannten 68er-Bewegung und die "Wende" erlebt und wie sie als Pionierinnen Frauengeschichte mitgeschrieben und gestaltet haben: "Beide definierten wir uns als autonome Feministinnen, sie als feministische Geschichtstheoretikerin, ich als feministische Juristin."
Für Barbara Degen und Annette Kuhn (2.5.1934–27.11.2019) war ihr gemeinsames Band die Frauengeschichte und ihre schwierige jüdische Familiengeschichte. Beide haben unterschiedliche Exilerfahrungen hinter sich, als sie sich kennen- und lieben lernen. Die Liebe, die nicht offen gelebt wurde, hielt nicht, wohl aber die Freundschaft: 30 Jahre lang.
Die vielen Facetten ihrer Beziehung, in der das "Private immer auch politisch" war und "Kunst, Poesie und Liebe" sowie Zukunftsvisionen für eine geschlechtergerechte Gesellschaft eine elementare Rolle spielten, sind erhalten in den Briefen, die sie austauschten, vor allem aber in ihrem gemeinsamen Plan, "ein frauengeschichtliches Museum, ein erstes seiner Art, in Deutschland aufzubauen."
Annette Kuhn war seit den 1960er Jahren die erste Professorin, die das neue Fach der Frauengeschichte als Historikerin und Didaktikerin maßgeblich entwickelt und gelehrt hat. Barbara Degen konzentrierte sich in ihrer Berufszeit als Feministin und Rechtsanwältin auf die Rechte der Frauen, vor allem bei sexueller Gewalt und Diskriminierung. Sie forscht und veröffentlicht zur NS-Zeit, wobei sie auch hier das Leben und Überleben der Frauen in den Mittelpunkt ihrer Forschungen und Veröffentlichen rückt, so auch in ihrem Buch "Das Herz schlägt in Ravensbrück. Die Gedenkkultur der Frauen".
Barbara Degen hat sich dem Leben und Lebenswerk der Freundin bereits mit ihrer 2016, in der Reihe "Jüdische Miniaturen" erschienenen Biographie "Annette Kuhn. Historikerin, Friedens- und Frauengeschichtsforscherin" gewidmet. In ihrem 2022 ebenfalls bei Hentrich & Hentrich erschienenen Erinnerungsbuch "Meine Zeit mit Annette Kuhn" beschreibt sie entlang der gemeinsamen und parallel und unabhängig voneinander erlebten Epochen den Kampf einer Frauengeneration für Geschlechtergerechtigkeit.
Aber auch Annette Kuhns Erfahrungen des Exils und der Remigration sind Thema ihrer Erinnerungen und Beobachtungen:
"Ich fühlte bei Annette eine tiefe Zerrissenheit zwischen ihrem Exilland und dem – erfolgreichen – Leben in Deutschland. Gleichzeitig gaben ihr die Erfahrungen des Exils und der Remigration auch eine große Kraft, das Leben in beiden Ländern zu vergleichen und die Schwachstellen bei der Entwicklung der bundesrepublikanischen Demokratie aufzuspüren und nach Alternativen zu suchen."
In ihrer Autobiographie "Ich trage einen goldenen Stern. Ein Frauenleben in Deutschland" (Aufbau, Berlin 2003) hatte sich Annette Kuhn bereits damit auseinandergesetzt mit der für sie zentralen Frage nach ihren jüdischen Wurzeln, aber auch damit, was es bedeutet, nach Auschwitz Historikerin an einer Universität zu sein.
In "Meine Zeit mit Annette Kuhn" stellt Barbara Degen die "(…) neuen und alten Fragen an die Frauengeschichte und die Frauenbewegung" und erzählt von der Idee und der Gründung des Museums und der historisch-politischen Bildungsinstitution "Das Haus der FrauenGeschichte" (HdFG), das schließlich von Professorin Dr. Annette Kuhn im Jahr 2012 eröffnet wurde.
AVIVA-Tipp: Das Erinnerungsbuch "Meine Zeit mit Annette Kuhn. Wie Kunst, Poesie und Liebe in die Frauengeschichte kamen" ist auf vielen Ebenen ein wichtiges Zeitdokument, das Frauengeschichte auf individueller wie kollektiver Ebene neu beleuchtet und damit auch auf die bestehenden Desiderate in der Frauengeschichtsforschung verweist.
Zur Autorin: Barbara Degen ist Juristin und Feministin, früher Rechtsanwältin, heute freie Autorin mit den Schwerpunkten sexuelle Gewalt gegen Frauen, Gleichberechtigungsrecht und Rechtsgeschichte, insbesondere im Nationalsozialismus. Sie war langjährige Freundin und zeitweilige Geliebte der Frauengeschichtsforscherin Annette Kuhn (1934–2019). Zahlreiche Veröffentlichungen, u. a. "Das Herz schlägt in Ravensbrück. Die Gedenkkultur der Frauen" (2010) und "Bethel in der NS-Zeit. Die verschwiegene Geschichte" (2014).
Annette Kuhn, geboren 1934, wurde mit 30 Jahren, 1964, als jüngste Professorin der Bundesrepublik auf den Lehrstuhl für Mittelalterliche und Neuere Geschichte der Pädagogischen Hochschule in Bonn berufen und war lange Jahre Professorin für Geschichte/Didaktik, und Frauengeschichte in Bonn. Sie ist Mitbegründerin und -herausgeberin der Zeitschriften "Geschichtsdidaktik" und "metis". Als wissenschaftliche Leiterin des POLITEIA-Projekts gründete sie 2000 den Verein "Haus der Frauengeschichte zur Förderung des geschlechterdemokratischen historischen Bewusstsein e.V". Sein Hauptziel war der Aufbau eines Hauses für FrauenGeschichte, das 2012 eröffnet wurde. Im Gedenken an ihre Mutter Käthe Kuhn, geborene Lewy, gründete sie 2008 die Annette-Kuhn-Stiftung. Annette Kuhn starb am 27. November 2019.
Weitere Informationen zum Projekt "Haus der FrauenGeschichte" unter: www.hdfg.de
Weitere Informationen zur Annette-Kuhn-Stiftung unter: hdfg.de/hdfg/annette-kuhn-stiftung
Barbara Degen
Meine Zeit mit Annette Kuhn
Wie Kunst, Poesie und Liebe in die Frauengeschichte kamen
Hentrich & Hentrich, erschienen 2022
206 Seiten, Klappenbroschur, 81 Abbildungen
EUR 22,90
ISBN: 978-3-95565-509-9
Mehr zum Buch unter: www.hentrichhentrich.de
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Barbara Degen - Das Herz schlägt in Ravensbrück. Die Gedenkkultur der Frauen
Im Konzentrationslager Ravensbrück waren 130.000 Menschen, zum großen Teil Frauen, interniert. Zu ihren Überlebensstrategien gehörte auch das Niederschreiben und künstlerische Verarbeiten des (Über)Erlebten. (2010)
"Ich trage einen goldenen Stern. Ein Frauenleben in Deutschland"
Annette Kuhn, Geschichtsprofessorin und Frauenforscherin, schildert in ihrer Biographie den schmerzvollen Weg einer Ich-Findung als Feministin, Jüdin und Wissenschaftlerin. (2004)
Quellen: Verlagsinformationen Hentrich & Hentrich Verlag Berlin Leipzig, AVIVA-Berlin, Presseinformation Haus der FrauenGeschichte