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Beitrag vom 08.03.2017
Karin Sagner - Frauen auf eigenen Füßen. Spazieren, flanieren, wandern
Hannah Hanemann
Die Münchener Kunsthistorikerin arrangiert Gemälde aus drei Jahrhunderten, Tagebucheinträge, Zitate und informative Texte zu einem unterhaltsamen Bildband, der von der Eroberung von Gipfeln und Promenaden durch die Frauen erzählt.
Spazierengehen als Akt der Emanzipation: Erst um 1900 herum wurden allein spazierende Frauen in Mitteleuropa zu einem häufigen Anblick in Städten und ihrer Umgebung.
Mit Fortschreiten des 20.Jahrhunderts entdeckten sie auch das Wandern und Bergsteigen für sich - was hundert Jahre zuvor noch völlig unmöglich erschienen wäre. Die Kunsthistorikerin Karin Sagner stellt in einer Sammlung von Abbildungen von Gemälden und Fotografien, begleitenden Texten und Zitaten von Frauen die Entwicklung des (sportiven) weiblichen Gehens vom 18. bis ins 20.Jahrhunder vor.
Lustwandeln in den Gärten des Adels
Spazierengehen und Wandern, geschweige denn Klettern in der freien Natur, war lange Zeit Männern vorbehalten. Für Frauen galten diese Betätigungen als wider ihrer Weiblichkeit, unschicklich und gefährlich. Wenn überhaupt, durften lediglich adelige Damen in Begleitung und in der unpraktischen Mode des 18. und 19. Jahrhunderts in der geschützten Umgebung ihrer Gärten herum flanieren. Bei Männern hingegen galten lange, ausgedehnte Spaziergänge als maskulin, stärkten sie doch die körperliche Gesundheit und den Geist, weshalb sie besonders bei Dichtern und Intellektuellen sehr beliebt waren.
Zeugnisse weiblichen Spazierengehens aus dieser Zeit gibt es vor allem in Form von Gemälden, die jedoch überwiegend von Männern stammen. Diesen stellt Karin Sagner Zitate von Frauen entgegen, die schon früh die Freude am Wandern für sich entdeckten. So werden etwa die Schriftstellerinnen Dorothea Schlegel, Marie von Ebner-Eschenbach, Charlotte Bronté oder Jane Austen zitiert.
Promenieren und flanieren
Gegen Ende des 19. Jahrhundert fügten sich Frauen immer mehr ins öffentliche Bild von Metropolen wie Paris oder Berlin, wo sie natürlich noch immer stets perfekt gekleidet Promenaden entlang spazierten oder durch die Stadt schlenderten. Dies geschah nicht zuletzt aus einem Motiv des "Sehen-und-gesehen-Werdens", wie auch die im Buch zitierte Schriftstellerin Irmgard Keun treffend beschrieb. Mit sportlicher Betätigung oder Selbsterfahrung hatte es zunächst wenig zu tun. Ausflüge in die freie Natur galten weiterhin als zu gefährlich und anstrengend für Frauen, auch, weil deren unbequeme Kleidung eine Wanderung erschwerte. Erst in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts tauschten Frauen schließlich ihre Kleider und Röcke gegen luftige Wanderhosen ein, mit denen sie unbeschwert durch die Natur streifen konnten. Schriftstellerinnen wie Virginia Woolf machten das Wandern schließlich als Ich- und Welterfahrung auch bei Frauen populär.
Bergsteigen war ebenfalls nicht länger nur Männersache. Im 20. Jahrhundert war es Frauen wie den Schwestern Héléne und Simone de Beauvoir schließlich nicht mehr verwehrt, in ihrer Freizeit Klettern zu gehen - und das ohne männliche Begleitung und in Hosen!
AVIVA-Tipp: "Frauen auf eigenen Füßen" von Karin Sagner gibt anhand kunstgeschichtlicher Zeugnisse einen bunten Einblick in die Historie und Gedanken von Frauen jenseits der ihnen gesellschaftlich vorgeschriebenen Wege.
Zur Autorin: Karin Sagner hat Kunstgeschichte und Germanistik in München sowie in Paris studiert und über Claude Monet promoviert. Zunächst war sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin an den Bayerischen Staatsgemäldesammlungen in München tätig; heute arbeitet sie als freie Autorin und Kuratorin. Über ihr Spezialgebiet, die französische und deutsche Kunst des 19. und 20. Jahrhunderts, hat sie mehrere Bücher publiziert. 2011 und 2012 erschienen im Elisabeth Sandmann Verlag die Bücher "Schöne Frauen" und "Renoir und seine Frauen" sowie 2014 die Autobiographie Héléne de Beauvoirs, "Souvenirs".
Als international anerkannte Kunstexpertin und freie Kuratorin berät Karin Sagner diverse Museen und Kunsthäuser in Europa und den USA, konzeptioniert Ausstellungen und hält Vorträge.
Mehr Infos: www.karinsagner.com
Karin Sagner
Frauen auf eigenen Füßen. Spazieren, flanieren, wandern
Elisabeth Sandmann Verlag, erschienen 2016
Gebunden mit Schutzumschlag, 144 Seiten. Abb. in Farbe
24,95 Euro
ISBN: 978-3-945543-21-4
www.esverlag.de
Weiterlesen auf AVIVA-Berlin:
Die Malerin Hélène de Beauvoir - Das Talent liegt in der Familie - Herausgegeben von Karin Sagner
Der großartige Bildband entführt in die Welt der Malerin, deren Leben und Werk darin grandios in Szene gesetzt werden. Nachdem sie deren Memoiren "Souvenirs – ich habe immer getan was ich wollte" ebenfalls im Jahr 2014 herausgegeben hat, stellt die Kunstwissenschaftlerin Karin Sagner in diesem Bildband den essayistischen Texten über das Leben de Beauvoirs ihr Werk zur Seite. (2014)
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