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Beitrag vom 13.12.2003
Verdrängt, vertrieben, aber nicht vergessen. Jüdische Fotografen in Hamburg vor 1933
Sabine Grunwald
Die sorgfältig recherchierte Chronik des Historikers und Publizisten Wilfried Weinke dokumentiert ein Stück Zeitgeschichte der Fotografie, das bislang nicht ausreichend thematisiert wurde
Die Aufnahmen von Thomas Edison, Kaiser Wilhelm II., der Tänzerin Josephine Baker, des Psychoanalytikers Sigmund Freud, der Schauspielerin Fritzi Massary, des Dirigenten Leonard Bernstein, der Schriftstellerin Helen Keller und ihre Namen sind noch heute bekannt.
Weit weniger weiß man heute noch über ihre Portraitisten, die jüdischen Fotografen Emil Bieber, Max Halberstadt, Erich Kastan und Kurt Schallenberg. Vor 1933 hatten die bekannten und geachteten Fotografen ihre Ateliers in Hamburg.
Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten wurden sie zur Geschäftsaufgabe gezwungen und ins Exil getrieben. Ihr umfassendes künstlerisches Oeuvre geriet bald in Vergessenheit.
Das Buch des Historikers und Publizisten Wilfried Weinke setzt sich kritisch mit der Fotogeschichte Hamburgs auseinander und schließt die eklatanten Lücken der Rezeptionsgeschichte. Die Auswirkungen der politischen Machtverhältnisse ab 1933, mit ihren Folgen für die Hamburger Fotografen wie: Berufsverbot, Zwangsverkäufen und letztlich Emigration wurden bis heute kaum thematisiert.
Mittels ihrer Autobiografien stellt uns der Autor das Leben und Werk der verfemten Künstler vor, die auf der Höhe ihrer Schaffenskraft aus ihrem beruflichen und persönlichen Umfeld herausgerissen wurden
Gewürdigt wird Emil Bieber, zu dessen Klientel der Kaiser ebenso zählte wie Berühmtheiten aus Kultur, Politik und Wirtschaft. Auch Max Halberstadt, der die bekannten Portraits seines Schwiegervaters Sigmund Freud schuf, wird ausführlich erwähnt. Erich Kastan dokumentierte mit seinen Fotografien den "Jüdischen Kulturbund Hamburg" und schuf im amerikanischen Exil zahlreiche Portraits von bedeutenden Persönlichkeiten. Kurt Schallenberg war der Initiator und Gründer der "Gesellschaft Deutscher Lichtbildner".
Die Wiederentdeckung der 4 Hamburger Portraitisten ist mehr als nur eine Ehrung der Opfer von Exil und Holocaust. Sie markiert auch eine paradigmatische Wendung in der Sicht auf ein Medium und seinen Gebrauch. Durch die Vertreibung der unliebsamen "Konkurrenz" profitierten jene, die keine Skrupel hatten, im Dienste der Propaganda an der Ästhetisierung und Verherrlichung der Diktatur mitzuwirken. Die Fotografie ist das Medium, welches unser Bild vom vergangenen Jahrhundert am eindringlichsten prägt. Dass Fotografen jüdischer Herkunft an der Ausübung ihres Berufes gehindert wurden, hat bis heute dauerhafte Folgen.
Salomon Korn nannte es treffend "eine Amputation am eigenen Volk."
Die in jahrelanger Recherche entstandene Dokumentation enthält teilweise bisher unveröffentlichte Fotografien, Zitate und Archivmaterial, die den Prozess der Ausgrenzung und Verdrängung belegen. Dem Autor gelingt es, die Historie der Stadt Hamburg, die jüdisch-deutsche Vergangenheit und die Geschichte der Fotografie kongenial zu verknüpfen, sowie Forschungsergebnisse über das Leben im Exil einzubringen.
Dieses Buch ist ein Denkmal für die Menschen vor und hinter der Kamera - und es erzählt in schlichten, bewegenden Schwarz-Weiß Bildern die Geschichte derer, von denen nichts mehr als ein Foto geblieben ist.
Verdrängt, vertrieben, aber nicht vergessen.
Die vier Fotografen Emil Bieber, Max Halberstadt, Erich Kastan, und Kurt Schallenberg.
Wilfried Weinke
Kunstverlag Weingarten GmbH
ISBN 3-8170-2546-7
Preis 29 €
Weingarten Verlag, Oktober 2003
Hardcover, geb. mit Schutzumschlag, 304 Seiten mit 230 Duotone-Abbildungen
Mit einem Geleitwort von Paul Spiegel200964043675"