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Beitrag vom 24.04.2007
Hemmungslos und unbelastet - Hannah Höch
Clarissa Lempp
Für die Ausstellung "Aller Anfang ist DADA!" hatte die Berlinische Galerie rund 160 Arbeiten aus allen Werkperioden versammelt. Begleitend erschien beim Kunstverlag Hatje/Cantz ein Ausstellungsband.
Hannah Höch (1889-1978), DADA-Queen und Pionierin der Fotomontage, ist wohl eine der bedeutendsten KünstlerInnen der Moderne - zumindest außerhalb Deutschlands. Mit einer ausgedehnten Pause von fast 18 Jahren kehren nun ihre Werke zurück in die Berliner Heimat.
"Schrankenlose Freiheit für H. H.!" forderte die Künstlerin für sich in ihrer Arbeit und im Leben. Diese 1920 in der Dada-Rundschau gestellte Forderung zeigt einen früh formulierten Willen zur freien und selbstständigen künstlerischen Arbeit. Sie belegt aber auch den Unwillen, sich in die bürgerlichen Lebenswelten der Weimarer Republik einzulassen. Als einzige Frau des Berliner Dada-Zirkels war auch sie eine jener "Kreaturen ihrer Epoche", die sich der Alltagswirklichkeit kritisch, aber frei von einem klagenden Unterton stellte. Ihr auserkorenes Medium dabei war die Fotomontage, die "Emotionale Hemmungen... leichter zu überwinden" mache als Zeichnungen. Denn wenn Hemmungen unausgelebte Konflikte sind, ist "Hemmungslosigkeit im Sinne von Unbelastetsein" für Hannah Höch eine wichtige Voraussetzung für die Fotomontage. Unbelastet sollte der gezielte Schnitt durch das Abbild der Realität sein, hemmungslos die Montage, um das Verdrängte zu befreien.
In dem Ausstellungsband finden sich neben 330 Abbildungen aus dem Gesamtwerk der Künstlerin sechs ausführliche Arbeiten zu verschiedenen Stationen des Schaffens und Lebens von Hannah Höch, wobei die Technik der Fotomontage besondere Berücksichtigung erfährt. Ralf Burmeister, Leiter der Künstler-Archive der Berlinischen Galerie und Kurator der Ausstellung, widmet sich der bildnerischen Rhetorik des Grotesken, die Höch mit der Dada-Bewegung verband. Dabei gibt er einen guten Einblick in die Leitmotive der KünstlerInnen, in denen sich Höch wieder erkannte. Maria Makela widmet sich ausführlich der Darstellung von Paaren und Frauen in Höchs Werken. Dabei werden nicht nur die künstlerischen Vorstellungen und antibürgerlichen Themen betrachtet, sondern auch die persönlichen Lebensentwürfe Höchs taktvoll hinterfragt. Werner Hofmann widmet sich in "Zwecklos sich dagegen aufzulehnen?" dem "Album" der Künstlerin, das eine Fotosammlung erhält, in denen Tiere, Menschen, Natur etc. meist kommentarlos zusammen gestellt sind. Die einzigartige Beziehung zu Max Ernst beschreibt die Kunsthistorikerin Karoline Hille. Über Höchs Verbindung zur Mode bzw. ihrer Maxime: "Kunst und Mode eine Einheit" reflektiert der Text von Bettina Schaschke. Jörn Merkert, Direktor der Berlinischen Galerie, schließt mit seinen "Disparaten Anmerkungen zu ihrem Kosmos" die wissenschaftlich geprägten Aufsätze und öffnet gleichzeitig einen Gesamtblick auf die Künstlerin und ihre Bedeutung für die Moderne.
Neben dem Bestandsverzeichnis der Ausstellung finden sich außerdem eine ausführliche und schön bebilderte chronologische Biographie Hannah Höchs, sowie Hinweise auf Sekundärliteratur.
AVIVA-Tipp: Die AutorInnen, ausnahmslos ausgewiesene Höch-KennerInnen, schaffen ein umfassendes Bild der Vielgestaltigkeit der Künstlerin. Vor allem der genuinen Ausdrucksform Höchs, der Fotomontage, gilt hier der besondere Blick, aber auch die Schlüsselwerke der nachfolgenden Schaffensphasen finden Berücksichtigung. Angereichert mit privaten Fotos, persönlichen Notizen und Auszügen der Korrespondenz, entsteht ein eindrucksvolles Portrait der Künstlerin das auch dem eigenem Verständnis ihres Leben gerecht wird.
Lesen Sie auch unseren Beitrag "Ausstellung: Hannah Höch - Aller Anfang ist DADA".
Burmeister, Ralf (Herausgeber)
Hannah Höch Aller Anfang ist DADA!
Hatje Cantz Verlag, erschienen April 2007
Gebunden, 222 Seiten, Format: 278mm x 241mm x 25mm
39,80 Euro
ISBN: 978-3-7757-1919-3