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AVIVA-BERLIN.de im Dezember 2024 - Beitrag vom 25.01.2005


Cornelia Baulsom-Löwy - Hure oder Hüterin des Hauses
Sarah Ross

Anhand ausgewählter Werke diskutiert die Autorin in ihrer Dissertation das Frauenbild in Isaak B. Singers Werk: Ein Vexierbild seines religiösen, soziokulturellen und biographischen Hintergrundes




Als erster jüdischer Autor etablierte I. B. Singer in der jiddischen Literatur die jüdische Frau als sexuelles Wesen. Die Frage, ob es sich bei Singers Bild der jüdischen Frau um ein negativ verzerrtes Frauenbild handelt, oder um die Darstellung der jüdischen Frau in einem vielfältigen Spektrum ohne Klischees, ist Gegenstand von Blausom-Löwys Untersuchung.

Die Autorin geht von der Prämisse aus, dass Singer in seinen Romanen und Erzählungen seine persönliche Lebensgeschichte mit den Werten und Normen des traditionellen Judentums vermischt. Daher sind die Portraits seiner Frauenfiguren, bzw. die Darstellung der ambivalenten Rolle der jüdischen Frau, als Abbild seines historisch-soziologischen und autobiographischen Backgrounds, und seiner Vorstellung von der Welt des osteuropäischen Judentums zu verstehen.

Eingangs widmet sich die Autorin der Darstellung des individuell unterschiedlichen Erscheinungsbildes der jüdischen Frau in der Religion und im soziokulturellen Umfeld Singers (Polen & Amerika): Das idealisierte Bild der jüdischen Frau als die "Priesterin des Hauses" und "Hüterin des Glaubens", wie es ihm durch die religiösen Schriften des Judentums überliefert wurde, zieht sich weiter durch die Beschreibung der ostjüdischen Frau im Shtetl und im Chassidismus, bis es vom Bild der modernen und assimilierten Frau im Amerika des beginnenden 20. Jahrhunderts abgelöst wird.

Welche Bedeutung Singer der Frau in seinen Werken zuweist, stellt Baulsom-Löwy im vierten Teil ihres Buches dar. Im Spannungsfeld der Geschlechter angesiedelt, kommt Singers statuarischen und stereotypen Frauenfiguren eine paradoxe und facettenreiche Doppelfunktion zu: Die moderne assimilierte Frau taucht in Singers Romanen in verschiedenen Varianten auf: als Ehebrecherin, Prostituierte, oder wie Dora aus dem Roman "Shosha", als die erotische Kommunistin.
Diese schillernden Frauentypen fungieren stets als Verführerin und Gefährdung des Mannes. Durch ihre hedonistische und dekadente Lebensweise führen sie dem "ungläubigen" Mann den Wert des traditionellen Judentums vor Augen und verhelfen ihm so zur Umkehr. Diese Umkehr wird jedoch erst durch gesichtlose Figuren wie Sarah - die chassidische israelische Ehefrau aus "The Penitent" - ermöglicht.
Sie verkörpert die Hüterin des Glaubens, durch die, in Singers Fiktion, die zukünftige Existenz des jüdischen Volkes sichergestellt wird.

AVIVA-Tipp: Eindrucksvoll schildert die Autorin, wie in Singers Werk die Dämonisierung der modernen jüdischen Frau der Idealisierung der traditionellen Frau diametral gegenübergestellt wird. Sie zeigt auf, wie Singer seine Frauengestalten auf bestimmte Eigenschaften und Eigenarten reduzierte, sie über den Mann definierte, und sie im gleichen Atemzug ihrer Identität beraubte.

Zur Autorin: Cornelia Baulsom-Löwy studierte Anglistik/Amerikanistik, Germanistik und Erziehungswissenschaften in Hamburg. Die heutige Studienrätin ist Gründungsmitglied der Salomo-Birnbaum- Gesellschaft für Jiddisch in Hamburg e.V.


Cornelia Baulsom-Löwy
Hure oder Hüterin des Hauses
Das Bild der jüdischen Frau in I. B. Singers Werk

Wissenschaftlicher Verlag Trier, 2004
ISBN 3-88476-632-5
34,00 Euro

Zum Verlagsprogramm:wvttrier.de



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Beitrag vom 25.01.2005

Sarah Ross