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Beitrag vom 14.01.2003
Barbara Bierach zettelt die Diskussion um Verhaltensmuster neu an
Sharon Adler
Sind Frauen saublöd? Waghalsige Thesen über die geringe Quote von Frauen im oberen Management. Das dämliche Geschlecht – der umstrittene Titel der Journalistin Barbara Bierach sorgt für Kontroversen
Provozierend und polemisch – streckenweise unwiderlegbar, teils pauschalisierend, gespickt mit Zitaten und Statistiken – so kommt Das dämliche Geschlecht daher.
Schon auf den ersten Seiten wird uns klar gemacht, dass Frauen keineswegs arm, schwach oder unterprivilegiert sind. Nein, wir leben auch nicht im Patriarchat, sondern wir selbst sind es, die uns mit den Krümeln von den Tellern der Macht abspeisen lassen: "Es reicht in vielen Fällen, einer Frau vorzuhalten, sie sei egoistisch und machtgeil, um sie zu stoppen."
Warum das so ist und was wir dagegen tun können, beschreibt Frau Bierach akribisch Kapitel für Kapitel: Denn ihr Anliegen ist es, uns unser Verhalten im Geschlechterkampf um die Chefsessel transparent zu machen (Kap.12: Plädoyer für die Selbstverantwortung).
„Dämlich sind Frauen, weil sie sich nicht die Hälfte des Himmels nehmen.“
Sie hat Recht, wenn sie bemängelt, dass es in Deutschland nur 3,7 Prozent weibliche Topmanager gibt - in England sind es immerhin 11,2 Prozent - und der Anteil weiblicher Chefs im Mittelstand gerade mal 10,8 % beträgt. Kurz: Dass Jahrzehnte mit Frauenbeauftragten, Quotenregelungen und Förderprogrammen noch immer keine amerikanischen Verhältnisse geschaffen haben.
...“Solange Frauen – eine 52-prozentige Mehrheit – sich selber für eine Minderheit halten, die besonderen Schutzes bedarf, solange werden sie auch so behandelt.“
Immerhin, Frauen sind heute besser ausgebildet: Über 54 % der Schüler jedes Abiturjahrgangs sind weiblich, jede Dritte zwischen 20 und 30 hat Abitur, doch obwohl die Hälfte der Studierenden weiblich ist, sind es nur 9 % der Professoren. Und warum lag der Frauenanteil in der New Economy im September 2000, also lange nach dem Hype, nur bei 25%?
Warum, so fragt Barbara Bierach, „sind Frauen so unsichtbar“? Wo sind all diese Mädels mit den guten Abschlusszeugnissen denn hin? Frauen hätten falsche Vorstellungen, lernen wir hier, oder sie seien einfach „dämlich, faul und unaufrichtig“. Darum, so Bierach, „kriegen sie Kinder, um sich in die Villa am Stadtrand zurückzuziehen, weil ihnen der Job in der City zu anstrengend sei“. Dem Phänomen „Mütter“ hat die Autorin ein eigenes Kapitel gewidmet. Denn es soll auch Frauen im oberen und mittleren Management geben, die Kinder bekommen.
Dabei von einem „Heldennotausgang“ zu sprechen, ist schlicht diffamierend. Von ihren scharfen Attacken gegen die ach so faulen Mütter wollen wir hier lieber schweigen.
Barbara Bierach zeigt Fallen und bietet Lösungsvorschläge an, stellt Rechnungen über die liebe Not mit dem Geld an und welche historischen Gründe dazu geführt haben, warum Frau und Geld keine gewinnträchtige Kombination sein muss. Sie nimmt uns mit auf einen Exkurs in die Geschichte, wo schon immer mutige Frauen lebten, die ihre persönlichen Standards etablierten, ohne Rücksicht auf Ausgrenzung.
Trotz allem: Gut recherchiert, amüsant zu lesen, weil provokativ getextet.
Besonders gut gefallen hat mir das Schlusswort, das "Plädoyer für Selbstverantwortung", denn Frauen sind sozialisiert, Verantwortung für andere zu tragen, nur nicht für sich selbst:
"Und falls Sie Ihre Interessen nicht um Ihrer selbst willen oder für Ihre Schwester durchsetzen wollen: Tun Sie es Ihrer Tochter zuliebe. Denn sonst wird die nächste deutsche Generation erneut keine weiblichen Vorbilder vorfinden, aber dafür die alten Rollenmuster. Und der Kampf wird wieder von vorne anfangen, wie seinerzeit für die Mama und Oma."
Barbara Bierach
Das dämliche Geschlecht
Warum es im Management kaum Frauen gibt
Wiley-VCH Verlag Weinheim, April 2002
ISBN/EAN 3-527-50026-X
Preis: 24,90 EUR90008115&artiId=1260897&nav=5081" .