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Beitrag vom 21.01.2012
Maria L. Brendel – Die Macht der Frau. Rubens` letztes Modell Helene Fourment
Anne Fröhlich
Üppig, drall und sehr feminin – so zelebrierte der wohl berühmteste Maler des Barockzeitalters, Peter Paul Rubens, den weiblichen Körper in seinen Gemälden. Haben uns seine Bilder heute noch...
etwas zu sagen? Und wenn ja, was? Damit beschäftigt sich Maria L. Brendel in ihrem Buch, das einen Bogen spannt zwischen dem 17. Jahrhundert bis in die Moderne, bzw. Postmoderne, rund 300 Jahre später.
"Rubenssche Ausmaße", dieses geläufige Synonym für Überfluss und Opulenz, sagt im Grunde schon alles: Die Figuren der Frauen in Rubens´ Werken sind ausladend, verglichen mit dem vorherrschenden Schönheitsideal des 21. Jahrhunderts, wirken sie gar "fettleibig" und "deformiert".
Wie wurden die Bilder des Malers von seinen Zeitgenössinnen und Zeitgenossen aufgenommen und wie wirken sie heute? Dieser Frage nähert sich die Autorin, indem sie ihr Buch in zwei Teile splittet. Im ersten Teil beleuchtet sie die Hintergründe aus Rubens´ Biographie und aus den historischen Gegebenheiten seiner Zeit, die sie für wesentlich zur Erklärung besonderer Aspekte seiner Kunst hält. Anschließend widmet sie sich vor allem den Rubens-Rezeptionen im ausgehenden 20. bis hinein ins 21. Jahrhundert.
Auf diesem Weg ergeben sich interessante neue Sichtweisen und Gedanken, die uns den Barockkünstler und seine Malerei näher bringen. Beide Zeitabschnitte sind gekennzeichnet durch signifikante gesellschaftliche Einschnitte und Umbrüche, vor allem in Bezug auf das jeweilige Frauenbild. Während die Frau im 17. Jahrhundert erstmals als eigene Geschlechterkategorie wahrgenommen und akzeptiert wird (zuvor war das "Weibliche" eher eine gewissermaßen unterentwickelte Form der Kategorie "Männlich" angesehen worden), wurden die Frauen in den letzten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts zunehmend auch im öffentlichen Sektor (Arbeit und Politik) sichtbar und erkämpften sich einen gleichberechtigteren Platz neben den Männern.
Besonderes Augenmerk richtet Brendel gemäß dem Titel ihre Buches auf Rubens´ zweite Ehefrau, Helene Fourment. Nur sie malte er wiederholt nackt, baute ihre Gesichtszüge und Körpermerkmale gar in zahlreiche Gemälde ein, die beispielsweise die Venus oder andere klassische Motive darstellten. Damit folgte Rubens keineswegs einer Tradition seiner Zeit, ganz im Gegenteil brach der Maler mit dieser und auch anderen expliziten oder impliziten Regeln seiner Zunft. Seine Frauendarstellungen entsprachen keineswegs dem verbreiteten Schönheitsideal, auch im 17. Jahrhundert gingen die Meinungen zu seinen Bildern weit auseinander. Gewöhnlich waren eher klassische, idealisierte und vor allem weniger nackte und detaillierte Darstellungen.
Auffällig ist, dass die Reaktionen auf Rubens´ Bilder meist heftig und kontrovers ausfallen... Die Gründe hierfür sucht Brendel neben den oftmals überlebensgroßen Maßen der Gemälde und der dargestellten Personen, sowie die ihnen eigene Lebendigkeit und Realitätsnähe, was zu einer direkten Einbeziehung der BetrachterInnen in die Szenerie führt, in einigen psychoanalytischen Ansätzen, von Sigmund Freud, über Walter Benjamin bis hin zu Melanie Klein. Allerdings wirken manche Assoziationen, beziehungsweise Interpretationen, zumindest gewagt, etwa wenn die Autorin in einem verschwindend kleinen Dackel am äußersten Rande einer Fotografie von Peter Dressler Ende der 1980er eine Anspielung auf ein paar Hunde in einem Gemälde von David Teniers aus dem 17. Jahrhundert sieht.
AVIVA-Fazit: "Die Macht der Frauen" hält zwar einige neue und interessante Gedanken bereit, die das Werk des flämischen Barockmalers in einem neuen Licht erscheinen lassen, leider mindert jedoch die oftmals sehr umständliche Ausdrucksweise das Lesevergnügen und so manche von Maria L. Brendel gestellte Hypothese erscheint weit hergeholt.
Zur Autorin: Maria L. Brendel studierte Kunstgeschichte, Museums- und Filmwissenschaften sowie Neue Medien an der McGill University in Montreal, der University of Southern California in Los Angeles und der Cornell University in Ithaca/New York. Sie veröffentlicht regelmäßig Rezensionen und Kritiken, unter anderem in artUS, Etc. und Ciel Variable. Die Autorin lehrt und lebt in Kanada.
(Quelle:www.parthasverlag.de)
Maria L. Brendel
Die Macht der Frau. Rubens` letztes Modell Helene Fourment
Parthas Verlag Berlin, erschienen September 2011
ISBN 978-3-86964-037-2
16,90 Euro
200 Seiten, gebunden
Weitere Informationen finden Sie unter:
www.parthasverlag.de