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AVIVA-BERLIN.de im Dezember 2024 - Beitrag vom 10.08.2008


Chantal Louis - Monika Hauser. Nicht aufhören anzufangen
Britta Leudolph

Chantal Louis zeichnet in dieser Biographie das Leben der Ärztin Monika Hauser nach, die sich 1992 nach Bosnien aufmacht, um kriegstraumatisierten Frauen medizinische und therapeutische Hilfe...




...zu geben.

Monika Hauser, eine junge Ärztin, bewirbt sich gerade auf eine Stelle im außereuropäischen Ausland als sie einen Artikel im "Stern" über den Krieg auf dem Balkan liest: "Vergewaltigung als Waffe". Einerseits ist die engagierte Medizinerin von der reißerischen Aufmachung des Textes und den dazugehörigen Bildern angewidert. Vor allem aber sind ihr durch ihre Ausbildung und ihre berufliche Tätigkeit die Folgen sexualisierter Gewalt nur all zu bewusst: Wenn auch die körperlichen Verletzungen heilen, leiden die Frauen jahrelang unter den seelischen Wunden, manche den Rest ihres Lebens.

"Ob eine Frau je wieder Zugang zu ihrem Körper, ihrer Seele findet, hängt von der Hilfe ab, die sie bekommt. Sie muss über das Grauen sprechen können und auf verständnisvolle und therapeutisch geschulte Ohren stoßen. Sie darf nicht an Ärzte geraten, die durch unsensibles Verhalten bei ihren gynäkologischen Untersuchungen dafür sorgen, dass die Frau sich erneut missbraucht fühlt. Sie darf nicht gezwungen werden, das Kind auszutragen, das bei einer Vergewaltigung entstanden ist. Monika Hauser ist sicher, dass die Frauen in den Flüchtlingslagern diese Hilfe nicht bekommen."

Vor diesem Hintergrund fällt Dr. Monika Hauser einen weit reichenden Entschluss: Sie will nach Bosnien, vor Ort helfen und unterstützen. Schnell muss sie feststellen, dass ihre Hilfe nicht unbedingt gewollt ist: nach mehreren Absagen verschiedener Hilfsorganisationen beschließt sie, auf eigene Faust aufzubrechen. Was sie auf die Beine stellt ist fast unglaublich: mitten im Kriegsgebiet, in der kleinen Stadt Zenica, gründet sie gemeinsam mit einer Handvoll Mitstreiterinnen medica Zenica, weltweit das erste Therapiezentrum für kriegstraumatisierte Frauen.

Gleichzeitig wird Hauser nicht müde, die Zustände auch in der deutschen Öffentlichkeit anzuprangern, mit Nachdruck appelliert sie an PolitikerInnen, nicht die Augen vor der humanitären Katastrophe auf dem Balkan zu verschließen. Für ihren Einsatz erhält die Aktivistin mehrere Auszeichnungen - unter anderem den Preis "Frauen Europas 1995", den "Gustav-Heinemann-Preis" und den "Alternativen Nobelpreis 2008" - doch die Anstrengungen fordern einen hohen Tribut. Sie erleidet eine Fehlgeburt und muss sich selbst in therapeutische Behandlung begeben.

Mit ihrer Arbeit haben Monika Hauser und ihre Kolleginnen den Grundstein in vielerlei Hinsicht gelegt: Sie geben traumatisierten Frauen einen geschützten Raum, haben Therapien entwickelt, die den Opfern sexualisierter Übergriffe helfen, das Erlebte zu verarbeiten. Gleichzeitig engagieren sie sich auf politischer und juristischer Ebene für die Ächtung sexualisierter Gewalt. Aus medica Zenica wurde in den letzten 15 Jahren medica mondiale, eine internationale Hilfs- und Menschenrechtsorganisation, die sich heute auch in anderen Krisengebieten der Welt engagiert, aber ebenso immer wieder auf die sexualisierte Gewalt im Alltag zu Friedenszeiten hinweist.

Zur Autorin: Chantal Louis ist seit 1994 als Autorin und Redakteurin für die Zeitschrift EMMA tätig. 2001 recherchierte und berichtete sie zur Lage der Frauen im Benin. Sie arbeitet als freie Journalistin unter anderem für den Deutschlandfunk und den WDR.

AVIVA-Tipp: Chantal Louis ist eine beeindruckende Biographie einer bemerkenswerten Frau gelungen. Was Monika Hauser und ihr Team leisten, geht oft über das Vorstellbare hinaus, zeigt aber auch, wie mit viel Energie, Beharrlichkeit und einer ausreichenden Portion Wut Großartiges geschaffen werden kann. Das Buch zeigt, wie wichtig Öffentlichkeitsarbeit zu diesem oft verschwiegenen oder heruntergespielten Thema ist: sexualisierte Gewalt ist eine Menschenrechtsverletzung, die überall auf der Welt auftritt, die Opfer werden weiterhin stigmatisiert und aus der Gesellschaft ausgeschlossen. Umso wichtiger ist das Engagement der Frauen von medica mondiale, die den Betroffenen eine Stimme verleihen und ihnen die Möglichkeit geben, ihr Leben wieder selbst in die Hand zu nehmen.

Monika Hauser – Nicht aufhören anzufangen
Eine Ärztin im Einsatz für kriegstraumatisierte Frauen
Chantal Louis
Rüffer und Rub Verlag, erschienen Juni 2008
Gebunden, 250 Seiten
ISBN 978-3-907625-41-5
19,80 Euro

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Literatur

Beitrag vom 10.08.2008

Britta Leudolph