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AVIVA-BERLIN.de im Dezember 2024 - Beitrag vom 18.07.2022


Sibylle Bergemann. Stadt Land Hund. Photographs 1966–2010
AVIVA-Redaktion

Über mehr als vier Jahrzehnte schuf die Berlinerin mit ihrem ureigenen Stil ein beeindruckendes Werk aus Stadt-, Mode- und Porträtaufnahmen sowie essayistischen Reportagen. Wiederkehrende Motive sind die Stadt, Frauen und…




… immer wieder auch Hunde. Der Wunsch zu Reisen, auch und besonders zu DDR-Zeiten, war ihr dabei wichtiger Impuls für ihre fotografische Arbeit weltweit: Moskau, New York, Zoppot, Tokio und Paris gehörten zu ihren Zielen wie Mali, Dakar oder Ghana.

Sibylle Bergemanns (1941–2010) Liebe zur Fotografie begann, als sie fünfzehn Jahre alt war. Sie beschloss, Fotografin werden, machte 1958 jedoch zunächst jedoch eine kaufmännische Ausbildung und arbeitete in verschiedenen Betrieben als Sekretärin. Ab 1965 war sie für die illustrierte Monatszeitschrift "Das Magazin" in Berlin tätig, wo sie sie den Fotografen und ihren späteren Lebenspartner Arno Fischer (1927–2011) kennenlernt, der damals an der Hochschule für bildende und angewandte Kunst in Weißensee unterrichtete.

Sibylle Bergemann beginnt ab 1966 zu fotografieren und ist ab 1967 freie Mitarbeiterin für DDR-Zeitschriften wie Sonntag und Das Magazin, von 1970–1995 auch für Sibylle. Zeitschrift für Mode und Kultur. Nach der Öffnung der Mauer beginnt für sie eine neue Etappe in ihrer Karriere, ihre Reportagen – nun in Farbe statt in Schwarz-weiß – führten sie rund um den Globus.

Berlin ist und bleibt jedoch über Jahrzehnte hinweg Basis, Thema und Kulisse und bildet das Zentrum ihrer Aufnahmen: In ihren sorgfältig komponierten Aufnahmen ebenso wie in Momentaufnahmen interpretiert sie subtil scheinbar Gegensätzliches in poetische Schönheit. In der DDR setzt sie das abgerissene historische Amtsgericht in den Kontrast zur modernen Glasfassade des "Haus des Lehrers". Durchweg versucht Bergemann, mit einer eigenen Bildsprache ihre künstlerische Autonomie jenseits des parteilich verordneten Bildkanons zu behaupten, ohne dabei Veröffentlichungsverbote zu riskieren. Sie ist auf den großen Ausstellungen der DDR vertreten. Im wiedervereinten Deutschland hält sie den Rückbau des Palasts der Republik, einst kulturpolitisches Symbol der DDR, vor dem neobarocken Berliner Dom fest.

Und sie gründet im Oktober 1990 zusammen mit Harald Hauswald, Ute Mahler, Werner Mahler, Jens Rötzsch, Thomas Sandberg und Harf Zimmermann "OSTKREUZ – Agentur der Fotografen". Sie setzen sich zum Ziel, durch gegenseitige Unterstützung im westlichen Betrieb selbstständig zu bleiben und die eigenen Bildrechte zu sichern. Sibylle Bergemann fotografierte für GEO, Die Zeit, Stern oder das New York Times Magazine.

Bilder von Frauen prägen das Œuvre der Fotografin. Oft sind es Schauspielerinnen, Künstlerinnen, Autorinnen und Mannequins, die Bergemann aus ihrem Selbstverständnis als Frau fotografiert. Ausdruck und Pose der Dargestellten sind immer authentisch und stark. Sie möchte "die Wirklichkeit in die Bilder bringen", hält sie 1994 fest. Unter den Porträtierten sind legendäre Aufnahmen von Katharina Thalbach oder Angelica Domröse. In ihrem Beitrag "Revolution ohne Ansage oder Aufruhr in den Augen Sibylle Bergemanns Typologien von Weiblichkeit" schreibt Susanne Altmann es sei "die Haltung, die in ihren Frauenporträts zählt.".
Diese Linie verfolgte sie auch in der legendären Modezeitschrift der DDR, der Sibylle, in der ihre Arbeiten regelmäßig veröffentlicht wurden. Es waren nicht nur großartig komponierte Modeaufnahmen, die sie für das Kultmagazin anfertigte, sondern auch Aufnahmen in Fabriken, wo sie Arbeiterinnen und deren Lebenswelten abbildete.

Der im Hatje Cantz Verlag erschienene Katalog stellt auf verschiedenen Erzählebenen den vielfältigen Bilderkosmos von Sibylle Bergemann vor und versammelt über 200 Fotografien sowohl aus den Sammlungsbeständen der Berlinischen Galerie als auch dem Nachlass der Fotografin, der von ihrer Tochter Frieda von Wild und Enkelin Lily von Wild verwaltet wird. Erstmals werden dabei auch ausgewählte Motive des Frühwerks gezeigt.

AVIVA-Tipp: Katalog wie Ausstellung gleichermaßen dokumentieren auf umsichtige Weise das umfassende Oeuvre der Ausnahmefotografin Sibylle Bergemann. Die Beiträge im Buch beleuchten Hintergründe wie die fotografische Arbeitsweise mit verschiedensten Aufnahmeformaten ebenso wie die Herausforderungen des Reisens, dem sie zu Zeiten der DDR zu kämpfen hatte und geben daneben auch Einblicke in ihr privates Leben. Ein wertvolles Zeitdokument.

Sibylle Bergemann
Stadt Land Hund. Photographs 1966–2010

Hrsg. Berlinische Galerie, Texte von Susanne Altmann, Bertram Kaschek, Anne Pfautsch, Katia Reich, Jan Wenzel, Frieda von Wild, Lily von Wild, Gestaltung von Büro Otto Sauhaus
Hatje Cantz Verlag, erschienen 2022
Deutsch, Englisch. 264 Seiten, 250 Abb., Klappenbroschur, 21,70 x 28,00 cm
ISBN 978-3-7757-5207-7
€ 48,00
Mehr zum Buch, Abbildungen und zum Sibylle Bergemann-Podcast, sowie Bestellung unter: www.hatjecantz.de/sibylle-bergemann

Die gleichnamige Ausstellung läuft in der Berlinischen Galerie vom 24.6. bis zum 10.10.22.
Berlinische Galerie
Landesmuseum für Moderne Kunst, Fotografie und Architektur
Alte Jakobstraße 124 –128
10969 Berlin
Eintritt 10 €, ermäßigt 6 €
Mi – Mo 10 – 18 Uhr, Di geschlossen
Mehr Infos: www.berlinischegalerie.de/sibylle-bergemann/

Mehr Informationen zu Sibylle Bergemann und der Agentur OSTKREUZ unter: www.ostkreuz.de/fotografen/sibylle-bergemann

Weiterlesen auf AVIVA-Berlin:

DIE SIBYLLE. Liebeserklärung an eine große Zeitschrift
Persönliche Erinnerungen und ein Interview mit SIBYLLE-Fotografin und Agentur OSTKREUZ Mitbegründerin Ute Mahler anlässlich der Ausstellung im Willy-Brandt-Haus Berlin
Die SIBYLLE. Ost-Vogue, Vogue des Ostens. Dass Mode und Modefotografie nicht nur elegant oder praktisch, sondern auch politisch sein konnte, bewies die SIBYLLE von 1956 bis 1995 mit jeder neuen Ausgabe. Im Interview mit Fotografin Sharon Adler spricht die SIBYLLE-Fotografin Ute Mahler über die Abbildung eines selbstbewussten Frauenbilds, den Mut zur Individualität und das Arbeiten mit Symbolen vor dem Hintergrund drohender Zensur. (2019)

SIBYLLE. 200 Fotos aus Modestrecken und Reportagen in der Ausstellung vom 7. Juni bis 25. August 2019 im Willy Brandt Haus
SIBYLLE, die wohl bekannteste Mode- und Kulturzeitschrift der DDR, feiert ihr Comeback in einer großartigen Ausstellung. Im Mittelpunkt stehen dreizehn Fotograf*innen: Sibylle Bergemann, Arno Fischer, Ute Mahler, Werner Mahler, Sven Marquardt, Elisabeth Meinke, Roger Melis, Hans Praefke, Günter Rössler, Rudolf Schäfer, Wolfgang Wandelt, Michael Weidt, Ulrich Wüst. Sie alle prägten den fotografischen Stil des Magazins entscheidend.

Sibylle. Zeitschrift für Mode und Kultur 1956 -1995. Sibylle Bergemann, herausgegeben von Frieda von Wild, Lily von Wild
Vergangen, aber nicht vergessen. Anlässlich des 75. Geburtstages, den Sibylle Bergemann am 29. August 2016 gefeiert hätte, und des Jubiläums "25 Jahre OSTKREUZ – Agentur der Fotografen", erschienen großartige Publikationen (2017)

Sibylle Bergemann - Die Polaroids
Der Nachlass der wohl berühmtesten Modefotografin der DDR und Mitbegründerin der Berliner Agentur Ostkreuz, erschien bei Hatje Cantz anlässlich der gleichnamigen Ausstellung im C/O Berlin im Jahr 2011.

Nie wieder Sibylle
"Träum nicht, Sibylle" heißt der Dokumentarfilm über die Geschichte der unkonventionellen Frauen-Zeit-Schrift Sibylle, die in der DDR ein Hit war. (2003)


Quelle: Pressemitteilung Berlinische Galerie, 23. Juni 2022




Literatur

Beitrag vom 18.07.2022

AVIVA-Redaktion