Dan Morain – Kamala Harris. Die Biografie - Aviva - Berlin Online Magazin und Informationsportal für Frauen aviva-berlin.de Literatur



AVIVA-BERLIN.de im November 2024 - Beitrag vom 03.02.2021


Dan Morain – Kamala Harris. Die Biografie
Silvy Pommerenke

"Du magst die Erste sein, die viele Dinge tut, aber stell sicher, dass du nicht die Letzte bist" ermahnte Shyamala Gopalan Harris, die Mutter der neuen Vizepräsidentin der USA, Kamala Harris. Wie ihr Weg zur ersten Frau und zugleich die erste Person of Color in dieser Position verlief, ist in der ersten deutschsprachigen und spannenden Biografie nachzulesen.




Das Buch

Die Lebensgeschichte von Kamala Harris, die Dan Morain aufgeschrieben hat, wurde zwar nicht von der amtierenden US-Vize-Präsidentin autorisiert (was an ihrem knappen Terminkalender lag – zu sehr war sie während der Entstehungszeit des Buches mit dem Wahlkampf beschäftigt) -, aber Morain hält sich vielfach an die Autobiographie von Kamala Harris, die sie unter dem Titel "The Truths We Hold: An American Journey" im Januar 2019 veröffentlichte (sie erscheint in deutscher Übersetzung im März 2021 beim Siedler-Verlag). Neben den autobiografischen Aufzeichnungen stützt er sich auf Interviews mit politischen Weggenoss*innen, Zeitungsartikel und Sitzungsprotokolle.

Er betrachtet nicht nur die politische Karriere von Kamala Harris, sondern stellt parallel dazu den zeithistorischen Kontext. Das ist insofern wichtig, weil Harris als Tochter einer Inderin und eines Jamaikaners einen besonderen und vor allem schwierigeren Karriereweg als eine weiße US-Amerikanerin hatte. Trotz dieser erschwerten Bedingungen legt sie eine beeindruckende Karriere hin, die den "Amerikanischen Traum" Wirklichkeit werden lässt.

Es wird ihr kometenhafter Aufstieg geschildert, wie sie sich innerhalb kürzester Zeit nach ihrem Jura-Studium von einer stellvertretenden Bezirksstaatsanwältin bis zur Senatorin in Kalifornien hocharbeitet. Sie ist eine enorme Netzwerkerin, hat ein klares Ziel vor Augen und scheinbar nichts lässt sie aus ihrem Konzept bringen. Sie steht von Anfang an auf der demokratischen Seite, sicherlich auch bedingt durch ihre Eltern, die sie bereits als Kind mit auf politische Demonstrationen nahmen und ihr damit den Zugang zur kritischen Weltbetrachtung eröffneten.

Dan Morainhebt Kamala Harris´ Stärken hervor, wozu ihr Ruf als knallharte Ermittlerin und ihr Ehrgeiz zählen, ihre intensive Vorbereitung vor Sitzungen oder Rechtsfällen, ihre Klugheit oder ihre Effizienz. Neben diesen beruflichen Skills ist sie aber vor allem eins: menschlich und nahbar.

Die Familie

Die Mutter Shyamala Gopalan Harris, tamilischer Abstammung, promovierte in Ernährungswissenschaften und Endokrinologie und forschte zum Thema Brustkrebs, der Vater, Donald J. Harris, stammte aus Jamaika, studierte Wirtschaftswissenschaften und wurde später der erste Schwarze Wirtschaftswissenschaftler mit einer Festanstellung an der ökonomischen Fakultät von Stanford. Bis heute hat er den Status eines emeritierten Professors. Beide Eltern engagierten sich in der Bürger*innenrechtsbewegung und ließen sich 1972 nach einer dreijährigen Trennungszeit scheiden. Die beiden Töchter (Kamala, geboren 1965, und die jüngere Schwester Maya, geboren 1967, die ebenfalls Jura studiert hat und später zum Wahlkampf-Team von Kamala Harris gehörte) blieben bei der Mutter. Über ihre Mutter sagt Kamala: "Sie war eine Naturgewalt und die größte Inspiration in meinem Leben" – als sie 2009 an Krebs starb, riss das eine riesige Lücke in das Leben von Kamala.

Das universitäre Fundament

1986 machte Kamala Harris ihren Bachelor-Abschluss in Politikwissenschaft und Volkswirtschaft an der Howard University in Washington, eine 1867 ursprünglich für Afroamerikaner*innen gegründete private Hochschule, und gehörte der studentischen Verbindung Alpha Kappa Alpha an. 1989 absolvierte sie ihr juristisches Staatsexamen im zweiten Anlauf und begann ihre berufliche Karriere als stellvertretende Bezirksstaatsanwältin in der kalifornischen Kleinstadt Alameda.

Die juristische Karriere

Durch die Beziehung zwischen 1994 und 1995 zu Willie Brown, einem afro-amerikanischen Politiker, bekam sie Kontakt zu den politischen Größen des Landes, und lernte, wie frau einen Wahlkampf führt.
Ihre Karriere ab Mitte der 1990er Jahren begann in einem Landesausschuss, führte sie zu einer ersten leitenden Position und in das Kuratorium des San-Francisco Museum of Modern Art. Sie zeigte sich auf wichtigen öffentlichen und glamourösen Veranstaltungen und geriet immer mehr ins Rampenlicht.
2002 gewann sie die Wahl zur Bezirksstaatsanwältin. Ihr Programm: die Verurteilungsquote zu erhöhen und gegen die Kriminalität anzugehen. Gleichzeitig setzte sie sich gegen die Todesstrafe ein, was bei den Republikaner*innen zwar mehrheitlich auf Ablehnung stieß. Bestätigt in ihrer zweiten Amtsperiode wurde sie dennoch. Ihre geschickte Taktik war, weniger links als ihre Gegner*innen zu wirken. Sie versprach einerseits Reformen und appellierte andererseits gleichzeitig an die konservativen Wähler*innen.

2010 ging sie als Siegerin bei der Wahl zur Generalstaatsanwältin von Kalifornien hervor, ein Amt, das als Sprungbrett ins Amt der Gouverneurin diente. Auf ihrem Programm stand nach wie vor die Ablehnung der Todesstrafe – auch wenn sie sich öffentlich dazu nicht äußerte –, die Befürwortung der gleichgeschlechtlichen Ehe und der Einsatz für Umweltschutz. Auch vier Jahre später konnte sie ohne sonderliche Schwierigkeiten die Wahl zur Generalstaatsanwältin zum zweiten Mal gewinnen. Kurz nach der Wahl bewarb sie sich um das Amt als Senatorin - der Sieg war ihr gewiss.

Die politische Karriere

Die Wahl von Donald Trump zum Präsidenten war auch für Kamala Harris ein Schock. Sie machte es sich fortan zur Aufgabe, den politischen Widerstand gegen den frauenverachtenden, rassistischen und korrupten Präsidenten anzuführen. Dazu gehörte in erster Linie Trumps Vorgehen gegen Einwanderer, Arbeiter*innenfamilien und People of Color.
Ende Januar 2019 kündete Kamala Harris an, dass sie für das Amt der Präsidentin der USA kandidieren würde. Sie legte einen phänomenalen Start hin, doch ihre Umfragewerte stürzten bald in den einstelligen Bereich ab, was vor allem daran lag, dass sie nicht genügend Spendengelder einholen konnte. Daraufhin beschloss sie, ihre Kandidatur zurückzuziehen.

Im März 2020 teilte Joe Biden mit - er stand kurz vor seiner Nominierung zum US-Präsidenten -, dass er das Vize-Präsidentenamt mit einer Frau besetzen wolle. Das war Kamala Harris Chance. Unter allen Anwärterinnen entschied sich Joe Biden für Kamala Harris. Eine gute Wahl, wie der Ausgang der Präsidentschaftswahl gezeigt hat. Nun muss die Zukunft zeigen, dass die beiden auch halten, was sie versprechen.

AVIVA-Tipp: Die Biografie über Kamala Harris ist das spannende Portrait einer zielstrebigen, engagierten und sympathischen Politikerin, die sich für soziale Themen, den Umweltschutz aber auch für die Bekämpfung von Kriminalität einsetzt. Kamala Harris versteht es, durch geschicktes Agieren auch republikanische Anhänger*innen für sich zu gewinnen. Es wird spannend, was sie in den nächsten vier Jahren in ihrem Amt als Vize-Präsidentin bewirken und ob sie die gespaltene USA wieder versöhnen kann.

Kamala Harris im Netz:
Auf Twitter und auf Instagram.
Die offizielle Seite des Weißen Hauses sowie im Biographischen Verzeichnis des Kongresses der Vereinigten Staaten.

Zum Autor: Dan Morain, ein Journalist aus Kalifornien, schreibt seit über 40 Jahren über politische und juristische Themen. Er war 27 Jahre lang als Redakteur bei der Los Angeles Times und acht Jahre bei der Sacramento Bee tätig.

Dan Morain – Kamala Harris – Die Biografie
Heyne Verlag, Erscheinungstermin 01/2021
Gebunden, 384 Seiten mit 8 S. farbiger Bildteil
Originaltitel: Kamala´s Way
Ãœbersetzer*innen: Sylvia Bieker, Christiane Bernhardt, Karsten Singelmann, Astrid Becker, Eva Schestag, Henriette Zeltner-Shane, Pieke Biermann, Hella Reese, Stephan Kleiner
ISBN 978-3-453-21824-6
Euro 22,00
Mehr zum Buch unter: www.randomhouse.de

Weiterlesen auf AVIVA-Berlin:

Megan Rapinoe – One Life. Das Leben der Fußballikone und ihr Kampf gegen Diskriminierung und Rassismus Megan Rapinoe, Weltfußballerin des Jahres 2019, Kapitänin des US-amerikanischen Fußballteams und politisch engagierte Frau, hat mit CO-Autorin Emma Brockes ihre Geschichte aufgeschrieben. Dabei geht es um weit mehr als ihre sportliche Karriere, sondern auch um ihr Engagement gegen die Ungleichbehandlung von LGBTQ im Sport, ihr Engagement gegen soziale Ungerechtigkeit und Rassismus und nicht zuletzt gegen den Gender-Pay-Gap. (2020)

Michelle Obama - Becoming. Meine Geschichte
"Becoming", die atemberaubenden Memoiren der einstigen First Lady der USA sind kaum aus der Hand zu legen und ein wahrer page-turner. Kein Wunder, dass Michelle Obama damit überall auf der Welt die Buchlisten anführt. Neben der Schilderung ihres beruflichen Werdegangs und der romantischen Liebesgeschichte mit Barack lüftet sie auch ein paar Geheimnisse rund um das Weiße Haus. (2018)

RBG - Ein Leben für die Gerechtigkeit. Ein Dokumentarfilm von Betsy West und Julie Cohen über Ruth Bader Ginsburg, Kinostart am 13.12.2018
Die 85-jährige Frauenrechts-Ikone, die Richterin am Supreme Court Ruth Bader Ginsburg, bei ihren jungen Fans auch als Notorious RBG bekannt, kämpft seit den 1970er Jahren für Geschlechtergerechtigkeit und Menschenrechte. Der Dokumentarfilm zeigt den Lebensweg der brillant argumentierenden Juristin und jüdischen Feministin, die 1993 als zweite Frau auf Lebenszeit an den Obersten Gerichtshof der USA berufen wurde.

Gloria Steinem - My Life on the Road
Die Ikone des amerikanischen Feminismus ist Mutmacherin und Rebellin. Sie ist aber auch himmlische Barkeeperin und reisende Feministin. Ihr Kick ist es, "on the Road" zu sein und Fragen zu stellen. Die Biographie ist eine Rückschau auf ein bewegtes Leben. (2016)

Lena Dunham - Not That Kind of Girl - Was ich im Leben so gelernt habe
Lena Dunham ist aus der Kult-Serie "Girls" bekannt und geliebt. In ihren Essays blickt sie jetzt humorvoll, kritisch und immer sehr persönlich auf Leben, Lieben, Kunst und Frau-Sein...(2014)

Julia Pierson beschützt Obama - erstmals eine Frau zur Chefin des Secret Service ernannt
Nachdem CNN Obamas Kabinett einen "boys club" nannte, erhebt der US-amerikanische Präsident nun eine Frau an die Spitze der Behörde, die unter anderem für seine persönliche Sicherheit zuständig ist. (2013)

Betty Anne Waters
Eine Frau aus dem amerikanischen Arbeiterinnenmilieu hat sich ein klares Ziel gesetzt: Sie studiert Jura, nicht der Karriere wegen, sondern um die Unschuld ihres wegen Mordes inhaftierten Bruders zu beweisen. (2011)

Madeleine K. Albright - Der Mächtige und der Allmächtige
Die ehemalige US-Außenministerin Madeleine K. Albright setzt sich in ihrem neuen Buch mit dem Einfluss der christlichen Rechten auf die Außenpolitik der USA auseinander. (2006)

Gelebte Geschichte - Die Autobiographie von Hillary Rodham Clinton
Wie war das mit Monica und der Zigarre? Wer sich Antworten auf diese Frage erhofft, sollte Hillary Clintons Erinnerungen nicht lesen. Statt intimer Details bietet sie Weltgeschichte aus erster Hand. (2003)

Die Autobiographie einer außergewöhnlichen Frau - Madeleine Korbel Albright
Direkt, unerschrocken, manchmal unkonventionell, immer für die Freiheit eintretend. So übte die Außenministerin der USA ihr Amt aus. Hier spricht sie über ihre Erfolge und schlimmsten Niederlagen. (2003)


Literatur

Beitrag vom 03.02.2021

Silvy Pommerenke