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Beitrag vom 14.12.2020
Daniela Schenk - Mein Herz ist wie das Meer
Gertrud Lehnert
Dieser ungewöhnliche Roman erzählt eine besondere Liebesgeschichte: Er erzählt von der Liebe zwischen einer "ganz normalen" Geschichtslehrerin, Zazou beziehungsweise Zsa Zsa, und der bipolaren Amelie.
Deren Gemütszustände und Verhaltensweisen wechseln zwischen den Extremen manisch und depressiv und die sich deshalb eigentlich nicht auf eine Beziehung einlassen möchte, es aber doch tut: "Als ich Zsa Zsa das erste Mal sah, wurde die Welt eine andere."
Die beiden unterschiedlichen Frauen lernen sich während einer Zugfahrt kennen. Tägliche Gespräche im Zug folgen und werden für beide immer wichtiger. Amelie hält sich allerdings mit Informationen über sich selbst und ihr Leben auffallend zurück, und sie verschwindet jedes Mal sehr plötzlich, wenn der Zug sich dem Bahnhof nähert. Zazou stellt Nachforschungen an und erfährt, dass Amelie eine bekannte Künstlerin ist.
Die beiden kommen zusammen und werden ein Liebespaar.
Im Wechsel der Kapitel erzählt jede ihre Geschichte selbst, aus ihrer jeweils eigenen Perspektive – eine ausgezeichnete Erzählstrategie, die es den Leserinnen erlaubt, ganz direkt teilzunehmen und die Figuren sehr gut kennenzulernen. Wir erfahren auf diese Weise zunächst immer mehr über die beiden Protagonistinnen als die beiden übereinander.
Zusätzlich wird in den Amelie-Kapiteln häufig die Typographie eingesetzt, um Amelies Gemütszustände ganz direkt visuell zu vermitteln: Sie wechselt zwischen den Extremen "himmelhochjauchzend" und "zu Tode betrübt". Die depressiven Phasen sind typographisch markiert durch abgerissene, mit Punktreihen voneinander abgesetzte Sätze, durch Fettdruck des zentralen Wortes "angst" und – ganz besonders gelungen – ein winzig gesetztes "ich", das auch noch unter den Zeilenrand fällt. In anderen Kapiteln wird das "Ich", um den manischen Zustand Amelies zu verdeutlichen, typographisch gigantisch aufgebläht zu einem fettgedruckten "ICH", das sich leicht über die Zeile erhebt; ferner durch direkte emotionale Ausbrüche Amelies oder auch einmal durch italienische Gedichtzeilen, die kreuz und quer übereinandergelegt werden. Sogar als Göttin, Gott bezeichnet sie sich. Die Kombination aus sprachlichen und visuellen Elementen ist originell und sehr wirkungsvoll, weil die Leserin ganz unmittelbar in Amelies Gemütszustand einbezogen wird.
Zazou hingegen erzählt ihre Perspektive vergleichsweise traditionell, freilich sehr differenziert, so dass Glück und Unglück, Probleme und Chancen des Zusammenlebens mit einem bipolaren Menschen den Leserinnen exemplarisch nachvollziehbar wird.
Die große Liebe bleibt nicht ungetrübt. Nach einigen Jahren hat Amelie Affären, sie wird zunehmend aggressiv, zieht sich von Zazou zurück, die Trennung ist unausweichlich. Erzählt wird von ihrem Schmerz und ihren diversen Neu-Orientierungen, von ihrem Leben zwischen den Extremen und von einer Katastrophe, die Amelie für sich selbst herbeiführt – und erzählt wird am Ende davon, wie sie und schließlich auch Zazou damit umgehen und leben lernen.
AVIVA-Tipp: Der Roman ist packend, weil er zwei Menschen, die sich lieben, in extremen Situationen zeigt, weil er die Probleme sichtbar macht, die die bipolare Amelie und die ganz normale Zazou miteinander und jeweils auch mit sich selbst haben. Der Roman ist sehr gut geschrieben und vom Verlag Krug & Schadenberg typographisch hervorragend gestaltet worden, so dass die Ausnahmebeziehung der beiden Protagonistinnen sowie ihre unterschiedlichen Charaktere nicht nur sprachlich benannt, sondern auch visuell ganz direkt vermittelt wird. Und last but not least: Mein Herz ist wie das Meer ist ein wunderbarer lesbischer Liebesroman.
Zur Autorin: Daniela Schenk, Jahrgang 1964, diplomierte Journalistin, lebt in Bern. Kurvenreiche Karriere mit Stationen bei: Genossenschaftskneipe, Nachtwache, Fernsehen, Werbung, Buchhandel, sozialpädagogischer Institution und Schulen. Mein Herz ist wie das Meer ist ihr neuntes Buch.
Weitere Informationen: www.daniela-schenk.ch
Daniela Schenk
Mein Herz ist wie das Meer
Roman
Verlag Krug & Schadenberg 2020
368 Seiten, Broschur
ISBN: 978-3-95917-019-2
Mehr zum Buch und Bestellinfos: www.krugschadenberg.de