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Beitrag vom 17.11.2020
Gesichter der Antimoderne. Gefährdungen demokratischer Kultur in der Bundesrepublik Deutschland. Herausgegeben von Dr. Martin Jander, Anetta Kahane.
Sharon Adler
Die Autorinnen und Autoren des Sammelbandes analysieren vor dem Hintergrund ihrer jeweiligen Themenfelder die Kontinuitäten von Antisemitismus und Antimoderne sowie ihre Präsenz in verschiedenen politischen Strukturen wie gesellschaftlichen Milieus. Weithin sichtbar in den wissenschaftlich-soziologischen, essayistischen oder empirischen Beiträgen werden die vielfältigen Erscheinungsformen von (Alltags)Antisemitismus und damit die Herausforderungen für die Demokratie: Zivilgesellschaft wie Politik oder Kunst und Kultur.
Ohne die Zurückdrängung des Rechtsradikalismus und Rechtsterrorismus heute wird die Bundesrepublik in einigen Jahren nicht mehr wiederzuerkennen sein," schreiben Martin Jander und Anetta Kahane im Vorwort von "Gesichter der Antimoderne". Sie fragen danach, "wie (aber) sehen die Gesichter der Antimoderne aus in der (heutigen) Bundesrepublik Deutschland", und sie gehen der Frage nach, welcher Mechanismen in der Bagatellisierung und Leugnung der Shoah sich die "Neuen Rechten" bedienen. Für diesen Sammelband haben sie Expert_innen dazu eingeladen, ihre Expertisen und Forschungsergebnisse in Beiträgen zur Verfügung zu stellen.
AVIVA-Berlin stellt anstelle einer ausführlichen tiefergehenden Rezension (auch aufgrund der Covid-19-Pandemie und den damit verbundenen Herausforderungen sowie der dem Thema geschuldeten Dringlichkeit) die Beitragenden sowie die Themen ihrer Beiträge) nur schlaglichtartig vor – verbunden jedoch mit einer unbedingten Lese-Empfehlung für dieses wichtige Buch.
Samuel Salzborn, Politikwissenschaftler, Antisemitismus- und Rechtsextremismusforscher und Antisemitismusbeauftragter des Landes Berlin schreibt über "Rechter Radikalismus und Rechtsterrorismus nach der Shoah" sowie zu "Das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) und der westdeutsche Rechtsterrorismus".
Natan Sznaider, Soziologe, wirft in "Antisemitismus und Moderne" vor dem Hintergrund der Frage danach, von wem eigentlich geredet und theoretisiert wird, "wenn wir über Juden sprechen und nachdenken" u.a. die weiterführende Frage danach auf, "Kann, ja, darf es einen distanzierten soziologischen Blick auf Antisemitismus geben?
Weitere Themen und Beitragende
Ãœbersicht
Fabian Bechtle und Leon Kahane, Denken in antimodernen Bildern: Kunst und Kulturpessimismus
Stefan Lauer, Gewalt gegen Geflüchtete: "Schwarmterrorismus"
Alan Posener, Die merkwürdige Liebe der Rechten zu Israel
Martin Kloke, "Beziehungsstatus: Es ist kompliziert": Die deutsche Linke und Israel
Susanne Bressan, Die "antifaschistische" Ideologie der Roten Armee Fraktion (RAF)
Tobias Ebbrecht-Hartmann, Im Schatten der Shoah: Israel und der bundesdeutsche Linksterrorismus
Ulrich Schuster, Der Aufstand als Selbstbestätigung. Eine Besichtigung linksradikaler Gewalt
Alan Posener, Das Ehepaar Lethen und der "Kampf des deutschen Volkes"
Martin Kloke, "Christliche Zionisten": Eine kritische Darstellung
Ido Zelkovitz, Der deutsche Arm der Fatah: Die Generalunion Palästinensischer Studenten (GUPS)
Ismail Küpeli, Der türkische Nationalismus als antipluralistische Ideologie
Anetta Kahane, Mitherausgeberin dieses Sammelbandes und hauptamtliche Vorstandvorsitzende der 1998 von ihr ins Leben gerufenen Amadeu Antonio Stiftung, die sich seit vielen Jahren nicht nur dafür einsetzt, die Fragilität der Demokratie in diesem Land sichtbar zu machen, sondern eben diese Demokratie zu verteidigen und Antisemitismus zu bekämpfen, hat ihren Beitrag unter dem Titel "Das Unbehagen am Jüdischen und die Antimoderne verfasst.
Dr. Martin Jander, Historiker, mit Anetta Kahane Mitherausgeber von Gesichter der Antimoderne, beschäftigt sich schon seit vielen Jahren u.a. mit der Geschichte der DDR und dem deutschen Linksterrorismus. Der Titel seines Beitrags lautet: "Djihadismus, Antisemitismus und Demokratie"
Gemeinsam ist den Autorinnen und Autoren dieses Bands, dass sie Antisemitismus als das definieren, was es ist: eine weltweite Bedrohung moderner demokratischer Gesellschaften. Eine Bedrohung, die schon lange vor der Shoah integraler Bestandteil national-europäischer Denkmuster war und noch lange nach der Shoah nicht mal eben verschwunden ist, im Gegenteil zu neuem rechtem gefährlichen Leben erwacht ist. Es gilt, die Herausforderungen anzunehmen, um dem ein Ende zu setzen. Dann hoffentlich für immer. In der Bundesrepublik Deutschland und modernen demokratischen Gesellschaften weltweit.
Ein "Nie wieder" ist aus den genannten Gründen definitiv nicht genug.
AVIVA-Tipp: "Gesichter der Antimoderne. Gefährdungen demokratischer Kultur in der Bundesrepublik Deutschland" liefert wertvolle Impulse, aufschlussreiche Forschungsergebnisse und nur marginal bzw. einem eher kleinen Kreis von Interessierten und Forschenden bekannte Informationen. Damit bietet die Publikation ausreichend Material für eine öffentlich geführte Diskussion, die längst überfällig ist und den altbekannten und in der Covid-19-Pandemie neu aufgewärmten Verschwörungsmythen der Rechtspopulist_innen etwas entgegensetzt: Ein Energy-tool-Kit gegen Antisemitismus, Antizionismus und Rasismus jeglicher Couleur.
Hinweis
Online-Buchpräsentation am Donnerstag, 19. November 2020 von 18:30 bis 21:00 Uhr
Das Buch wird vom Antisemitismusbeauftragten Berlins, Prof. Samuel Salzborn, den Politikwissenschaftlern Prof. Lars Rensmann (Universität Groningen) und Ismail Küpeli (Universität Köln) sowie den Herausgebenden des Bandes, der Gründerin und Leiterin der Amadeu Antonio Stiftung, Anetta Kahane, und dem Berliner Historiker Dr. Martin Jander, vorgestellt. Die Diskussion wird von der Literaturwissenschaftlerin Tahera Ameer geleitet, die als Projektleiterin zu historischen und aktuellen Fragen des Antisemitismus wie Rassismus für verschiedene Träger tätig ist.
Die Veranstaltung findet online statt per Live-Stream auf YouTube: youtu.be
Mehr Infos zur Veranstaltung: www.facebook.com/events/989668881525645
Martin Jander, Anetta Kahane (Hrsg.)
Gesichter der Antimoderne
Gefährdungen demokratischer Kultur in der Bundesrepublik Deutschland
Nomos Verlag, 1. Auflage 2020
ISBN print: 978-3-8487-6157-9, ISBN online: 978-3-7489-0279-9
Reihe: Interdisziplinäre Antisemitismusforschung/Interdisciplinary Studies on Antisemitism, Bd. 12
Mehr zum Buch: www.nomos-elibrary.de
Zu den Herausgeber_innen
Anetta Kahane, geboren 1954 in Ost-Berlin, wuchs in der DDR auf. Ihre Eltern waren als jüdische Kommunist*innen vor dem Nationalsozialismus geflohen und nach dem Krieg ins geteilte Berlin zurückgekehrt. Sie studierte Lateinamerikanistik und arbeitete als Übersetzerin. Als erste und einzige Ausländerbeauftragte des Magistrats von Ost-Berlin warnte sie schon früh vor den Gefahren des Rechtsextremismus. 1991 gründete sie den RAA e.V. (Regionale Arbeitsstellen für Ausländerfragen, Jugendarbeit und Schule) für die neuen Bundesländer und 1998 die Amadeu Antonio Stiftung, deren hauptamtliche Vorstandvorsitzende sie bis heute ist. 2002 wurde sie für ihr Engagement gegen Rechtsextremismus und für Zivilcourage mit dem Moses-Mendelssohn-Preis des Landes Berlin ausgezeichnet. Anetta Kahane ist Autorin des 2004 bei Rowohlt erschienenen Buches "Ich sehe was, was du nicht siehst". 2018 hat sie gemeinsam mit Martin Jander, Enrico Heitzer, und Patrice G. Poutrus das Buch "Nach Auschwitz: Schwieriges Erbe DDR. Plädoyer für einen Paradigmenwechsel in der DDR" herausgegeben.
Mehr Infos: www.amadeu-antonio-stiftung.de und www.facebook.com/AmadeuAntonioStiftung
Dr. Martin Jander geboren 1955 in Freiburg im Breisgau, arbeitet als Historiker, Journalist und Erwachsenenbildner in Berlin. Er forscht zur Geschichte der DDR und zum deutschen Linksterrorismus. Jander unterrichtet deutsche und europäische Geschichte an Dependancen der "Stanford University" und "New York University" in Berlin.
Veröffentlichungen (Auswahl): "Berlin (DDR) - Ein politischer Stadtspaziergang"
Informationen zu den Bildungs- und Aktionswochen gegen Antisemitismus 2020 und dem Programm der Aktionswochen sowie eine Chronik antisemitischer Vorfälle unter:
www.amadeu-antonio-stiftung.de
Weiterlesen auf AVIVA-Berlin:
Jahresbericht 2019 des Bundesverbands der Recherche- und Informationsstellen Antisemitismus e.V. (RIAS e.V.): Dokumentiert wurden 1.253 antisemitische Vorfälle in vier Bundesländern
Die vier 2019 aktiven zivilgesellschaftlichen Meldestellen für antisemitische Vorfälle, RIAS Bayern, RIAS Berlin, RIAS Brandenburg und LIDA Schleswig-Holstein, zeichnen ein präzises Bild über die Verbreitung von Antisemitismus im Alltag. Das ist das Ergebnis des am 06.05.2020 veröffentlichten ersten Berichts des Bundesverbands der Recherche- und Informationsstellen Antisemitismus (Bundesverband RIAS) e.V. (2020)
Delphine Horvilleur - Ãœberlegungen zur Frage des Antisemitismus
Delphine Horvilleur ist neben Pauline Bebe, Floriane Chinsky und Danièla Touati eine von vier Rabbinerinnen in Frankreich. In ihrem Essay schildert und analysiert sie verschiedenste Aspekte des Judenhasses sowie beleuchtet Verknüpfungen von Antisemitismus, Faschismus und Misogynie. Dazu wendet sie sich den Schriften aus der Torah und dem Talmud zu. (2020)
Gemeinsam gegen Antisemitismus: ZWST, Beratungsstelle OFEK und Bundesverband RIAS vereinbaren neue Kooperation
Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland e.V. (ZWST), die Beratungsstelle bei antisemitischer Gewalt und Diskriminierung OFEK e.V. und der Bundesverband der Recherche- und Informationsstellen Antisemitismus (RIAS) e.V. (2020)
Jahresbericht von RIAS Berlin: Antisemitismus 2018 gewalttätiger und direkter
Häufiger als zuvor nahm Antisemitismus im vergangenen Jahr in Berlin verrohte Formen an. Dies geht aus dem "Bericht antisemitischer Vorfälle 2018" hervor, den die Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus Berlin (RIAS Berlin) am 17.04.2019 vorstellte. In ihrer - auf AVIVA-Berlin veröffentlichten - Pressemitteilung dokumentiert RIAS Berlin Zahlen, Fakten und O-Töne. Außerdem in diesem Beitrag: Die AVIVA-Linkliste informiert zu Initiativen und Organisationen, die sich gegen Antisemitismus engagieren. (2019)
Antisemitismus in der Schule: Erste Bundesweite Bestandsaufnahme dokumentiert geringes Problembewusstsein und Engagement bei schulischen AkteurInnen und Bundesländern
Antisemitische Haltungen von LehrerInnen und SchülerInnen, antisemitische Inhalte und Weiterverbreitung von Klischeebildern in Schulbüchern. Das Schul- und Universitätssystem weist diverse Schwachstellen auf, die Antisemitismus in Bildungseinrichtungen erst möglich machen. Das Gutachten des Zentrums für Antisemitismusforschung der TU Berlin mit der Universität Gießen vom Januar 2019 liefert zwar keine Zahlen. Dafür zeigt es präzise auf, wo Handlungsbedarf besteht.
Erste bundesweite Meldestelle für antisemitische Vorfälle gegründet - Bundesverband RIAS
Betroffene und ZeugInnen von antisemitischen Vorfällen können diese seit dem 20.12.2018 nun auch bundesweit melden. Die 2015 gegründete Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus Berlin (RIAS Berlin) stellt dem Bundesverband der Recherche- und Informationsstellen Antisemitismus (Bundesverband RIAS) seine Meldetechnologie zur Verfügung. (2018)
RIAS-Bericht über das erste Halbjahr 2018: Antisemitismus gewalttätiger und gezielter
Die Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus Berlin (RIAS) stellte am 25.10.2018 den Bericht antisemitischer Vorfälle von Januar bis Juni 2018 vor. Insgesamt wurden 527 Vorfälle in Berlin erfasst. Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum (514 Vorfälle) blieb die Gesamtzahl erfasster antisemitischer Vorfälle in Berlin konstant auf hohem Niveau. Besonderen Anlass zur Sorge gibt die deutliche Zunahme gemeldeter antisemitischer Angriffe und Bedrohungen. Mehr Informationen sowie Links zu Initiativen gegen Antisemitismus auf AVIVA-Berlin. (2018)
Langzeitstudie im Juli 2018 erschienen: Antisemitismus 2.0 und die Netzkultur des Hasses
Das Thema: "Judenfeindschaft als kulturelle Konstante und kollektiver Gefühlswert im digitalen Zeitalter". Die auf umfangreichem Datenmaterial basierende Studie zeigt unter anderem: "Antisemitismen haben im Netz signifikant zugenommen und der klassische Judenhass ist vorherrschend". AVIVA meint: Die Ergebnisse sind wenig überraschend, den "Betroffenen" in allen Facetten seit Jahren bestens bekannt. Und doch: Die große Medienpräsenz auf genau diese Untersuchung zeigt endlich den dringenden Handlungsbedarf auf. (2018)
Jüdisches Forum für Demokratie und gegen Antisemitismus e.V. (JFDA) begeht 10-jähriges Jubiläum
Mit einer Feier im Festsaal des Rathauses Charlottenburg hat das Jüdische Forum für Demokratie und gegen Antisemitismus e.V. (JFDA) am 26. Juni 2018 zusammen mit rund 200 GästInnen sein 10-jähriges Bestehen gefeiert. Lala Süsskind, die Vorsitzende des JFDA, Levi Salomon, Sprecher des JFDA und Samuel Salzborn, Gastprofessor am Zentrum für Antisemitismusforschung der TU Berlin äußern Hoffnungen und Forderungen. Eine Bestandsaufnahme. (2018)
Bericht antisemitischer Vorfälle in Berlin 2017 vorgelegt: Anzahl der Vorfälle bedenklich
Die Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus Berlin (RIAS) legte am 18. April 2018 ihren Bericht antisemitischer Vorfälle für das vergangene Jahr vor. Für 2017 hat RIAS insgesamt 947 antisemitische Vorfälle in Berlin erfasst. Im Jahr 2016 wurden 470 antisemitische Vorfälle in Berlin registriert, im Jahr 2015 waren es 405 Fälle. (2018)
ZWST eröffnet neue Beratungsstelle für Betroffene antisemitischer Gewalt in Berlin
Mit der neuen Beratungsstelle soll ein Angebot speziell für Ratsuchende nach Erfahrungen antisemitischer Gewalt geschaffen werden, das sich durch einen niedrigschwelligen Ansatz auszeichnet. (2017)
Olivia Rosenthal - Ãœberlebensmechanismen in feindlicher Umgebung
Eine feindliche Umgebung voller Unsicherheiten, Düsternisse und Bedrohungen präsentiert die französische Schriftstellerin Olivia Rosenthal ("Wir sind nicht da, um zu verschwinden") in ihrem neuen Roman. Verlust, Schuld, Angst sind die Themen in diesem spannungsgeladenen Werk, das alptraumhafte Szenerien mit großer Brillanz fühlbar macht. (2017)
Gila Lustiger - Erschütterung. Über den Terror
Leider wieder hochaktuell ist Gila Lustigers wegweisendes Essay über den Terror in Frankreich. Erst im Juni 2016 wurde die in Paris lebende deutsch-jüdische Autorin für ihr "widerständiges Erzählen im Sinne von Freiheit und Humanität" mit dem Jakob-Wassermann-Literaturpreis der Stadt Fürth ausgezeichnet. (2016)
Zahl gemeldeter antisemitischer Vorfälle in Berlin bleibt hoch
Im Jahr 2016 erfasste die Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus Berlin (RIAS) 470 antisemitische Vorfälle in Berlin. Die Zahl der registrierten Vorfälle ist damit gegenüber dem Vorjahr (2015: 405 Fälle) um 16 % angestiegen. Die Zahl der von Antisemitismus Betroffenen hat sich gegenüber dem Vorjahr verdoppelt. (2017)
Zentralrat der Juden bereitet Klage gegen Google und YouTube vor
Hakenkreuzvideos und brauner Sumpf auf YouTube. Stephan Kramer, Generalsekretär des Zentralrats der Juden in Deutschland geht mit einstweiliger Verfügung bei Hamburger Gericht gegen die US-Firma vor. (2008)
"Mit Antisemitismus und Antiamerikanismus in die Charts"