Susanne Kalka und Helene Traxler - Lesbisch feministisch sichtbar - Role Models aus dem deutschsprachigen Raum - Aviva - Berlin Online Magazin und Informationsportal für Frauen aviva-berlin.de Literatur



AVIVA-BERLIN.de im November 2024 - Beitrag vom 23.09.2020


Susanne Kalka und Helene Traxler - Lesbisch feministisch sichtbar - Role Models aus dem deutschsprachigen Raum
Silvy Pommerenke

Leider ist es im Jahr 2020 immer noch nicht selbstverständlich, offen lesbisch zu leben. Auch wenn sich die gesellschaftliche Situation im Gegensatz zum letzten Jahrhundert zwar verbessert hat, so ist die Gegenwart vor allem durch patriarchale Heteronormativität geprägt und das Coming-Out wird vielen Lesben schwer gemacht. In der queeren Welt stehen vor allem …




… schwule Männer im Fokus und nicht lesbische Frauen. Um die Sichtbarkeit der Lesben geht es der Sozialwissenschaftlerin und Susanne Kalka, um das Aufzeigen von Role Models, damit es jungen Frauen von heute nicht so geht wie der Herausgeberin, die, als sie im Jahr 2007 ihr eigenes Lesbischsein entdeckte, vergeblich nach Vorbildern suchte.

Die vierzig Portraits in "Lesbisch feministisch sichtbar" zeigen eine bunte Vielfalt von Frauen, deren gemeinsame Schnittmenge vor allem der Feminismus ist. Nicht alle von ihnen bezeichnen sich als Lesben, nichtsdestotrotz benutzt Kalka den Begriff, um ihn im politischen Sinne und als Selbstermächtigung anzuwenden. Um Lesben herauszulösen aus dem Sammelbegriff LGBT+ (Lesbisch, Gay, bisexuell, transgender und weitere Geschlechtsidentitäten), denn darin verschwinden sie oft und werden in der öffentlichen Wahrnehmung nahezu unsichtbar.

Die Vielfältigkeit des Buches zeigt Frauen unterschiedlichen Alters (die älteste ist Jahrgang 1938, die jüngste Jahrgang 1991), Frauen aus den verschiedensten Berufen (Richterin, Fotografin, Bloggerin, Sozialpädagogin, Politikerin, Leistungssportlerin und vieles mehr), die vor allem aber eins sind: Aktivistinnen. Die bunte Mischung an Role Models aus Deutschland, Österreich und der Schweiz portraitiert aber auch Frauen mit unterschiedlichen Religionen, Nationalitäten und Hautfarben. Manche stehen stark im Rampenlicht (beispielsweise Anne Will, Maren Kroymann oder Bettina Böttinger), andere wiederum haben eher eine kleinere Außenwirkung, die aber nicht minder wichtig für die Frauen- und Lesbenbewegung ist. Was alle eint, ist ihr Enthusiasmus im aktiven Bereich der Frauen- und Lesbenpolitik. Die Lebensläufe der Portraitierten sind enorm vielschichtig und vor allem spannend zu lesen. Eingedampft auf zwei bis drei Buchseiten, die dann auch nochmal zum Schluss in ein, zwei Sätzen pointiert dargestellt werden, bieten diese Biografien ein enormes Potenzial als Role Models und sind unglaublich inspirierend. Das gibt den Leser*innen sicherlich den ein oder anderen Impuls, dem eigenen beruflichen oder politischen Weg eine neue Richtung zu geben, oder aber den bereits eingeschlagenen Weg beharrlich weiterzuverfolgen. Zudem werden in "Lesbisch feministisch sichtbar" eine Vielzahl an Organisationen, Anlaufstellen oder Gruppen aufgeführt, an die sich Lesben wenden oder bei denen sie mitmachen können. Dazu wird jede Frau in dem Buch mit einem Zitat und hinreißenden Portraitzeichnungen von Helene Traxler eingeführt.

Das Kompendium gibt auch einen komprimierten Abriss der Frauen- und Lesbengeschichte wieder. Viele Pionierinnen der siebziger, achtziger und neunziger Jahre des letzten Jahrhunderts sind unter den Porträtierten (u.a. Cillie Rentmeister, Luise F. Pusch oder Inge von Bönninghausen), die mit ihrem Enthusiasmus und ihrem unermüdlichen politischen und kulturellen Einsatz maßgeblich dazu beigetragen haben, dass Lesben von heute mit einem größeren Selbstverständnis in der Gesellschaft leben können.

AVIVA-Tipp: "Lesbisch feministisch sichtbar" stellt Kurzportraits von über vierzig Frauen dar, die mit äußerst spannenden Lebensläufen aufwarten. Jede Biografie ist besonders, hat ihre eigenen Highlights und lässt Bewunderung bei der Leser*in zurück, ob dieses unglaublichen Potentials an Empowerment. Was alle Frauen miteinander verbindet, ist ihr Aktivismus in Sachen Frauen- und Lesbenpolitik. Das Buch macht Mut und verdeutlicht vor allem eins: wir sind viele, und wir sind überall!

Zur Herausgeberin: Susanne Kalka, geboren 1991, wuchs in Pforzheim auf, studierte Politikwissenschaft und Soziologie in Freiburg und absolvierte ihren Master mit Schwerpunkt auf Geschlechtersoziologie an der Uni Potsdam. Im Anschluss ging sie für einen Forschungsaufenthalt nach Linz. Dort entstand die Idee, ein Buch über lesbische Role Models zu schreiben. Susanne Kalka lebt in Köln.
Susanne Kalka im Interview: bei Deutschlandfunk Corso

Zur Zeichnerin: Helene Traxler, geboren 1984, beschäftigt sich seit mehreren Jahren mit Malerei, Illustration, Grafik und Fotografie. Gegenwärtig lebt und arbeitet sie als Künstlerin und Art Direktorin in Linz, zuvor absolvierte sie ein MultiMedia Art Studium an der Fachhochschule Salzburg. Ihre Kunstwerke wurden in Linz, Salzburg und Wien ausgestellt. Sie gestaltete u. a. Illustrationen für die European Lesbian* Conference in Wien.
Helene Traxler im Netz: www.helenetraxler.at, auf Behance und auf Instagram

Susanne Kalka und Helene Traxler – Lesbisch feministisch sichtbar - Role Models aus dem deutschsprachigen Raum
Susanne Kalka (Text) & Helene Traxler (Illustrationen)
Querverlag, erschienen 09/2020
Broschiert, 192 Seiten
ISBN 978-3896562920
Euro 20,00
Mehr zum Buch unter: www.querverlag.de

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Literatur

Beitrag vom 23.09.2020

Silvy Pommerenke